Wer nie aus seiner Komfortzone herauskommt, entwickelt sich auch nicht weiter / picture alliance

Wirtschaftspsychologie - „Eine Gesellschaft aus verweichlichten Low-Performern“

Vier Millionen Menschen beziehen Bürgergeld, die eigentlich erwerbsfähig sind. Der Psychologe Florian Becker beklagt eine leistungsfeindliche Ideologie, die schon Grundschulkindern die Selbstverantwortung aberzieht. Eine der Folgen seien wirtschaftliche Erfolgseinbußen im internationalen Wettbewerb.

Autoreninfo

Ilgin Seren Evisen schreibt als freiberufliche Journalistin über die politischen Entwicklungen in der Türkei und im Nahen Osten sowie über tagesaktuelle Politik in Deutschland. 

So erreichen Sie Ilgin Seren Evisen:

Professor Dr. Florian Becker ist Psychologe und Autor vieler Bücher zu Positiver Psychologie, Führung und Motivation. Er forschte und lehrte lange an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, ist im Vorstand der Wirtschaftspsychologischen Gesellschaft und hat eine Professur an der Technischen Hochschule Rosenheim. In Beratungsprojekten und Vorträgen zeigt er, wie Psychologie Menschen effektiver und glücklicher macht, wie wir Motivation entfesseln und Resilienz aufbauen.  

Herr Becker, Sie schreiben über Positive Psychologie, befassen sich mit der Frage, was Menschen effektiv macht und ihr Potenzial verwirklichen lässt. Nutzt unsere Gesellschaft die Möglichkeiten der Psychologie? 

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Gerhard Lenz | Mo., 4. Dezember 2023 - 18:24

Du meine Güte. Ich kenne etliche Psychologen, die angesichts des Kuddelmuddels von psychologischen Ansätzten, die in eine bestimmte politische Ideologie gezwängt werden, die Hände über dem Kopf zusammenschlagen würden. Das geht schon gut los: Ein dickes Kind, das bei allen Bundesjugendspielen auf die Nase fällt, braucht schon eine dicke Haut. Der junge schlanke Athlet, dem die Medailllen in den Schoß fallen dagegen nicht. Der verinnerlicht dann wohl eine gewisse "Siegermentalität". Dass Noten eine höchst zweifelhafte Messung der individuellen Leistung darstellen ist wohl an Herrn Becker vorbeigegangen. Und dass das Bürgergeld Faulenzertum fördern soll, ist einfach nur populistisch und ziemlich plump.
Ein letzter Höhepunkt; Herkunft und Erfolg im Leben haben zwar eine statistische Beziehung, aber es gibt keine Ursache-Wirkung-Relation. Sondern? Einfach nur ein Zahlenspielchen? Unfassbar.
Die Deutschen zunehmend verweichlicht....

Dazu passt das neue Pisa-Debakel (heute Spiegel online): "Fast ein Drittel der 15-Jährigen scheitert an einfachen Matheaufgaben.
Noch Fragen?

Ein paar Beispiele aus der Praxis: meine beiden kleinen, viel jüngeren Schwestern sind mit Hartz4 grossgeworden. Sie gingen aufs Gymnasium und haben studiert. Die eine ist Ärztin geworden, die andere studiert gerade Psychologie. Es liegt nicht an der Herkunft, dass in armen Familien so wenige studieren. Es liegt an der mit Geburt gegebenen Intelligenz, Fleiß und Achtung der Eltern auf gute Bildung ihrer Kinder und deren Anstrengung dafür. Ich kenne auch Ihre sogenannten Faulenzer aus nächster Nähe. Beide gute Berufsausbildung. Sie seit 20 Jahren im Sozialleistungsbezug, er seit 10 Jahren. Beide sind nicht krank oder eingeschränkt. Lust zur Arbeitsaufnahme: Null. Warum auch. Sie kommen gut hin. Selbst jedes Jahr Urlaub im Ausland ist möglich.
Freundliche Grüße in die Filterblase.

