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Deutschlands Ur-Bräu

Deutsche Unternehmen in der Krise? Die Brauerei Zötler hat den Dreißigjährigen Krieg, Pest-Epidemien, zwei Weltkriege und dazu nicht gezählte Konjunkturkrisen überlebt. Ein Besuch bei dem ältesten Familienunternehmen Deutschlands Ur-Bräu

Bei den Zötlers gibt es ein eisernes Gesetz: Wenn Besucher in die Firma kommen, soll immer einer der Inhaber da sein. Für die Begrüßung, zum Händeschütteln. Entweder macht es der 85jährige Herbert senior oder sein 56jähriger Sohn, der ebenfalls Herbert heißt. Letzterer ist heute auch der Chef im Familienbetrieb. Dass Vater und Sohn Herbert heißen, ist erstes Signal für Tradition: Vornamen werden häufig weitergereicht von einer Generation zur nächsten in Firmen, die schon lange der Familie gehören. Bei Zötlers wiederholt sich Herbert – und damit hat es seine besondere Bewandtnis: Zötler Bier ist uralt, immerhin mehr als ein halbes Jahrtausend. Vorfahren der beiden Herberts standen schon am Sudkessel, als Christoph Kolumbus noch nicht einmal geboren war. Im Jahr 1447 wurde die Brauerei gegründet – damit ist Zötler Bräu das älteste Familienunternehmen Deutschlands. Das persönliche „Willkommen!“, immer aus dem Mund der Inhaber, soll diese Besonderheit hervorheben. „Besucher sollen gleich die Familie erleben“, sagt Herbert Zötler, der Jüngere. Seine Stimme klingt dabei so gelassen, so unaufgeregt, dass jeder ihm das glaubt. Sein „Willkommen!“ ist kein Marketing-Gag aus dem Kundenbindungshandbuch. So viel Historie im Rücken scheint auch gegen manche Aufgeregtheit der Jetzt-Zeit immun zu machen. Die Zeitungen schreien die „Größte Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg“ heraus. Aber da haben 19 Generationen Vorfahren weit Schlimmeres durchstanden: den Dreißigjährigen Krieg, Pest-Epidemien, zwei Weltkriege, dazu nicht gezählte Konjunkturkrisen. Macht so viel Bewährung in der aktuellen Wirtschaftslage gelassen? „Man agiert nicht so hektisch“, sagt der Unternehmer. Geschichte verschafft Abstand zum Heute. Sein Blick reicht eher in das Morgen, zur Firma Zötler Bier in zehn oder zwanzig Jahren. Der Sohn des heutigen Geschäftsführers wird dann den Betrieb führen. „Er wird wohl weitermachen“, sagt Herbert Zötler, halb ankündigend, halb hoffend, dass es so eintritt. Damit die alten Wurzeln des Stammbaums auch neue Äste wachsen lassen, müht sich der Inhaber und Chef. Er achtet darauf, dass die Familie Kraftquelle für die Firma bleibt, dass alle zusammenhalten. Jedes Jahr gibt es ein großes Familientreffen. „Das Wichtigste ist, dass wir miteinander lachen“, sagt der Bierbrauer, „dann fällt auch das gemeinsame Gespräch über das Geschäft nicht schwer.“ Würde sich die Familie entzweien, wäre es bald auch mit der Firma aus. Vor der nächsten Konjunkturdelle hat Zötler keine Angst, die geht vorbei. „Das Schlimmste ist ein Streit in der Familie. Weil hier sehr viel Emotionales, Irrationales mitspielt.“ Bislang hatte die Familie das unter Kontrolle. Die schlechten Gefühle hat der Zusammenhalt im Zaum gehalten, die guten auf das Geschäft übertragen. „Drei Werte ziehen sich wie ein roter Faden durch die Familie“, sagt der heute 56jährige Inhaber, „Aufmerksamkeit schenken, Wertschätzung entgegenbringen, Freundschaften pflegen.“ Von Rendite-Prozenten und Shareholder-Value ist bei Zötler nichts zu vernehmen. Stattdessen aber von der Liebe zum Produkt: „Die Bräus – so nannte man den Bierbrauer – haben in jeder Generation gutes Bier gebraut. Sonst hätten wir sicher nicht so lange überlebt.“ Der Respekt vor den lokalen Wurzeln ist eine weitere Zutat für den Erfolg. Die Heimat von Zötler ist das Dörfchen Rettenberg, eingebettet in Berge und Wiesen des Allgäus. Eine Heidi-Landschaft, wo die höchsten Gebäude die Kirchtürme sind. Der größte Teil des Zötler-Biers wird in 50, 60 Kilometer Umkreis um die Brauerei herum getrunken. „Viele Kunden kennen uns persönlich“, beschreibt der Familienunternehmer einen Unterschied zu den großen Biermarken, die er „Fernsehbiere“ nennt. Aber trotz der teuren Werbung vor der Tagesschau geht es diesen Großen nicht gut. Jahr für Jahr läuft weniger Krombacher, Warsteiner und Bitburger durch die Kehlen der Deutschen. Und wie geht es Zötler in der aktuellen Krise? Die kleine Brauerei mit 55 Mitarbeitern hat sich ihre treue Anhängerschaft bewahrt, auch wenn die Markentreue in der Krise sicherlich unterminiert wird. „Wir schlagen uns ganz tapfer“, sagt der Inhaber. Nach großem Wachstum klingt das nicht. In der Tat wird der Umsatz dieses Jahr dort landen, wo er schon im Jahr 2005 lag: bei zehn Millionen Euro. Aber in einem schrumpfenden Markt ist Behauptung schon der Erfolg. 80000 Hektoliter Bier kommen aus den Kesseln des Brauhauses, Großbrauereien produzieren im Schnitt 500000 Hektoliter. In drei Tagen braut Discounter und Marktführer Oettinger so viel Bier wie Zötler in einem ganzen Jahr. Aber Herbert Zötler kratzt das nicht. Eine 400-jährige Eiche wächst schließlich auch nicht in den Himmel. „Wir wollen nicht die größte Brauerei sein, sondern die erfolgreichste im Allgäu.“ Das Modewort Nachhaltigkeit nimmt der Mann zwar nicht in den Mund, aber er handelt nach dieser Devise. Er will nicht Wachstum um jeden Preis. Die Jagd um die Marktanteile, die Marken wie Radeberger, Warsteiner und Krombacher antreibt, ist dem Familienunternehmer fremd. Er freut sich, wenn es mit der Firma in Familienhand weitergeht. Sein Sohn Niklas Herbert ist jedenfalls schon bereit, die 21.Generation zu repräsentieren – hoffentlich. Foto: Picture Alliance

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