Rudolf Scharping
Rudolf Scharping / J. Marguier

Rudolf Scharping im Gespräch mit Alexander Marguier - Cicero Podcast Politik: „Niemand wartet auf deutsche Belehrungen“

Der frühere SPD-Vorsitzende Rudolf Scharping warnt im Gespräch mit Alexander Marguier vor einer ineffizienten Klimapolitik und schädlichen Auswirkungen auf die deutsche Wettbewerbsfähigkeit. Wer seine Agenda mit der Brechstange durchsetzen wolle, spalte die Gesellschaft.

Alexander Marguier

Autoreninfo

Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

So erreichen Sie Alexander Marguier:

Rudolf Scharping war Ministerpräsident, Verteidigungsminister, SPD-Vorsitzender – und 1994 auch Kanzlerkandidat seiner Partei. Zu aktuellen Themen meldet er sich nur noch selten zu Wort, im Podcast Politik mit Cicero-Chefredakteur Alexander Marguier macht er allerdings eine Ausnahme: Scharping nimmt ausführlich Stellung insbesondere zur Klimapolitik, zum Ukrainekrieg und zum deutsch-chinesischen Verhältnis. Mit China kennt sich der frühere Spitzenpolitiker übrigens besonders gut aus, weil er das Land in seiner Funktion als Strategieberater häufig und regelmäßig bereist. Erst im April war er etwa zu Gast bei der großen Automobilherstellung in Shanghai und brachte von dort die Erkenntnis mit, dass auch in diesem Segment die deutsche Industrie den Anschluss verlieren könnte, wenn sie nicht konsequent auf Innovation, Forschung und Entwicklung setzt.

Rudolf Scharping und Alexander Marguier
Rudolf Scharping (li.) und Alexander Marguier in der Cicero-Redaktion

Ohne sie namentlich zu erwähnen, kritisiert Scharping den politischen Ansatz der deutschen Bundesaußenministerin: „Meine Erfahrung ist, mit einem erhobenen Zeigefinger überzeugen Sie niemanden.“ Das gelte für China genauso wie für alle anderen Weltregionen: „Ich treffe niemanden, der auf irgendeine deutsche Belehrung, irgendeine deutsche Vorschrift oder irgendetwas wartet, was wir hier alles für wichtig und richtig halten, was aber in deren Verhältnissen eine völlig andere Bedeutung hat.“

China nicht überbewerten

Gleichzeitig warnt Scharping davor, China überzubewerten: Das Land erscheine sehr stark, habe aber auch erhebliche Schwächen. Und die lägen nicht nur in den Defiziten bei Demokratie und Rechtsstaatlichkeit oder in einem autoritären Regierungssystem. Sondern auch in den sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen, insbesondere vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung: „China wird schneller alt sein als Deutschland.“

Im geostrategischen Großkonflikt zwischen den Vereinigten Staaten und China plädiert Scharping für eine eigenständige europäische Position. Diese könne allerdings nur unter der Voraussetzung artikuliert und vertreten werden, dass die EU jene Flexibilität aufbringt, um „in sich selbst Fortschritt zu ermöglichen – auch dann, wenn nicht alle sofort mitgehen wollen“. Vor allem müssten Deutschland und die anderen EU-Staaten höllisch aufpassen, um im globalen Wettbewerb konkurrenzfähig zu bleiben.

 

Das Gespräch wurde am 29. Juni 2023 aufgezeichnet. 

Sie können den Podcast jetzt hier – klicken Sie dazu „Inhalte aktivieren“ – hören, oder auch auf allen Podcast-Portalen.

Sie sind interessiert an weiteren Themen und noch kein Abonnent von Cicero Plus? Testen Sie uns, gratis für 30 Tage.

 

 

Mehr Podcast-Episoden:

 

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.

Peter Sommerhalder | Fr., 14. Juli 2023 - 23:26

hat Deutschland eigentlich das Gefühl die Wahrheit gepachtet zu haben? DIE Wahrheit gibt es doch gar nicht, es gibt nur Interessen.

Deutschland meint, dass mit „Moral“ die Interessen der verschiedenen Ländern zu beeinflussen sind.

Nein, so einfach ist es natürlich nicht, das Ziel müssen Kompromisse sein. Mehr liegt nicht drin. Vermutlich sind die besten Kompromisse diejenigen bei denen beide Parteien genau gleich unzufrieden sind...

Ronald Lehmann | Fr., 14. Juli 2023 - 23:32

was hier in Deutschland seit 20 Jahren abgeht

eine einmalige Spaltung der Gesellschaft, wo die großen sozialen Erungenschaften für Nichts & wieder Nichts, für einen Sekten-Wahn geopfert werden

& wo der Motor samt Getriebe, unser d. Energiewesen mit KLAR KALKULIERTEN VERSTAND VON SABOTEUREN auf Exitus gefahren wird.

