
- Die Rückkehr der Superhelden
Schau mal einer an, der lässt den nordkoreanischen Diktator einfach sitzen. Der Erfolg von US-Präsident Donald Trump ist Ausdruck einer Sehnsucht nach dem „starken Mann“, die man auch hierzulande beobachten kann. Viele Linke reagieren panisch. Aber es gibt eine bessere Antwort
Sie kennen sicher Thor, Spiderman, Ant-Man, Ironman, Hulk, und Captain America? Diese ganze Marvel-Avengers-Truppe? Sie waren bestimmt neulich mal im Kino und haben sich durch das neue Superhelden-Kino geschaut. Wahrscheinlich waren das zwei ganz nette Stunden. Die Welt muss gerettet werden. Und sie wird gerettet. Dem Heroismus der Avengers sei Dank.
Warum frage ich Sie das, werden Sie jetzt fragen. Was soll das?
Gesucht: politische Superhelden
Diese Superhelden-Fiktion hat nicht einfach nur den Disney-Konzern sehr reich gemacht, der diese Filme produziert hat. Dieses neue Superhelden-Kino sagt auch etwas über unsere Gesellschaft aus. Der Journalist Maximilian Probst schrieb bereits im vergangenen Jahr in der Zeit dazu, dass die „postheroische Gesellschaft“ zu Ende gehe und ein neuer Heroismus entstehe. Heroismus heißt aber auf Deutsch einfach Heldentum, und damit tun sich hierzulande viele nicht so leicht. Einige werden vielmehr nahezu hysterisch in ihrem Kampf für die offene Gesellschaft und der Antiautorität, die sie in der jetzigen Gesellschaft weitgehend verwirklicht sehen. Ihr antiautoritäres Verständnis kultureller Freiheit, quasi ihr Post-68-Selbstverständnis, dominiert sie so sehr, dass sie in moralische Panik verfallen, wenn Dinge anders sind als sie wollen.
Da kann es für sie auch nur ein Abfall vom Glauben sein, wenn der „starke Mann“ zurückkehrt. So etwa erstaunte sich gerade Georg Seeßlen in der taz über dieses „massenhafte, toxische, gierige Anwachsen der Sehnsucht nach dem starken Mann“. Er verwies auf eine Studie der Universität Bielefeld, die herausgefunden haben will, dass die Sehnsucht nach einem starken Mann wachse.
Das ist ein ziemlich korrekter Befund. Diese postheroische Gesellschaft – und eine gelassene dazu –, die gibt es nicht mehr, wenn es sie denn je gegeben haben soll. Die Demoskopin Renate Köcher schrieb passend dazu auch vor einiger Zeit in der bekannten Allensbachs-Analyse in der FAZ, dass es eine Sehnsucht nach starker Führung gäbe. Dieser Befund ist relativ gesichert. In gewisser Weise überfordere die Komplexität der Demokratie viele Menschen, und die anstrengende Kompromissfindung schaffe so Sehnsucht nach klarer Kante und Führung. So näherte sich zumindest Renate Köcher dem Phänomen.
Der Soziologe Niklas Luhmann würde es so beschreiben: Es gibt eine neue Sehnsucht nach Komplexitätsreduktion, und Luhmann hatte schließlich einst das „Vertrauen“ als Mechanismus dieser Komplexitätsreduktion beschrieben.
Eine neue Form von Cäsarismus
Übertragen auf heute bedeutet das: Vertrauen gegenüber dem „Anführer“ wird zur Komplexitätsreduktion. Man legt sein Schicksal in seine Hände. Und egal, ob er so clownsmäßig und dilettantisch agiert wie Donald Trump, Hauptsache er zeigt Stärke, Konsequenz und hat eine Idee, wie die „Gemeinschaft“ gestärkt werden könne – auch auf Kosten der Anderen. „America First“ und eine harte Hand, ob im Handelskrieg mit China oder indem er Nordkoreas Diktator Kim Jong Un einfach sitzen lässt – Trump tut dies, um sich Vertrauen zu erwerben. Die Philosophie dahinter beschrieb vor einiger Zeit Thomas Assheuer für die Zeit. Es sei das Recht des Stärkeren, eine rechtskonservative Kampfmoral, die in Freund-und-Feind-Schemata denkt, die den Trumpismus ausmache. Donald Trump will im Grunde eine neue Form von Cäsarismus.
