Energiekrise - „Energieintensive Unternehmen werden es schwer haben, diese Krise zu überstehen“

Der Verbandspräsident und Unternehmer Reinhold von Eben-Worlée über die Folgen der Energieknappheit für den deutschen Mittelstand, die schädliche Wirkung der staatlichen Gasumlage, das Fracking-Verbot – und über die Bundesregierung, der die Ernsthaftigkeit der Probleme noch nicht völlig klar ist.

„Die Gasumlage ist ein massiver Eingriff des Staates, der das Vertrauen in die Verlässlichkeit von Liefervereinbarungen nachhaltig untergräbt“ / dpa
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Daniel Gräber leitet das Ressort Kapital bei Cicero.

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Reinhold von Eben-Worlée ist Präsident des Verbands „Die Familienunternehmer“ und Unternehmer in Hamburg.

Herr von Eben-Worlée, hohe Energiekosten belasten die mittelständische Industrie ohnehin. Jetzt kommt noch die Gasumlage obendrauf. Was bedeutet das?

Das sind zusätzliche Kosten, die kaum ein Industriebetrieb eingeplant hat. Die meisten Unternehmen sichern sich ja durch langfristige Verträge mit Energieversorgern ab und rechnen mit den darin vereinbarten Preisen. Wenn die Kilowattstunde Gas ab Oktober plötzlich 2,4 Cent mehr kostet, wirft das die gesamte Kalkulation über den Haufen. Die Gasumlage ist ein massiver Eingriff des Staates, der das Vertrauen in die Verlässlichkeit von Liefervereinbarungen nachhaltig untergräbt.

Die Unternehmen beziehen derzeit also ihre Energie noch zu in der Vergangenheit vereinbarten Preisen. Wann laufen diese Verträge aus?

Das ist unterschiedlich, je nach Risikobereitschaft. Manche haben auf kurzfristigere Energiebeschaffung und auf niedrigere Preise gesetzt. Die haben jetzt schon ein großes Problem. Auf andere Unternehmen, deren Verträge vielleicht noch bis ins kommende Jahr hinein laufen, rollt eine gewaltige Lawine zu. Das gilt beim Gas genauso wie beim Strom. Die Preissteigerungen werden für viele kaum zu tragen sein. Energieintensive Unternehmen werden es schwer haben, diese Krise zu überstehen.

Wie kann der Staat den Unternehmen helfen?

Bitte nicht mit der Gießkanne, sondern mit gezielten Hilfen. Der Industriestandort Deutschland braucht eine Härtefallklausel für besonders betroffene Unternehmen. Anhand eines Punktesystems müssen diejenigen, die den Kostenzuschlag der Gasumlage nicht tragen können, darlegen können, dass ihnen ohne Härtefallberücksichtigung die Insolvenz drohen würde. Je nach Sachlage muss dann die vollständige oder auch nur teilweise Befreiung der Umlage und mehrerer Aufschläge möglich sein. In Einzelfällen kann auch der vorübergehende Einstieg des Staates in wichtige Unternehmen geboten sein. So wie es bei der Lufthansa und dem Gasimporteur Uniper geschehen ist. Dieses Instrumentarium ist aber immer ultima ratrio, weil es in der Regel mit erheblichen Nebenwirkungen behaftet sein kann. Ich sage nur „Gasumlage“.

Reinhold von Eben-Worlée

Bei großen, systemrelevanten Unternehmen ist das vorstellbar. Der Staat wird aber nicht jeden in Not geratenen Mittelständler durch eine Kapitalbeteiligung retten können.

Nein, für den Mittelständler ist das keine Lösung, er steht vor schweren Entscheidungen. Entweder gibt er die gestiegenen Energiekosten an seine Kunden weiter, was die Inflation weiter anheizt. Oder er legt die Produktion still und schickt seine Mitarbeiter in Kurzarbeit. Das Kurzarbeitsgeld zu zahlen, kann der Staat aber auch nicht auf Dauer leisten. Wir müssen deshalb jetzt alles daran setzen, diese Energiekrise so schnell wie möglich zu überwinden. Ich habe allerdings den Eindruck, dass die Bundesregierung die Ernsthaftigkeit der Probleme noch nicht voll erkannt hat.

 

 

Warum?

Weil sie immer noch meint, bestimmte Technologien von vornherein ausschließen zu können. Wir werden dieses Land nicht allein mit erneuerbaren Energien versorgen können. Es ist richtig, sie weiter auszubauen. Aber ohne konstante, verlässliche Energielieferanten wie Gas, Kohle und Kernkraft wird es nicht funktionieren. Wir müssen die gesamte Palette nutzen und ohne ideologische Scheuklappen nach Lösungen suchen. Dazu zählt neben einer Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke auch die Erdgasförderung in Deutschland und die Carbon-Capture and-Storage-Technologie (CCS), bei der CO2 aus Kohlekraftwerken abgeschieden und unter Tage eingelagert wird. Die Holländer und Norweger setzen auf CCS, aber bei uns soll es ein Tabu bleiben.

Was die Erdgasförderung angeht: Dazu müsste das Fracking-Verbot fallen. Denn die größten Vorkommen sind in Gesteinen, aus denen ohne Fracking kein Gas geholt werden kann. Sehen Sie dafür eine Chance?

Bei den Preissteigerungen, die wir im kommenden Jahr sehen werden, und den Kollateralschäden, die zu erwarten sind, ist es unverantwortlich, auf die Fracking-Technologie zu verzichten. Aber statt Erdgas selbst zu fördern, importieren wir lieber Fracking-Gas aus den USA und anderen Ländern. Die Umweltfolgen dort sind uns offenbar egal. Damit verlagern wir unsere Probleme ins Ausland. Das ist keine gute Lösung.

Selbst wenn Fracking in Deutschland doch noch erlaubt wird, dauert es, bis das erste Gas fließt. Eine schnellere Alternative wäre es, Nord Stream 2 doch noch in Betrieb zu nehmen. Entsprechende politische Forderungen gibt es bereits. Wenn der Winter hart wird, werden sie lauter.

Das wäre der Offenbarungseid der deutschen Ukraine-Politik. Ich glaube nicht, dass sich die Bundesregierung, zumindest in dieser Konstellation, dem Druck beugen wird. Und ich halte es auch für den falschen Weg. Putin spielt mit uns. Um wieder mehr russisches Gas zu bekommen, egal durch welche Pipeline, müssten wir die Ukraine aufgeben und einen Kuschelkurs mit Russland einschlagen. Wir hätten dann vielleicht kurzfristig unsere Ruhe. Aber das Problem würde in die Zukunft verlagert. Denn Putin würde weitermachen und sich den nächsten der ehemaligen GUS-Staaten einverleiben.

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Sie haben vorhin die CO2-Speicherung CCS erwähnt. Warum gibt es in Deutschland so große Vorbehalte dagegen?

Das habe ich auch nie verstanden. Was soll daran schlimm sein, CO2 dorthin zu bringen, wo es zuvor entnommen wurde?

Vielleicht, weil es Teilen der deutschen Klimaschutzbewegung und der Grünen nicht nur um eine Lösung des CO2-Problems geht, sondern um die Deindustrialisierung des Landes.

Das wäre Unsinn. Die Weltbevölkerung wächst und damit auch der Bedarf an Industriegütern. Wenn wir diese Bedürfnisse nicht decken, macht es jemand woanders, und das meist weniger klimaeffinzient. Deutschland verdankt seinen Wohlstand der Industrie. Das sollten wir nicht leichtfertig opfern.

Das Gespräch führte Daniel Gräber.

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