
- Identität, wo findet man dich?
Die Shortlist für den Deutschen Buchpreis verzichtet auf unkonventionelle und avantgardistische Kandidaten. Aber sie zeugt von einem guten Kompromiss und bildet den State of the art der Gegenwartsliteratur ab.
Die große Überraschung, die unkonventionelle Wahl blieb aus: Die Jury zur Verleihung des diesjährigen Deutschen Buchpreises hat eine Shortlist zusammengestellt, die auf renommierte Namen und aktuelle Themen setzt. Zwar hat man bei den sechs Titeln die Geschlechterparität gewahrt, allerdings finden sich unter den Verlagen mit Hanser, Suhrkamp, S. Fischer und Kiepenheuer & Witsch lediglich die Big Player der Branche wieder. Kleinere, zuletzt noch auf der Longlist vertretenen Häuser wie Klett-Cotta, Wallstein oder der Leykam Verlag fielen weg, genauso wie all jene Titel, die sich einer experimentelleren Ästhetik bedienen. Prämiert wurden stattdessen nicht minder virtuose Bücher mit starkem erzählerischen Gestus, Bücher über Charakterentwicklungen und allen voran Bücher, die von Suchenden berichten.
So etwa Norbert Gstreins „Der zweite Jakob“ oder Thomas Kunsts „Zandschower Kliniken“. Während der Protagonist in ersterem, ein Schauspieler im Fieber dunkler Erinnerungen, um den Kern seines Ichs ringt, wagt der Held des zweiten Romans den Aufbruch ins Ungewisse und landet in dem titelgebenden Ort im Norden, der sich als utopisches Erprobungsfeld erweist. Pendelnd zwischen reichlich skurrilem Humor und elegischem Timbre verhandelt der Autor hierin ein visionäres Gegenbild zum DDR-Sozialismus.