Der Schweizer Journalist, Medienberater und Cicero-Kolumnist Frank A. Meyer spricht mit Cicero-Redakteur Alexander Kissler
„Die 68er hatten auch Verdienste“

Meyers Blick auf... - ...die 68er-Bewegung

Der Schweizer Journalist, Medienberater und Cicero-Kolumnist Frank A. Meyer spricht mit Cicero-Redakteur Alexander Kissler darüber, welche Bedeutung die 68er-Bewegung vor 50 Jahren tatsächlich hatte

Alexander Kissler

Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Vor inzwischen 50 Jahren kam es zur sogenannten 68er-Studentenbewegung. Deren Bedeutung solle man nicht überbewerten, sagt Cicero-Kolumnist Frank A. Meyer. Die Vertreter der Bewegung hätten die Massen bewegen wollen, was ihnen aber in Wirklichkeit gar nicht gelungen sei. Die Bedeutung habe sich eigentlich nur aus den öffentlichkeitswirksamen Protestaktionen heraus ergeben und den völlig überdimensionierten Polizeiaktionen, sagt Meyer.

Im Privaten hingegen seien die 68er tatsächlich wirksam gewesen. So hätte man es geschafft, „völlig verkrustete Mentalitäten“ im Umgang miteinander zu überwinden, so Meyer weiter. Dort, wo einst Autoritäres vorgeherrscht habe, sei Vieles freier geworden. Dennoch seien viele Vorstellungen der 68er Utopie geblieben. Das Verdienst sei dennoch, das Thema der deutschen Schuld im Zweiten Weltkrieg überhaupt aufgebracht zu haben.

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Bernhard Jasper | Mo., 5. März 2018 - 17:42

Herr Meyer, der „autoritäre Charakter“ oder die „autoritäre Persönlichkeit“ (Erich Fromm), könnte man ebenso in diesem Zusammenhang nennen.

Es war die Auseinandersetzung mit der Vätergeneration.

Dorothee Sehrt-Irrek | Mo., 5. März 2018 - 17:53

seinem Reden selbst überzeugt, wie wichtig die 68 er, vielleicht anders als sie selbst dachten, vor allem intellektuell waren.
Das war eben nicht im Privaten, es war der gesellschaftliche Umgang, die Aufarbeitung der Greuel des 2. Weltkrieges und des 3. Reiches.
Frankreich war nicht ganz so frei davon, dort gab es das Vichy-Regime und jedenfalls eine relativ starre Gesellschaft?
Es war so wichtig für Deutschland und jetzt habe ich mich selbst dazu gekriegt, diesen `Jugendbewegungen´ ersteinmal etwas unvoreingenommener gegenüberzustehen.
Das sind nicht unbedingt intellektuelle Bewegungen, so sehe ich eben auch nicht Genossen Kühnert, können es aber werden.
Welche Rolle die Parteien überhaupt dabei spielen werden oder die Gewerkschaften, keine Ahnung.
Solange rechtzeitig Radikalisierungen eingedämmt werden, auch um der Jugendlichen Willen, kann es gut gehen.
Ich würde jedoch keinen Polizeistaat forcieren und bedenken, dass vor erst kurzem in der DDR eine Revolution stattfand,

Dorothee Sehrt-Irrek | Mo., 5. März 2018 - 18:17

besonders den Parteien "Die Grünen" und "Die Linke" zugute kommen.
Dagegen kann eine SPD nicht punkten, da mit?
Gleichzeitig verliert die SPD an die AfD und CDU.
Mal ganz unabhängig von einer Neuauflage der GroKo, die SPD hat leider schlechte Karten, weil m.E. die Politik unter Schröder schwer zu vermitteln war, danach aber Merkel zu einer Art "Volkstribun" wurde für Leute, die auf Sicht an die Dinge herangehen, wie m.E. auch die Jugend.
Sie kann alles laufen lassen und als Heldin der Grünen und Linken in die Annalen eingehen.
Ist kein Geld mehr da, wird es beschafft werden müssen. Die CDU wird nichts dazu sagen,die SPD nichts dagegen, weil das der einzige Weg sein wird, Revolten zu verhindern.
Nur mal nach vorne gedacht.
Es ist besser, wenn die CDU/CSU Merkels Möglichkeiten realistisch einschätzt.
Sie sind sehr groß, so groß, dass nicht einmal sie selbst es diesmal verhindern kann, in den Olymp aufzusteigen.
Am Ende werden wir in einem/r anderen Gesellschaft/Land leben...

Jacqueline Gafner | Mo., 5. März 2018 - 19:08

speziell, was die 68er-Bewegung in der Schweiz betrifft, deren Exponenten man - selbst als Teeny, das ich damals war - nicht wirklich für voll genommen hat, wenn sie "Ho-Ho-Ho-Chi-Minh"-skandierend durch die Strassen zogen oder ihre Mao-Bibel gut sichtbar spazieren führten. Ein Stichwort hat mir in den Schilderungen allerdings gefehlt (eventuell fällt es in einem nächsten Interview), nämlich der berühmte "lange Marsch durch die Institutionen", der durchaus erfolgreich war, und das nicht nur in einer Art, die man ungeschaut beklatschen möchte. Hat man noch im Ohr, was manche Professoren ihren Studenten damals (und teilweise bis heute) an einschlägigen Weisheiten mit auf den Weg meinten geben zu müssen, haben die inzwischen Alt-68er auch ausserhalb des Privaten durchaus ihre Spuren hinterlassen, nicht nur an Universitäten, sondern auch in der Politik, in öffentlichen Verwaltungen und in der Justiz.

