
- Vor Kaiserreichen sei gewarnt
Oswald Spenglers einflussreiches Hauptwerk „Der Untergang des Abendlandes“ erschien vor hundert Jahren. Hat es uns heute noch etwas zu sagen?
Es war das meistgelesene Sachbuch der Weimarer Republik: Oswald Spenglers „Der Untergang des Abendlandes“. Erschienen vor hundert Jahren, im letzten Kriegsjahr 1918, ging es schon 1922 in die 47. Auflage. Bis 1938 wurden insgesamt über 200 000 Exemplare verkauft. Kein Werk hat das Denken dieser Zeit mehr geprägt.
Gelesen haben sie es alle: Für Thomas Mann war es ein „Buch voller Schicksalsliebe und Tapferkeit der Erkenntnis“, später diskreditierte er Spengler als „Defätisten“. Der Soziologe Georg Simmel sah in dem Bestseller die „wichtigste Geschichtsphilosophie seit Hegel“. Der Theologe Friedrich Gogarten jubelte, nun sei der Zeitpunkt gekommen, „wo das Vertrauen auf die Entwicklung und die Kultur den Todesstoß bekommt“. Der Schriftsteller André Malraux, Kulturminister unter Charles de Gaulle, würdigte noch 1974 „Spenglers enormen Beitrag zur Geistesgeschichte“. Egon Friedell nannte Spengler den „vielleicht stärksten und farbigsten Denker, der seit Nietzsche auf deutschem Boden erschienen ist“, würdigte die „funkelnde und gefüllte Geistigkeit“ im „Untergang“ und begriff seine eigene Kulturgeschichte doch als Konterpart: mit mehr Metaphysik und weniger Materialismus – so Friedells Lektüreeindrücke.