Das Magazin - Nichts geht über einen guten Schluss

Der Schauspieler Philip Seymour Hoffman verwandelt sich in den Autor Truman Capote

Natürlich kann man diesen Film von Bennett Miller vor allem als Auseinandersetzung um die Rechtmäßigkeit der Todesstrafe sehen, wie eine deutsche Kritikerin mein­te, als der Hauptdarsteller Philip Seymour Hoffman kürzlich mit dem Golden Globe ausgezeichnet wurde. Aber dieser Weg führt nur zu bekannten Diskussionen. Es geht um ein wahres Verbrechen, das in seiner Sinnlosigkeit erschüttert: Ein Freundespaar ermordet eine vierköpfige Familie. Im Gefängnis haben die beiden den Tipp bekommen, bei diesem Farmer sei viel Geld zu holen. In Wahrheit besitzt der Fami­lienvater nicht einmal einen Safe; das Ehepaar und seine beiden Kinder werden trotzdem kaltblütig umgebracht. Einmal gefasst, warten die Mörder jahrelang auf ihre Hinrichtung.

Der Fall ereignete sich in den fünfziger Jahren und ist in die Literaturgeschichte eingegangen. Truman
Capote – nach dem Erfolg seines Romans «Frühstück bei Tiffany» ein Liebling der Gesellschaft – liest von dem Verbrechen am 16. November 1959 in der Zeitung. Sofort bietet er der Zeitschrift «New Yorker» eine Reportage an und reist mit seiner Jugendfreundin, der Schriftstellerin Harper Lee, an den Tatort nach Holcomb, Kansas. Aus diesem Vorhaben wird jedoch bald eine die Grenzen der journalis­tischen Reportage sprengende Recherche, die ins Zentrum des Verbrechens führt, und da­raus wiederum das bedeutendste, vielfach aus­gezeichnete Werk des Autors, «In Cold Blood» («Kaltblütig», 1966).

Im Film geht es darum, wie das Buch entstand – um die Obsession für eine Geschichte, die langsame Verfertigung eines Manuskripts, die anhaltende Faszination, aber auch den Überdruss des Schriftstellers. Philip Seymour Hoffman verwandelt sich eindrucksvoll in den exzentrischen, homosexuellen Truman Capote (der 1984 an einer Überdosis Schlaftabletten starb). Wir lernen den damaligen Literatur-Star auf einer Party kennen: Er ist zu eitel, zu egomanisch, zu übertrieben in seinem Bedürfnis nach Beifall, als dass er sympathisch sein könnte. Später wird er am Tisch einer Freundin des halbwüchsigen Mordopfers sitzen und davon erzählen, dass man ihn immer falsch eingeschätzt habe, weil er so seltsam rede und sich aufführe. Das Mädchen versteht genau, was er meint, und fasst Vertrauen zu ihm.

Ein Schriftsteller auf der Suche nach einer Geschichte: mit seiner grellen Kleidung fällt Capote in der Provinz auf, niemand will ihm Einblick gewähren. Genau und einfühlsam erzählt der Film, wie sich der glamouröse Capote allmählich seiner Umgebung und der Arbeit an seiner Geschichte vollständig unterwirft. Er hört auf den Rat seiner klugen Freundin und zieht einen unauffälligen Anzug an; er kümmert sich nicht um sein Privatleben, er gewinnt das Ver­trauen des Sheriffs, und er lässt sich schließlich auf die beiden Verbrecher ein.

Fünf Jahre lang arbeitet er an diesem Buch, dem schon vor der Veröffentlichung ein glänzender Ruf vorauseilt. Nach einer Lesung aus dem Manuskript vor großem Auditorium sitzt der pointenbesessene Autor inmitten seiner Freunde und erzählt heiter Anekdoten. Da tritt ein Mann hinzu, der noch ganz im Bann der gerade gehörten Lesung steht und dies dem Autor mitteilt. Doch Capote reagiert darauf nur mit einem Witz: eine der eindrucksvollsten Szenen in diesem Film.

Regisseur Miller und Dreh­buchautor Dan Futterman erzäh­len von einem furchtbaren Verbrechen, aber auch von dem furcht­baren Widerstreit des Schrift­stellers: Capote nimmt Anteil am Schicksal der Opfer, er beschäftigt sich geduldig mit der Biogra­fie der Täter, er hilft bei der Vermittlung von Rechtsanwälten für die Wiederaufnahme des Verfahrens. Letztlich ist er jedoch nur an seinem eigenen Erfolg in­ter­essiert, an einem guten, eindrucksvollen Schluss für das Buch – und der kann allein im Vollzug der Todesstrafe liegen.

Hilflos versucht Capote einmal, sich zu entschuldigen: Mehr habe er doch wirklich nicht tun können, um die beiden Mörder vor der Todesstrafe zu retten. Aber seine Freundin kennt ihn besser: «Vielleicht nicht. Aber die Wahrheit, Truman, ist, du wolltest es auch nicht.» 

 

Capote
USA 2005. 114 Min.
Regie: Bennett Miller
Drehbuch: Dan Futterman
Mit Philip Seymour Hoffman, Catherine Keener, Mark Pellegrino u. a.

Truman Capote
Kaltblütig. Wahrheitsgemäßer Bericht über einen mehrfachen Mord und seine Folgen
Aus dem Amerikanischen von Kurt Heinrich Hansen.
rororo, Reinbek 2004. 480 S., 8,90 €

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