
- Ich-Bürger
Säkulare Religiosität überschwemmt als Kollektivismus-Programm die Demokratie und droht sie zu ertränken. Es braucht daher endlich die Wiederentdeckung des „Ichs“ der Aufklärung, das wachsam ist, nicht „woke“.
Ist’s wahr? Ist’s bloß geträumt? Ingeborg Bachmann und Max Frisch – halbseitig auf der Front der Zeit vom 10. November 2022. Nicht Klimakleber*innen, nicht Genderist*innen, nicht Nonbinäre – überhaupt niemand und nichts aus dieser unserer Zeit. Was ist da in die Redaktion des Blattes gefahren, das Woche für Woche den Puls des korrekten Zeitgeists misst? Max Frisch, Macho einer vergangenen Literaturszene, neben Ingeborg Bachmann, seiner Geliebten aus kompliziert-glücklichen Tagen irgendwann im längst entschwundenen 20. Jahrhundert! Von weit her leuchtet eine abgelegte Zeit ins aufgeregte Jetzt hinüber. Bürgerliche Zeit.
Damals, als Max Frisch ein Wortführer kritischen Denkens war, sei es für den Schweizer Bundesrat Kurt Furgler oder für Bundeskanzler Helmut Schmidt, nannte man Gegendenker zum gouvernementalen Gang der Dinge „Nonkonformisten“ – ein Begriff, der noch bürgerliches Selbstverständnis einschloss. Im Städtchen Neuenstadt am Bielersee hielt die Schweizer intellektuelle Elite sogar jährliche Nonkonformisten-Treffen ab – samt bürgerlich-geselligen Ausflügen auf Rousseaus Sankt Peterinsel.