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EU-Sanktionen - „Für Russland wäre das ökonomischer Selbstmord“

Als Reaktion auf das prorussische Votum auf der Krim hat die EU am Montag erste Einreiseverbote verhängt. Auf dem Brüsseler Gipfel am Donnerstag könnten umfassende Wirtschaftssanktionen folgen. Ängste vor einem Handelskrieg weist Außenhandels-Verbandschef Anton F. Börner jedoch zurück: Sanktionen würden Russland härter treffen als Deutschland

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Timo Stein lebt und schreibt in Berlin. Er war von 2011 bis 2016 Redakteur bei Cicero.

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Herr Börner, man liest immer, die Bundesrepublik würde energiepolitisch an Putins Tropf hängen, die Erdgasabhängigkeit sei enorm und wir könnten uns Wirtschaftssanktionen nicht erlauben. Wie abhängig sind wir wirklich?

Wir haben bundesweit große Lagerbestände. Die sind alle bestens gefüllt und reichen über Monate hinaus. Die Zeit müsste man im Ernstfall dann nutzen, um sich über alternative Lieferanten Gedanken zu machen. Ich habe keine Zweifel, dass das gehen wird. Aufgrund des milden Winters haben wir überhaupt keine Engpässe und außerdem steht der Sommer vor der Tür.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) aber warnt vor den möglichen Folgen der angedrohten Sanktionsverschärfungen für deutsche Unternehmen. Und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag spricht von 6000 Firmen und 300.000 Arbeitsplätzen, die am Russlandgeschäft hängen würden.
Ja, es gibt Unternehmen, die ganz stark auf Russland ausgerichtet sind, und die würde es natürlich fürchterlich treffen. Aber in Bezug auf die Europäische Union und die gesamte deutsche Volkswirtschaft wäre das zu verschmerzen. Man müsste dann schauen, wie man diese Unternehmen im Rahmen eines Hilfsprogramms unterstützen kann. Natürlich würden Sanktionen einzelne deutsche Firmen treffen, aber für Russland käme es wesentlich schlimmer. Dass wir uns nicht missverstehen: Wir sind natürlich nicht glücklich darüber, wenn die Politik die Wirtschaft als Druckmittel einsetzt. Wir sind kein Freund von Sanktionen. Aber das entscheidet die Politik.

Klingt, als könnten wirtschaftliche Sanktionen durchaus politischen Erfolg haben.
Kurzfristig bringen sie meistens nichts, aber langfristig tun sie massiv weh. Vor allem trifft es die Bevölkerung. Russland würde erhebliche Probleme im Innern bekommen. Der Lebensstandard der russischen Bevölkerung würde sinken. Man muss sich nur mal die demografische Entwicklung in Russland anschauen. Außerdem würde die russische Elite, die Oligarchen, empfindlich getroffen werden, weil die ihr Geld im Westen gebunkert, beziehungsweise dort investiert haben.

Es wird also im russischen Interesse sein, es nicht soweit kommen zu lassen.
Absolut. Wenn die EU beispielsweise ein Einfuhrverbot für russisches Öl verhängen würde, dann fehlen dem russischen Staatshaushalt pro Tag hundert Millionen Dollar. Er würde kollabieren, weil Russland sich aus dem Westen nicht mehr refinanzieren könnte. Der Rubel würde ins Bodenlose fallen, die russischen Zinsen würden explodieren. Das wäre ökonomischer Selbstmord. Soweit wird es aber nicht kommen.

Sie glauben nicht an harte Wirtschaftssanktionen?
Ich glaube nicht daran. Ich denke schon, dass es ein paar begrenzte Sanktionen geben wird, um Zähne zu zeigen. Wir setzen darauf, dass vorher eine diplomatische Lösung gefunden wird. Sowohl Obama als auch Merkel haben ja eine militärische Option ausgeschlossen. Wenn Putin weiß, militärisch ist nichts zu befürchten, heißt das de facto, dass die Krim an Russland gehen wird. Jetzt geht es darum, diesen Vorgang in eine rechtlich zu vertretende Form zu gießen.

Inwieweit geht es im Konflikt auch um die Erschließung neuer Märkte? Die Ukraine soll US-Konzernen bereits die Erlaubnis erteilt haben, mittels Fracking Gas zu fördern.
Das spielt keine Rolle. Es geht nicht darum, dass ein paar Leute dort Fracking machen können. Es geht ausschließlich darum, dass man das Vorgehen der Russen von Seiten der Weltgemeinschaft nicht dulden kann, weil dann Präzedenzfälle geschaffen werden, die ein Handeln gemäß des Rechts des Stärkeren erlauben. Damit würde die Weltordnung sehr instabil werden. Das ist das, was man befürchtet und deshalb hat man den Russen gesagt, es ist ein unrechtmäßiger Akt und den können wir nicht tolerieren.

Herr Börner, vielen Dank für das Gespräch.

Anton F. Börner ist Präsident des Bundesverband Großhandel, Außenhandel und Dienstleistungen e. V. (BGA).

Aktualisiert am 17.03.2014

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