Herr Lenz, bitte nicht gleich die Populismus-Keule auspacken. Wenn Bürgergeld den Anreiz schafft, statt zu arbeiten lieber Bürgergeld zu beziehen, ist das kein Populismus, sondern schlechte Politik, die keinen Anreiz schafft für Arbeit! Das Bürgergeld ist für Bürger (so suggeriert es jedenfalls der Name, obwohl viele Empfänger keine Bürger dieses Landes sind), die nicht arbeiten KÖNNEN, nicht für Menschen, die nicht arbeiten WOLLEN.
Ihre Populismus-Keule packen Sie bitte schnell wieder ein, das ist zu billig und zieht hier nicht. Beste Grüße

Erich Becker | Mo., 4. Dezember 2023 - 18:56

Ich stimme Herrn Beckers Befund vollkommen zu: er zeigt Mut, gegen den Zeitgeist zu opponieren und liefert Argumente für ein engagiertes Berufsleben. Nach meinen eigenen Erfahrungen als Arbeiterkind, ist der berufliche und soziale Aufstieg zwar beschwerlich, aber machbar. Der "zweite Bildungsweg" - wie auch immer er sich gestaltet - ist heute noch existent, wenngleich er aktuell weniger gefördert und propagiert wird, als in den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Studieren und Geldverdienen, die für soziale Aufsteiger zusammengehören, erfordern ein Höchstmaß an Wille und Geduld. Die Menschen, die aus dieser Prägung gedeien, haben dabei auch sicher Qualitäten entwickelt, die gesellschaftlich nützlich sind. Sodass sie auch zurückgeben, was ein leistungsunterstützendes politisches uns soziales System diesen Menschen gegeben hat.

Heidemarie Heim | Mo., 4. Dezember 2023 - 19:40

Da war und ist bis heute gültig. Solche Interviews und Artikel mit Menschen vom Fach oder Selbsterfahrung bringen mich dazu über die eigene Kindheit und daran anschließende Leben nachzudenken. Wie viel Glück, Zufall, eigene Motivation, Persönlichkeit, fördernde wie auch destruktive Einflussnahmen von außen bzgl. Ehrgeiz und Leistungserfolg bestimmten den Weg. Was habe ich warum erreicht aus eigenem Antrieb? Ich wuchs noch in einer Zeit auf, wo nur die Töchter und Söhne vom "Herrn Doktor" aufwärts wie selbstverständlich unabhängig davon wieviel hundert "Nachhilfestunden" dazu nötig waren auf` s Gymnasium wechselten, irgendwie das Abi zu drechseln und hinterher meist ein Wunschstudium der Eltern mit entsprechender Liquidität zur Finanzierung desselben zu absolvieren. Bei meinem Elternhaus reichte es weder für Nachhilfe, noch für Reitsport;). Trotzdem wurden gute Noten verlangt und eine einzige 4 im Zeugnis war ein für mich persönliches Versagen. Nur die Harten kommen in den Garten;)! MfG

Markus Michaelis | Mo., 4. Dezember 2023 - 20:05

Man kann es natürlich auch mit der Leistungsgesellschaft übertreiben - was wir auch schon hatten. Aber im Moment ist an dem, was Herr Becker vorbringt, glaube ich viel dran. Ich sehe für meinen Teil auch eine Grundeinstellung, dass der Mensch von Natur aus gut und glücklich sei - ist das nicht der Fall, müssen böse Menschen dafür verantwortlich sein. Wir haben aus meiner Sicht den Blick dafür verloren, dass das viel komplexer und widerspruchsvoller ist. Wir rennen daher immer härter gegen Rechts und anderes Böse an, das wir als DIE Ursache unserer Probleme ausgemacht haben. Was abhanden gekommen ist, sind die Antennen für all die schwierigen Widersprüche, die im Menschsein immer dabei sind. Wir setzen uns als Gesellschaft unrealistische Ziele und bekämpfen auf dem Weg dorthin unrealistische Feinde.

