Kurz und Bündig - Ernst Nolte: Die Weimarer Republik

Es hört und hört nicht auf, es nimmt kein Ende. Nimmermüd ringt Ernst Nolte, vor zwan­zig Jahren Protagonist des so genannten Historikerstreits über die Singularität des Holocaust, um «größtmögliche Objektivität» und strebt nach nichts weniger als der «histo­rischen Wahrheit»; in kaum erlahmender Produktivität wie­derholt er sein wissenschaftliches Credo.

Es hört und hört nicht auf, es nimmt kein Ende. Nimmermüd ringt Ernst Nolte, vor zwan­zig Jahren Protagonist des so genannten Historikerstreits über die Singularität des Holocaust, um «größtmögliche Objektivität» und strebt nach nichts weniger als der «histo­rischen Wahrheit»; in kaum erlahmender Produktivität wie­derholt er sein wissenschaftliches Credo. Das aber heißt: Die «radikalfaschistische» Partei um Adolf Hitler sei erst als eine «Gegenbewegung» zur russischen Oktoberrevolution und zu den in deren Namen begangenen Verbrechen «verstehbar». Alles Denken und Handeln Hitlers lasse sich «zen­tral» aus dem «Entsetzen» über den «Klassenmord» ab­leiten, den die Bolschewiki propagierten und verübten. Hitler nahm, so Nolte, «den Bolschewismus ganz ernst» – und Ernst Nolte nimmt den Hitler ernst, der nach einer Ant­wort auf Lenins «Vernichtungswillen gegenüber ganzen Klassen» suchte. Weil die Juden «tatsächlich die stärkste Kraft innerhalb der bolschewis­tischen Revolution» gewesen seien, habe die von Hitler-Deutschland eingeleitete «Gegen-Vernichtung» in Form des «Rassenmords» auf einem eben daraus destillierbaren, das heißt: einen «rationalen Kern» enthaltenden Antisemitismus basiert. Allerdings habe es sich «bei der Anklage gegen ‹die Juden› um eine unheilvolle Konkretisierung» gehandelt. All diese so be­mühten wie penetranten Rekonstruktionen, durch die der fanatische, rassenideologische Antisemitismus Hitlers zu einer Art Fußnote seines An­tibolschewismus schrumpft, können auch im jüngsten Buch Noltes zur Weimarer Republik nachgelesen werden; daraus stammen die zitierten Passagen. Bezogen auf die Jahre 1918 bis 1933 kommt Nolte zu dem wenig originellen Ergebnis, dass die Republik zwischen Kommunismus und Nationalsozialismus zerrieben worden sei. Die tatsächlichen, in einer Reihe neuerer Studien aufgearbeiteten kultur- und sozialgeschichtlichen Entwicklungen der fünfzehn repub­likanischen Jahre interessieren ihn indessen kaum. Alles fokussiert er auf eine kausale Beziehung zwischen dem Schreckensregiment Lenins und Stalins einerseits und ander­er­­seits der vermeintlich allein darauf reagierenden NS-Be­wegung – sowie auf den Nachweis der Gewaltbereitschaft der deutschen Kommunisten, ja, deren laut Nolte real dro­hen­­der Machtübernahme. Nichts Neues also von der Re­vi­sio­nisten-Front? Doch: eine neue Volte in der Welt des um aktuelle Zeitbezüge nie verlegenen «Geschichtsphilosophen» Nolte ist zu vermelden. «Siegt der Jude mit Hilfe seines marxistischen Glaubensbekenntnisses über die Völker dieser Welt», so hatte Hitler in «Mein Kampf» geschrieben, «dann wird seine Krone der Totenkranz der Menschheit sein, und dann wird dieser Planet wie einst vor Jahrmillionen menschenleer durch den Äther ziehen.» Diese Bemerkung mag «nicht zu Unrecht als ‹irrsinnig›» gelten, schreibt Nolte. Doch, so heißt es dann, «offensichtlich ist hier nichts anderes gemeint, als was heute unter ‹Globalisierung› verstanden wird». Und wer’s nicht glaubt, der lese weiter: «Auch in der Gegenwart gibt es ‹Globalisierungsgegner›, und in gewis­ser Beziehung befinden sie sich in der Spur Hitlers.» Was bleibt da noch zu sagen! Die Geschichte lässt sich eben auch für abenteuerlichste Phan­ta­sien benutzen.

 

Ernst Nolte
Die Weimarer Republik. Demo­kratie zwischen Lenin und Hitler
Herbig, München 2006. 429 S., 29,90 €

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