Wie auch immer dieser Cäsarismus zu bewerten ist: Dieser Cäsarismus Trumps ist aus meiner Sicht jedenfalls zugleich als eine Art „wilder Republikanismus“ zu deuten. Trump wird zum Sprachrohr des „Volkswillens“ imaginiert, um die Gemeinschaft zu stärken – eben auch auf Kosten der Anderen. „America First“ heißt dann folgerichtig „fight the others“.
Damit das gelingen kann, so unterstelle ich, muss jede Kritik als unberechtigt und als Versuch der Attacke auf das Volk selbst gelesen werden. Darum sind viele von Trumps Anhängern so frenetisch. Sie müssen jede Reflexion beiseiteschieben. Nur so kann ihr Vertrauen bestehen bleiben. Zugleich ist dieses Vertrauen dann auch eine doppelte Komplexitätsreduktion. In dem sie Trump blind vertrauen, müssen sie sich selbst keine Gedanken mehr machen. So werden sie erlöst von der intellektuellen Herausforderung der Demokratie.
Bist du auf meiner Seite oder nicht?
Diese Komplexitätsreduktion macht aber etwas mit der Demokratie und mit dem Diskurs.
Es geht in dieser Komplexitätsreduktion darum, den Diskurs auf vermeintlich einfache Formeln zu verkleinern: Bist du auf meiner Seite oder nicht? Like or Dislike. So entsteht eine politische Konstellation, in der Abwägung, empirische Orientierung und „Wahrheit“ kaum mehr etwas zählen, sondern es eher darum geht, seine Seite zu wählen. Bei großen Teilen der „Linken“ und der „Liberalen“ ist das übrigens nicht anders. Diese Entwicklung illustriert eine Umfrage unter amerikanischen Studenten nahezu perfekt. Nach einer Umfrage des Gallup Instituts und der Knight Foundation sind Vielfalt und Inklusion 53 Prozent der amerikanischen Studenten wichtiger als Meinungsfreiheit. Die FAZ schreibt dazu: „Statt um den Austausch von Argumenten geht es um Gruppenzugehörigkeit und die bessere Moral.“
Die Umfrage zeigt par excellence, dass die neue „Identitätspolitik“ zunehmend über Gruppenzugehörigkeit funktioniert. Sie hat dazu geführt, dass sich immer mehr Menschen Gruppen zuordnen. Identitätspolitik meint zwar Politik auf sich – also vor allem die eigene Identität – zu beziehen. Aber wenn diese Identitätspolitik konkret politisch wird, dann wird eben auch gefragt: Wer ist noch wie ich? Und wer eben nicht?
Eine politische Kultur des Miteinanders
Dieser Partikularismus ist eine wesentliche Ursache der demokratischen Krisen, die wir in fast allen westlichen Staaten gerade erleben. Auf diese Art des Diskurses gilt es nun zu antworten. Die Antwort liegt in meinen Augen in einem republikanischen Universalismus.
Diesen Universalismus macht es aus, inklusiv zu sein. Universalismus ist gelebte Solidarität. Er ist mitnichten eine Chiffre für Diskriminierung und Ausgrenzung von Minderheiten, wie es – linke und liberale – Verteidiger der partikularistischen Identitätspolitik zum Teil behaupten. Wer universalistisch denkt, bevorzugt niemanden und benachteiligt niemanden. Das egalitäre Element des Universalismus ist unverrückbar. Universalismus hat immer etwas Kollektives, Versammelndes, Vereinendes. Universalismus ist keine Ausgrenzungsvokabel von „alten weißen Männern“. Universalismus ist keine Bemäntelung von faktischer Ungerechtigkeit und Benachteiligung.
Dieser republikanische Universalismus bringt zurück, was heute mehr denn je fehlt: Eine politische Kultur des Miteinanders. Politik bedeutet nämlich auch, so sagt es uns das republikanische Ideal, im Sinne des Gemeinwohls zu streiten und zu handeln. Der Bürger dient einer größeren Sache. Diese größere Sache müssen wir wieder in den Blick bekommen. Die Hegemonie eines radikalen Individualismus, die wir nun seit den achtziger Jahren erleben, muss enden. Genau so wenig sollte man es zulassen, dass die Gesellschaft in Blöcke des „Wir“ und „Die“ zerfällt.
Jeder muss sich so auch selbst fragen, was er tun kann, damit unsere Demokratien von innen heraus wieder stärker werden. Auf einen politischen Superhelden zu warten, damit er einen retten möge, ist jedenfalls aus der Zeit gefallen.