Ingofrank | Mo., 4. Dezember 2023 - 20:24

Ich bevorzuge die Dinge auf Deutsch mit klarer Sprache zu benennen:
Für mich sind das unmotivierte, leistungsschwache, sich auf Kosten der Solidaritätsgemeinschaft ausruhend Flaschen.
Mit freundlichen Gruß aus der Erfurter Republik

Henri Lassalle | Mo., 4. Dezember 2023 - 20:41

Eine der Folgen des Wohlstandes und der langen Friedenszeit. Eine gewisse Wohlstandverblödung ist die Folge, die Medien und Unterhaltungselektronik verstärken dies - ganz bewusst, denn sie profitieren davon. Wo ist noch so etwas wie genuine Kultur? Es gibt noch kleine Reste des Bildungsbürgertums, aber wie lange noch? Es wird im wilden, nahezu primitiven Geschrei der Rockstars, durch Oberflächlichkeit, den Phänomenen des "anything goes", durch als bedeutende Künstler gefeierte Gaukler, die Hyperemotionaliserung statt Objektivität....... etc. entwertet.

Der allgemeine Niveauverlust ist signifikant, man sieht es bereits in den Schulen. Das Schlimme jedoch ist: Wirkliche Leistung wird nicht mehr honoriert, oft nicht einmal erkannt (!), die Zeugnisnoten sagen übrigens nicht mehr viel aus. Für durchschnittliche Leistungen in Schulen und Unis gibt es Bestnoten.

Pamina | Mo., 4. Dezember 2023 - 20:52

Irgendwann werden wir hier noch das Denken verbieten, damit die Dummen nicht beleidigt werden.

Tomas Poth | Mo., 4. Dezember 2023 - 21:47

Wenn die Weicheier alles auf eigene Rechnung und eigener Leistung machen/finanzieren, also ohne Subventionen, dann laß sie doch. Ist ihr Leben, in der Rente gibt es dann später auch nichts.

Manfred Bühring | Di., 5. Dezember 2023 - 07:04

Da haben wir den Salat. Die Kaste der Sozialpädagogen hat die Macht über unser ehemals vorbildliches Bildungssystem übernommen. Herausgekommen ist die Generation Schneeflocke, nicht belastbar, ängstlich, geplagt von Weltschmerz und Endzeitstimmung, depressiv und leistungsfeindlich. Kurzum, die Letzte macht das Licht aus.

Ernst-Günther Konrad | Di., 5. Dezember 2023 - 08:45

Ob Beurteilungen und Anforderungen nach dem Prinzip Leistung, Eignung und Befähigung, ob das Abschaffen von Ordnung, Anstand, Verhalten, Fleiß und Disziplin, es wird doch in allen Bereichen abgeschafft, was uns mal nach dem Krieg zu einer blühenden Nation gemacht hat.
Die Generation "Z" hat doch längst formuliert, wie man sich die Arbeitswelt, das "Leistungsprinzip" vorstellt. Und nicht wenige Arbeitgeber lassen sich auch noch auf dieses Spiel ein, wohlwissend, dass sie sich selbst demontieren. Und die Politiker machen es uns zum Teil vor. Keine oder geringe Schulbildung , keine oder geringe Berufserfahrung, keine oder geringe Lebenserfahrung, aber Parteikarriere, das reicht doch inzwischen für das große Einkommen, via Diäten oder Parteiensalär. Und wenn man dann halt doch irgendetwas vorweisen "muss", wird die Biografien einfach geschönt, Promotionen gefakt bzw. plagiiert, werden Abschlüsse behauptet und nicht gefunden. Leidtragend sind die, die noch anständig lernen und arbeiten.

