Umgang mit der AfD - Angebot an die Anständigen

Es sieht aus, als wollte die CDU das Feuer der AfD mit Benzin löschen. Die bisherige Rhetorik stärkt nur die Rechtsextremen, statt sie einzudämmen. Es braucht dringend eine neue Strategie gegen die AfD.

In Orten wie Raguhn-Jeßnitz wird man nicht dauerhaft den AfD-Bürgermeister ignorieren können / dpa
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York Herder ist ausgebildeter Journalist und hospitiert derzeit bei Cicero.

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Die AfD wird nicht aus der Politik verschwinden, und die „Brandmauer“ wird die Erfolgsserie der AfD nicht stoppen, denn mit dem Begriff „Brandmauer“ suggeriert die CDU den Wählern fehlenden Willen zur Auseinandersetzung mit der AfD. Die ganze Auseinandersetzung um die Äußerungen von Friedrich Merz im Sommerinterview gehen aber am Kern vorbei: Die  CDU muss den Rechtsextremismus bekämpfen und nicht eine Partei und ihre Wähler. Das stärkt nur die AfD immer weiter.

Laut Parteitagsbeschluss kann es für die CDU keine Zusammenarbeit mit der AfD geben, weder im Bund, noch im Land, noch in den Kommunen. Das ist richtig. Zugleich stimmt aber auch, was Friedrich Merz im ZDF-Sommerinterview gesagt hat. „Wenn ein Landrat, ein Bürgermeister gewählt wird, der der AfD angehört, ist es selbstverständlich, dass man dann nach Wegen sucht, wie man dann in dieser Stadt weiter gemeinsam arbeiten kann.“ Die Aussage schlug hohe Wellen – vor allem in der CDU. Doch falsch ist sie nur, wenn man sie eben an der Partei festmacht. Die CDU sollte sich da nicht beirren und vom politischen Gegner in die Falle locken lassen.

Aus Sicht vieler Kommentatoren rüttelte Merz mit der Aussage an der vielbeschworenen „Brandmauer“, die die CDU zur AfD gezogen hat und angesichts der Umfragewerte mühsam aufrechterhält. Doch Merz hat mit seiner Aussage auf ein Problem aufmerksam gemacht, das nur schwer zu lösen ist und das auch alle anderen Parteien haben. Wenn es bei den Wahlen so weiter geht und die AfD mehr Posten erhält, ist ein Totalboykott der gewählten Personen nicht mehr möglich.

Kooperation ist nicht mit einem Gutheißen von Rechtsradikalismus gleichzusetzen

Ein Bürgermeister wird in Deutschland für bis zu acht Jahre gewählt. Wie sollen Mitglieder des Gemeinderats in Raguhn-Jeßnitz, wo vor gut drei Wochen der AfDler Hannes Loth das Rathaus gewann, in diesem Zeitraum jeglicher Kooperation mit dem Bürgermeister eine Absage erteilen, ohne ihre Heimat dem vollkommenen Verfall preiszugeben? Die Isolation der Person wäre ein Bärendienst an der Demokratie. Aber diese notgedrungene Kooperation ist nicht mit einem Gutheißen von Rechtspopulismus und Rechtsradikalismus gleichzusetzen. Das darf nicht vergessen werden.

Geht man nach dem gesunden Menschenverstand, hatte Merz also Recht, wenn er sagte, dass man Wege finden müsse, „wie man dann in dieser Stadt weiter gemeinsam arbeiten kann“. Doch hätte Merz diese Aussage wohl unmissverständlicher formulieren müssen. Das Interview und die fehlende Einordnung, dass es gar keine andere Möglichkeit gibt, waren falsch gewählt, die Abstimmung in der CDU fehlte. Das zeigen die Reaktionen aus der eigenen Partei, wo man wohl einen Verlust von Wählerstimmen aus der Mitte fürchtet. Die CDU befindet sich in der aktuellen Situation in einer Sackgasse, denn Kooperationen mit der von Rechtsextremen dominierten AfD verbieten sich für Demokraten, doch die Ergebnisse der Wahlen diktieren mancherorts mittlerweile eine Zusammenarbeit. Das könnte in Zukunft noch häufiger vorkommen. 

 

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Dabei wird die CDU von zwei Seiten getrieben. Allen voran die Grünen rufen die CDU zur scharfen Abgrenzung gegenüber der AfD auf und vermuten hinter jeder Aussage das Einreißen der „Brandmauer“. Zugleich erntet die CDU Kritik aus rechten und konservativeren Kreisen, wenn sie – wie in Thüringen – eine Regierung der Linken toleriert, nur um die AfD zu verhindern. Ein Umstand, der sich auch der eigenen Anhängerschaft nur schwer vermitteln lässt. Würde die CDU eine Koalition aus vier Parteien eingehen, um nicht mit der AfD kooperieren zu müssen, würde das der AfD noch mehr Aufwind geben. Dem Kampf gegen den Rechtsextremismus würde es dann noch mehr an Kraft fehlen.

Kann die AfD sich selbst reinigen?

Das Problem der AfD ist ihr unbestreitbarer rechtsextremer Einschlag. Akteure wie Björn Höcke und Tino Chrupalla machen es unmöglich, an eine richtige Zusammenarbeit mit der AfD auch nur zu denken. Viele Anhänger der AfD wollen das nicht verstehen oder ignorieren diese verfassungsfeindliche Schlagseite. Vielmehr wird versucht, sich mit Verweisen auf rechtspopulistische Parteien im europäischen Ausland und gemäßigte Mitglieder der AfD einen Deckmantel des Normalen zu geben. Es werden sich auch Einzelne in der AfD finden, die für eine pragmatische bürgernahe Politik stehen. Doch sind diese keinesfalls richtungsweisend oder gar tonangebend in der AfD.

Ein Beispiel dafür gab es Anfang März 2023, als im südbadischen Lörrach Mietern von Sozialwohnungen gekündigt wurde, um dort Asylbewerber unterzubringen. Während der Mann, der für die AfD im Lörracher Gemeinderat sitzt, dafür stimmte, schrie die Bundes-AfD Zeter und Mordio. Hier muss die CDU in der Debatte gezielt klarmachen: Die AfD ist keine normale Partei, sie hat eine klare rechtsradikale Agenda. Zugleich muss die CDU und allen voran Friedrich Merz eine Ansprache finden für jene AfD-Anhänger, die eigentlich eine demokratische und verfassungstreue Politik wollen. Er sollte den Wählern und den bürgerlichen Kräften ein verlockendes Angebot machen und ihnen den Weg zurück in eine anständige Politik ebnen.

Die Ansage an die AfD und ihre Wähler muss bei jeder Gelegenheit sein: „Schmeißt die Rechtsextremen aus eurer Partei und beschließt ein Programm, das an eurem Bekenntnis zu den Werten des Grundgesetzes keine Zweifel mehr lässt, dann werden wir mit euch reden können.“ Denn gegen die Beteiligung einer rechten Partei in der Politik kann kein Demokrat etwas vorbringen. Bleibt die Frage, ob die AfD genug Demokraten in ihren Reihen hat, um das zu schaffen. Kann sie sich selbst vom Rechtsextremismus reinigen? Dann hat sie die Teilnahme an der Politik verdient. Bleibt die AfD rechtsextrem, gehört sie weiterhin an den Katzentisch der parlamentarischen Demokratie verbannt.

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