
- Standpauke mit Nasenstüber
Der Bundespräsident verbittet sich Kritik. Wer die Meinungsfreiheit für eingeschränkt hält, darf auf Frank-Walter Steinmeiers Verständnis nicht hoffen. So unterläuft er sein Amt und reißt neue Gräben auf
Der Bundespräsident ist ein Spezialist für gesellschaftlichen Zusammenhalt. So sieht er sich, so steht es in der Stellenbeschreibung. Frank-Walter Steinmeier rechnet sich zu denen, die „genauer hinschauen“. So formulierte er es in einer Rede am vergangenen Montag. Und als er wieder einmal genauer hinsah, entdeckte er, dass Deutschland „viel von Afrika lernen“ kann. Zum Beispiel das strikte Verbot von Plastiktüten „in einigen Ländern“. Am selben Tag, in einer anderen Rede, schaute Steinmeier genauer auf Deutschland und sah dort viel Schlimmes, namentlich „Scharfmacher“ und „verantwortungslose Kräfte“, die die Meinungsfreiheit fälschlicherweise für eingeschränkt halten. Der Bundespräsident, ließe sich im Licht jüngster Umfragen sagen, sieht sein Volk im Bann gewiefter Demagogen. Die Deutschen sind laut Steinmeier ein Volk, das mehrheitlich irrt. Sie verdrießen ihn, seine gutgläubigen, desorientierten Deutschen.
Die Standpauke aus präsidialem Mund ist eine Erscheinung jüngsten Datums. Scharf hebt sie sich ab von der konventionellen Aufgabe des Staatsoberhaupts, unentwegt zu loben, zu ermuntern, Zuspruch zu spenden. Neuerdings hat das Prinzip „Klare Kante“ den Imperativ von der Allumarmung ersetzt. Steinmeier wagt zu schelten. Er schafft, was man zuvor bezweifelte, „seine Botschaften zuzuspitzen“.