Gehe ganz mit Ihnen einig. An der HSG fühlte ich mich sozusagen "verwaist" damals. Immerhin bot die Uni Ota Sik eine Professur, als er im Prager Frühling fliehen musste; sein 'Dritter Weg' beschäftigte einige von uns, die mit den Philosophen und Themen der 68er nichts anfangen konnten. Als ich versuchte, als Senior einer Studentenverbindung diese zu "politisieren", schiffte ich völlig ab.
Natürlich ist unsere Generation dann "in/durch die Institutionen" gegangen; für uns waren deren Türen ja offen (keine Revolution vonnöten). Wenn ich den heutigen Zustand in Politik und Institutionen (Regelwerken) sehe, namentlich deren Reflexion in den Medien, so find ich eine Rückführung heutiger Zustände auf 1968 eine wenig sinnvolle Einengung der Perspektive. Wichtiger ist eine Gesamtsicht seit dem Ende des 2. Weltkriegs, namentlich auch der Umbruch 1989/90.

Achim Scharelmann | Di., 6. März 2018 - 11:13

Um ein Umdenken nach dem 2. Weltkrieg herbeizuführen waren diese Jesus-Sandalen-Revoluzzler am allerwenigsten nötig, denn nach einem verlorenen Krieg war jedem vernünftigen Menschen klar, daß hier viel Unrecht im Namen des Volkes geschehen ist. Daraus aber einen Vorwand herbeizuleiten um eine marxistische Gesellschaft zu formen, ist die eigentliche Tragik, denn vieles ist ihnen tatsächlich gelungen umzusetzen, obwohl sie seinerzeit oftmals garnicht wußten über was sie schwafelten und das ging bis in kleinste Dorf hinein in die Canabisgeschwängerten einschlägigen Lokale, hervorgerufen durch unterforderte Gymnasiasten, aber auch durch linkes Arbeiterproletariat und alle gemeinsam in den verherrlichten Gedanken des Umsturzes, nach ihrer Vorbildern südamerikanischer und asiatischer Marxisten, obwohl die die größten Schlächter ihrer Zeit waren, aber als Gegenpol zur deutschen Politik gerade recht waren um die eigene Zielsetzung zu begründen. Es wird Zeit, denen etwas entgegen zu setzen.

Bernhard Jasper | Di., 6. März 2018 - 11:23

Ich persönlich gehörte altersbedingt nicht den 68er an. Jedoch einige meiner Professoren waren 68er. Für Sie war es auch der „Gang durch die Institutionen“, bis in die Ministerien hinein.
Die Grundierung, „es gibt kein richtiges im falschen“ (Adorno) oder der „autoritäre Charakter“ (Aufarbeitung des Faschismus), war ihr großer Verdienst.
Darüber hinaus erinnere mich sehr gerne an mein „Wahlpflichtfach“ Kunstgeschichte.
Wer gebraucht denn heute noch den Begriff „Gegenentwurf“, obwohl er die gesamte (Kunst) Geschichte durchzieht?

Die 68er, sehr belesene und intellektuelle Personen.
Mit dem „real existierenden Sozialismus“ und dem Unrechtsstaat „DDR“, endete der utopische Standort der 68er.

Tomas Poth | Di., 6. März 2018 - 12:52

Klar war ein deutscher Angriffskrieg, dazu auch noch dumm mit der Erfahrung aus dem 1.WK. Aber man muss auch immer das Wirken der anderen Mächte berücksichtigen deren Politik darauf ausgerichtet war Deutschland im weltweiten Machtpoker auszuspielen und zu bedrängen. Preussen wurde gebraucht um Napoleon final in Waterloo niederzuringen. Aber die nachpoleonische Friedensordnung in Europa wußte ein geeintes Deutschland zu verhindern, das sollte bloß nicht sein. Zwangsläufig ergaben sich daraus die nachfolgenden Waffengänge.

Bernhard Jasper | Di., 6. März 2018 - 18:30

Und eine künstlerische Kreativität war in großer Breite vorhanden.

Ohio- Crosby, Stills, Nash and Young
https://youtu.be/TRE9vMBBe10

Bernhard Jasper | Di., 6. März 2018 - 19:58

Bei allen Unterschieden der Herkunft, Orientierung und Lebenserfahrung, die Vorstellung von der Wirklichkeit transformiert der Mensch immer in ein Modell oder einen Entwurf, auch „Gegenentwurf“ zu den bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen. Das ist auch unser europäisches Erbe.

Die Gesellschaft hat sich jedoch ausdifferenziert. Das betrifft vor allem die soziologische Mitte.

Ausblick: Der „Techniker“ wird zum Weltgestalter (Digitalisierung), er hat mit dem „Künstler“ kaum mehr zu tun, der mit seinen überholten Begriffen („konservativ und progressiv“, ideologisches rechts und links, etc.) weitgehend auf einer Insel der Glückseeligen zu leben scheint.

Ich bleibe jedoch Optimist und entschuldige mich für meine Kommentar-Fragmente (ist der Zeit geschuldet)

Grüße an die Herrn Meyer und Herrn Kissler. Gestalten Sie dieses Format weiter. Sehr schön und anregend !