
- Der wahre und einzige Grund
Ist der Impfstoff von AstraZeneca tatsächlich die Ursache für das Auftreten gefährlicher Blutgerinnsel? Die Wissenschaft ist sich noch immer uneinig. Warum die Feststellung eines direkten Kausalzusammenhangs so schwierig ist, erklärt ein Artikel aus dem Fachmagazin Nature.
Heute wird sich die EU-Arzneimittelbehörde (EMA) zu den möglichen Zusammenhängen zwischen der Corona-Impfung mit dem AstraZeneca-Vakzin und dem Auftreten seltener Blutgerinnsel äußern. Vorab hatte Marco Cavleri, Chef der Impfabteilung der EMA, in einem Interview mit der italienischen Zeitung Il Messaggero bereits durchblicken lassen, dass ein Zusammenhang zwischen der Impfgabe und dem Auftreten gefährlicher Blutgerinnsel seiner Meinung nach offensichtlich sei. Die WHO wiederum wiedersprach dieser Lesart und erklärte, dass es keinen Beleg dafür gebe, die Risiko-Nutzen-Bewertung in Bezug auf AstraZeneca zu ändern.
Doch was macht die Einschätzung einer möglichen Gefährlichkeit des britisch-schwedischen Impfstoffs so schwierig? Mit dieser Fragestellung beschäftigt sich ein wissenschaftlicher Beitrag im britischen Fachmagazin Nature. Der Wissenschaftsjournalistin Ariana Remmel zufolge sei es für Wissenschaftler und Ärzte nahezu unmöglich, die feinen Nuancen zwischen Korrelation und Kausalität herauszuarbeiten. Wenn etwa in einer Gruppe von 20 Millionen geimpften Personen in Großbritannien und der EU 25 Menschen schwere Blutgerinnsel in Verbindung mit einer verminderten Anzahl von Blutplättchen zeigten, so sei damit noch nicht endgültig bewiesen, dass diese extrem seltenen Ereignisse auch tatsächlich durch die Impfung herbeigeführt worden seien.
Es fehlen geeignete Biomarker
Im Idealfall könne ein solch unerwünschtes Ereignis mit Hilfe eines spezifischen Labortests direkt mit einem Impfstoff in Verbindung gebracht werden. So habe etwa eine frühe Version des Polio-Impfstoffs dazu geführt, dass pro 2,4 Millionen verabreichter Dosen eine Person später die Krankheit entwickelt habe. Der im Impfstoff verwendete Virusstamm konnte in diesen Fällen direkt aus der Rückenmarksflüssigkeit isoliert werden. Somit war unmissverständlich klar, dass allein der Impfstoff diese Krankheit verursacht haben konnte. Doch für die meisten unerwünschten Ereignisse im Zusammenhang mit einer Impfung gebe es derlei Tests schlichtweg nicht – entweder weil es keine spezifischen Biomarker gebe, auf die man testen könne, oder weil solche Tests nicht praktikabel seien.
So ist es auch bei dem nun zur Diskussion stehenden AstraZeneca-Impfstoff. Mit Verweis auf Pandemrix, den Impfstoff gegen die Schweinegrippe, der bei zahlreichen schwedischen Kindern chronische Schlafstörungen ausgelöst haben soll, belegt die Autorin, wie schwierig abschließende Beurteilungen möglicher Impfschäden in der Praxis sein können. Denn im Fall Pandemrix streiten sich die Wissenschaftler bis heute. Für die einen ist der direkte Zusammenhang zwischen Impfung und dem Auftreten einer sogenannten Narkolepsie längst evident, andere bezweifeln diese Kausalität noch immer.
Bessere Überwachung
Ariana Remmel fordert daher eine bessere und aktivere Überwachung. Die bisherigen Systeme könnten nach Meinung der Autorin zwar seltene Nebenwirkungen erkennen, sie seien aber nicht in der Lage, die genauen Ursachen zu bestimmen. Erst wenn die Gesundheitsämter mit der flächendeckenden Einführung elektronischer Gesundheitsakten in die Lage versetzt würden, Daten einfacher zu erfassen und auszutauschen, könnten Ursachen möglicher Nebenwirkungen besser bestimmt werden. „Die Kombination aus aktiver Überwachung und gezielten klinischen Studien ist nicht nur wichtig, um die Sicherheit der aktuellen COVID-19-Impfstoffe zu gewährleisten. Diese Studien werden auch die Gesundheitspolitik über die Sicherheit von Auffrischungsimpfungen oder jährlichen Impfungen informieren, die für die Dauer der Pandemie und darüber hinaus erforderlich sein könnten“, so das Fazit des Artikels.
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