Michael Triegel gilt als wichtigster Vertreter der Neuen Leipziger Schule / dpa

Maler Michael Triegel - Das Auge des Bildersturms

Im Naumburger Dom hat der Maler Michael Triegel ein Altarbild von Lucas Cranach dem Älteren vervollständigt. Alle sind glücklich – nur der Denkmalschutz tobt. Der Status des Doms als Unesco-Weltkulturerbe ist in Gefahr.

Ralf Hanselle / Antje Berghäuser

Autoreninfo

Ralf Hanselle ist stellvertretender Chefredakteur von Cicero. Im Verlag zu Klampen erschien von ihm zuletzt das Buch „Homo digitalis. Obdachlose im Cyberspace“.

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Du sollst dir kein Bildnis machen. Schon gar nicht eines, das neu ist. Vielleicht wird das dereinst die Lehre sein, die Michael Triegel aus einem seiner letzten großen Aufträge ziehen wird. Ein Altarbild nämlich hat der 1968 in der DDR geborene Künstler geschaffen. Die Mitteltafel eines dreiflügeligen sogenannten Altarretabels aus dem frühen 16. Jahrhundert. Dieses Andachtsbild aber ist nicht für irgendeinen beliebigen Flügelaltar geschaffen worden. Es vervollständigt den Marienaltar des architekturhistorisch einzigartigen Domes Sankt Peter und Paul im sachsen-anhaltinischen Naumburg.

Niemand Geringeres als Lucas Cranach der Ältere hatte hier 1519 das Original für die frühgotische Kathedrale geschaffen – eine Kirche, die nicht zuletzt wegen ihrer einmaligen Stifterfiguren aus der Werkstatt des bis heute unbekannten Meisters von Naumburg im gesamten Abendland berühmt ist. Doch in dem noch immer steil in den tiefsitzenden Himmel aufragenden Gotteshaus am rechten Ufer der Saale, das seit vier Jahren Unesco-Weltkulturerbe ist, sollte man nicht lange Freude an Cranachs Maria haben. 

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Edit Szegedi | Sa., 17. September 2022 - 15:15

Nach einer kurzen bilderstuermerischen Episode ging das Luthertum zu einer bilderneutralen bis bilderfreundlichen Haltung ueber, auch um sich von der Reformierten zu unterscheiden.

Ingo Frank | Sa., 17. September 2022 - 16:08

Da wir etwa 1 1/2 Autostunden (Bahn = 3/4 Tagesreise) von Naumburg im Thüringschen wohnen, ist ein Dombesuch unvermittelt auf unsere Agenda gekommen.
Ich habe weder i.d. Presse noch im Fernsehen davon erfahren. Danke noch einmal, und Ihnen und Ihren Kollegen d. CICERO ein schönes Wochenende.
Mit freundlichen Grüßen aus der Erfurter Republik

Ernst-Günther Konrad | Sa., 17. September 2022 - 17:10

Ich habe diesen Dom schon vor Ort besucht. Meine Frau und ich waren begeistert. Nur verstehe ich die Aufregung des Denkmalschutzes nicht. Auch ein zeitgenössischer Maler bildet Kultur ab, auch wenn gegenwärtige Kultur mit der lutherischen Zeit vermischt wird. Da wiehert wieder der Bürokratengaul.

Dorothee Sehrt-Irrek | Sa., 17. September 2022 - 17:27

gewallfahrt sein, wenn nicht nach Naumburg, zu Nietzsche und auch seinetwegen zum Dom. Ich hatte immer das Gefühl eines starken religiösen Empfindens bei ihm
Unglaublich imposant, also nur zu verständlich, dass Nietzsche sich dazu stellte und wie ich ihn lese, positiv, bis verzweifelt. Das Lächeln der Uta muss ihn verzaubert haben.
Mir gefiel später dann noch der Dom von Halberstadt.
Wenn ich wo war, gings auch gerne in Kirchen und Museen.
Es kann aber nicht die Moderne im Naumburger Dom sein?
Jedenfalls gibt es dort ein Treppengeländer, das auch von zeitgenössischen Künstlern der DDR geschaffen wurde?
Wenn es schlussendlich die Perspektive auf die Stifterfiguren sein sollte, hätte man sich darum nicht kümmern müssen?
Aber wie war es denn, bevor das Mittelbild zerstört wurde und kann man noch korrigieren, wenn?

Genauso habe ich es auch dem Artikel entnommen Frau Sehrt-Irrek. Somit wäre es ja nicht ein künstlerisches, sondern ein architektonisches Problem. M.E. sollte man sich um die Sichtachsen auch in städtebaulichen Fällen mehr kümmern. Viel zu oft verstellen neue, gesichtslose Gebäude historische Denkmäler und prägende, historische Bauten. D.h. der Blickwinkel ist mitentscheidend!

Gerhard Fiedler | So., 18. September 2022 - 19:04

Wenn man über die Bilderstürmer der damaligen Zeit nachdenkt, so kommt man zum Schluss: Alles wie heute. Auch damals gab es sie, die blinden Fanatiker, Sektierer und Ideologen, die selbst vor der Zerstörung von Altären keinen Halt machten.
Steht dieses Phänomen nicht auch für die Sanktionen und Waffenlieferungen unserer heutigen Regierung, die blind vor Eifer den letzten Rest der Früchte deutscher Ostpolitik zerstört, obwohl Deutschland seine Freiheit gar nicht verteidigen muss, da es von Russland nicht bedroht wird? Hat Deutschland schon vergessen, was es im letzten Weltkrieg nicht nur gegenüber den Juden, sondern auch gegenüber Russland angerichtet hat, das uns dennoch verziehen und die Wiedervereinigung ermöglicht hat? Wollen wir dessen ungeachtet wieder gegen Russland in den Krieg ziehen, von den USA dazu gedrängt, weil uns der Mut zum Nein gegenüber dem eigentlichen Kriegstreiber fehlt?