Erinnert mich an die letzten Monate des 2. Weltkrieges, wo Hitler & seine Handlanger die d. Brücken sprengten, um erfolgreich zu sein

JA, Sieg heil oder Alternativlos gab es schon öfters in der Geschichte, wo dann die Kleinen den Mist der Großen mit viel Leid, Aufwand & Tränen dies beseitigen mussten 😥

Wie immer ein toller Kommentar. Ich schrieb ja schon einmal, die Lehmänner und Frauen im Forum sind unverzichtbar. Wusste gar nicht mehr, das Scharping noch lebt. Freue mich für ihn. Er wirkte immer sympathisch und ehrlich. Halt auch noch eine andere Politiker Generation. Ob er überhaupt ob der Geschwindigkeit der Ampel Politik noch alles so schnell erfassen kann, wo doch das Slow Motion Sprechen sein Markenzeichen ist. Aber Spaß bei Seite. Ich denke auch, dass er "seine" SPD nicht mehr wiedererkennt. Nur, dann sollte er austreten. Jedenfalls sagt er im Interview nichts, was wir hier nicht schon alle geschrieben und Autoren beleuchtet haben.

Gerhard Lenz | Sa., 15. Juli 2023 - 00:12

eigentlich unbedingt ihr politisches Erbe beschädigen, indem sie versuchen, da anzuknüpfen, wo sie vor 20 Jahren oder mehr gescheitert sind?

Ein anderes klassisches Beispiel ist Oskar Lafontaine - der sich aufführt, als müsse er noch immer den Widerstand gegen den Vietnam-Krieg organisieren.

Und Schröder betreibt Völkerverständigung mit einem Kriegsverbrecher im Kreml.

Scharping, Schröder und Lafontaine, das waren mal "Stars" in der SPD. Heute Irrlichtern zwei von ihnen durch die Gegend, der Dritte spielt noch immer den Oberlehrer und erzählt den Deutschen - siehe Beitrag - was sie wirklich brauchen.

Der eine warnt vor Klimapolitik, der andere dient sich dem russischen Aggressor an, der dritte will, dass "der Ami (Originalton Lafontaine) nach Hause geht.

Was für triste Schlußpunkte unter Karrieren, die alle lange vorbei sind. Von Leuten, deren Meinung eigentlich niemanden mehr interessiert.

Machen wir uns nichts vor, Herr Lenz: Würde Scharping heute noch die Positionen vertreten, die er Ende der 90er Jahre als ein Verteidigungsminister vertrat, der - wertebasiert - die deutsche Beteiligung am Kosovo-Krieg rechtfertigte, hätte er wohl kaum eine Einladung vom Cicero erhalten.
Und ja, es ist durchaus interessant, dass nicht wenige SPD-Spitzenpolitiker nach dem Ende ihrer politischen Karriere eine mehr oder minder stark ausgeprägte Neigung für das Renegatendasein entwickeln. Das gilt für Scharping nicht so stark wie für Lafontaine oder Schröder, aber in gewisser Weise findet die ehemalige "Troika" im Alter wieder ein wenig zusammen - vereint in bräsiger Abneigung gegen Klimaschutz und der Frage, wie sich Deutschland gegenüber autoritären Diktaturen positionieren soll.

um Belgrad bombardieren zu können, ließ der Verteidigungsminister sich Anzüge mit Zweithose vpn irgendeinem PR-Fuzzi schenken. Der Film "Es begann mit einer Lüge", würde heute nicht mehr gesendet werden.

Schröder musste ihn entlassen, nicht wegen erwiesener Unfähigkeit, sondern wg. Vorteilsannahme. Und er schwafelt immer noch, über chinesische Autos etc. pp. Anscheinend verfügt er über genügend Geld oder Gönner, um ständig nach China reisen zu können. Wer will ihn dort sprechen?

Die SPD ist nach der Troika und 16 Jahren Merkel nur noch die Spielwiese einer armseligen Führung. Politik wird in der Tat von den Grünen gemacht, dümmer geht's nimmer.

so lange muss es eben auch mahnende Stimmen geben, vor allem (was auch gut so ist) von Prominenten Stimmen

In meiner Wahrnehmung viel zu viel wenige Stimmen, die sich gegen die Doktrin Staatsmacht auslassen

Anderer seits haben dies Orwell-Handlanger ganz genau geplant

DIE ÄCHTUNG, DER GELDLICHE VERLUST & DIE DIFFAMIERUNG VON LAKAIEN IM STAATSDIENST ALS ABSCHRÄCKUNGSWAFFE

Sarrazin hätte z.B. nie das Buch 15 Jahre eher geschrieben

Maria Fischer | Sa., 15. Juli 2023 - 12:19

Wo ist sie geblieben?
Danke, Herr Scharping!
Gebildet, analytisch, rational, pragmatisch, berechenbar, emphatisch ohne Phrasen und sinnleere Moralität.
Galaxien entfernt von der derzeitigen Berliner SPD-Repräsentanz