Uli | Di., 5. Dezember 2023 - 08:52

Über 60% haben Migrationshintergrund und davon die Mehrzahl Migrationshintergründe, die erst seit 2015 in großen Zahlen bei uns einwandern. Letztendlich bewegt sich die Zahl in der Größenordnung, die es seit der ersten großen Wirtschaftskrise Mitte der 1970er Jahre in Deutschland gibt. Das ist natürlich tragisch genug für den Steuerzahler. Man kann aber Realitäten, wie diverse Wirtschaftskrisen und vor allen Dingen die Wiedervereinigung nicht außer Acht lassen. Würde man aber nicht das Geld jedem entgegen werfen, der die deutsche Grenze überschritten hat, wären das Problem nur halb so groß. Betrachtet man mal die deutschen "Low-Performer" allein, erkennt man, dass sie ein Produkt der linksgrünen Politik bzw. der Eltern sind, die dieser Politik fürsprechen.

Norbert Heyer | Di., 5. Dezember 2023 - 09:10

Wenn es Regelungen in einem Staat gibt, die mir ein sorgenfreies Leben ohne eigene Leistungsbereitschaft ermöglichen, wird ein solcher Staat untergehen. Das neue Bürgergeld suggeriert einen berechtigten Anspruch für jeden. Sozialhilfe, Arbeitslosengeld und Stütze sind ausgemerzt. Innerhalb von 2 Jahren wurde das Bürgergeld um 25% erhöht. Hilfsarbeiter, Friseure, Paketauslieferer und Putzhilfen sollten sofort das Arbeiten einstellen - es lohnt sich nicht mehr. Bundesjugend-Spiele ohne Urkunde, Fußball-Nachwuchs ohne Meisterschaft oder Abstieg, Abiturienten, die den Dreisatz nicht kennen - und da wundern wir uns über die Gestalten im Bundestag, die ohne jegliche Befähigung über das Wohl und Wehe eines Volkes entscheiden? Da sind 360 Grad-Wenden unausbleiblich. Es muss irgendeinen Sinn machen, durch Masseneinwanderung das schon niedrige Niveau der Schüler weiter abzusenken. Wir gehen jedenfalls in eine leistungslose und verarmte Zukunft, es ist von Dummen so beschlossen und gewollt.

Theodor Lanck | Di., 5. Dezember 2023 - 11:26

Man kann Leistung und Sicherheit effektiver verbinden als heute. Grundlage kann sein, dass es nach Aristoteles zwei Formen der Gerechtigkeit gibt: austeilende Gerechtigkeit, die nach Leistung geht, und ausgleichende Gerechtigkeit, die jedem eine sichere Basis garantiert. Beides wäre zu kombinieren: Keiner wird zurückgelassen (das ist die Gleichheitskomponente), aber individuelle Mehr- und Minderleistung sind die zentralen Verteilkategorien (das ist die Freiheitskomponente). Verbunden mit dem begründeten Glauben, dass jeder in irgendetwas gut ist, wäre das ein stabiles Gerüst an Sozialmoral.

S. Kaiser | Di., 5. Dezember 2023 - 12:36

Nicht, dass „früher alles besser“ war, aber die Gesellschaft entwickelt sich zZt in eine Richtung, die nicht mehr im int. Wettbewerb wird bestehen können, und der wird nun mal nach den alten Regeln bestimmt. Da werden die Asiaten weit vorne mitspielen, da Ehrgeiz und Wettkampfhärte dort von klein auf vermittelt werden. Natürlich ist das nicht kuschelig, und für die, die nicht zu den Gewinnern zählen, ist es auch bitter. Die wahre Diversität ist es aber zu erkennen, welchen Beitrag jemand individuell leisten kann und diesen auch zu wertschätzen – Arbeiter wie Akademiker. Natürlich war es früher ungerecht, wenn Kinder aus reichem Hause sich ihre höhere Bildung an Privatschulen erkaufen konnten. Aber der Verdienst der früheren Bildungspolitik war es, Kindern aus weniger privilegierten Elternhäusern zu ermöglichen, aufzusteigen, und Wohlstand zu erreichen. Aber wenn man die Leistungsmessung abschafft, und alle gleich 'gut' sind, sind auf lange Sicht auch alle gleich 'arm dran'.