Regierung ohne Grüne - Friedrich Merz als Retter des Kanzlers

Mutwillige Zerstörung von Volkswirtschaft, internationalen Beziehungen und gesellschaftlichem Frieden: SPD und FDP halten an einer Regierung fest, die dem Land massiv schadet. Wann lösen sie sich endlich von den Grünen?

Ausweg aus der Ampelkrise: Kanzler Scholz könnte eine rot-gelbe Minderheitsregierung führen – unter Duldung der Union / dpa
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Autoreninfo

Jens Peter Paul war Zeitungsredakteur, Politischer Korrespondent für den Hessischen Rundfunk in Bonn und Berlin, und ist seit 2004 TV-Produzent in Berlin. Er promovierte zur Entstehungsgeschichte des Euro: Bilanz einer gescheiterten Kommunikation.

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Seit einigen Tagen häufen sich Spekulationen über ein vorzeitiges Ende der Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP, und dies keineswegs nur in der Ampel kritisch gesonnenen Medien. Tatsächlich ist die Lage des ersten Kabinetts Scholz bereits 18 Monate nach Amtsantritt derart desaströs, dass sich mit einer Wette auf ein Scheitern der Ampel noch vor 2025 nicht mehr viel verdienen ließe – die Wahrscheinlichkeit gilt mittlerweile als zu hoch für eine gute Quote. Der Grund liegt auf der Hand: Robert Habeck (Wirtschaft), Annalena Baerbock (Außen) und mehr denn je auch Lisa Paus (Frauen) ziehen mit ihrem radikalisierten Kurs auch ihre Partner immer tiefer nach unten.

SPD und FDP werden für die mutwillige Zerstörung von Volkswirtschaft, internationalen Beziehungen und gesellschaftlichem Frieden selbstverständlich in Mithaftung genommen. Die Bevölkerung würdigt nicht angebliche mäßigende Einflüsse der anderen beiden Parteien, so die Hoffnung insbesondere von Christian Lindner, sondern erkennt selbstverständlich, dass ohne die Stimmen der Minister und Abgeordneten von SPD und FDP im Kabinett und im Bundestag der Amoklauf der Grünen, die täglichen Anschläge auf Wirtschaft und Wohlstand schlagartig zu Ende wären.

FDP leidet am meisten

Ein Ende, das sich immer größere Teile des Souveräns wünschen, und zwar lieber heute als morgen. Die Deutschen mögen zwar gutmütig sein und auch ein wenig naiv, aber so blöd, dass sie sich dauerhaft ins Verderben regieren lassen würden, sind sie nicht. Die Frage ist nur die nach der Alternative. Der Alternative für den Wähler, aktuell aber mehr noch der Alternative für das Führungspersonal von SPD und FDP.

Es ist paradox, aber ausgerechnet die FDP, die – mittlerweile anhand von fünf niederschmetternden Landtagswahlergebnissen empirisch belegt, der sechste Beweis dürfte an diesem Sonntag in Bremen folgen – am meisten unter der Regierungsunfähigkeit der Grünen leidet, ausgerechnet die FDP also hat auch am meisten zu verlieren, sollten die Grünen aus der Koalition fliegen oder beleidigt von alleine austreten, wie es einige Kreisverbände im Westen bereits per Sonderparteitag fordern wollen, weil der Kanzler nicht mehr nach ihrer Pfeife tanzt.

Erneute Große Koalition?

Lindner bleibt aus seiner Sicht bis auf weiteres gar nichts anderes übrig, als verschiedene Daumenschrauben anzuziehen, unter anderem durch Verweigerung immer neuer milliardenschwerer Subventionen und Sozialleistungen, um die Grünen auszubremsen, wenn sie immer neue Vermögensvernichtung mit Steuergeld „sozial abfedern“ wollen, gleichzeitig aber stets darauf zu achten, es dabei nicht zu übertreiben, um nicht als Systemsprenger zu enden. Nach allem, was man heute wissen kann, wäre sein Abschied als Bundesfinanzminister auch sein Ende als Parteivorsitzender und als Bundestagsabgeordneter, als Politiker.

In einer erneuten Großen Koalition – sollte Scholz Tabula rasa machen und einmal sehr ausführlich mit Friedrich Merz und Markus Söder zu Abend essen, seinen ganzen nicht vorhandenen Charme mobilisierend, um seine Partei nicht dauerhaft unterhalb von 20 Prozent festzutackern, womit er seinen Plan einer zweiten Amtszeit abhaken könnte – würde die FDP nämlich schlicht nicht gebraucht. SPD, CDU und CSU verfügen im Parlament zusammen über 403 von insgesamt 736 Sitzen, 34 mehr als für eine absolute Mehrheit (Kanzlermehrheit) von 369 Stimmen erforderlich. Als fünftes Rad am Wagen bräuchte sich die FDP in dieser Konstellation gar nicht mehr anbieten.

Historische Schwäche bei Landtagswahlen 

Die derzeitige Regierungsbeteiligung ist die einzige verbliebene Bühne der Freidemokraten, um für ihr Verständnis von Liberalismus zu werben, und zwar wenigstens so erfolgreich, dass sie nicht am Ende der Legislatur zum zweiten Mal aus dem Bundestag fliegen, was ihnen angesichts ihrer mittlerweile historisch einmaligen Schwäche in den Ländern und Kommunen endgültig das Lebenslicht ausblasen könnte. Und in Bayern und Hessen (8. Oktober) sowie in Sachsen, Thüringen und Brandenburg (2024) wird es kaum besser werden. Ursache: Wofür die FDP eigentlich steht, welcher Politik sie zur Mehrheit verhelfen will, ist vielen Menschen rätselhafter denn je.

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Entschuldigend ließe sich einwenden: Scholz und Lindner teilen insofern ein gemeinsames Schicksal, als sie sich beide 2021 in den Koalitionsverhandlungen haben täuschen lassen, was den Regierungsalltag mit Grünen betrifft. Unausgesprochen unterstellten sie dem grünen Führungsquartett jenes Minimum an Fairness und Kompromissbereitschaft, das jenseits eines wie auch immer formulierten Koalitionsvertrages für eine halbwegs gedeihliche Zusammenarbeit unverzichtbar ist.

Grüne setze auf kompromisslose Moralisierung

Scholz und Lindner glaubten, die Grünen hätten in 16 Oppositionsjahren ein für allemal gelernt, dass es sich nicht auszahlt, immer nur sein eigenes Ding durchsetzen zu wollen und die Interessen der anderen, der Bevölkerung und der Wirtschaft insgesamt nicht einmal wenigstens mitzudenken.

Die durchgreifende Moralisierung aller gesellschaftlich-politischen Bereiche, die die Grünen von heute prägt, lässt ein solches Bewusstsein des Gebens und Nehmens, der Rücksichtnahme und der Orientierung am im Planungszeitraum Machbaren, Vernünftigen und Zumutbaren aber nicht zu, sondern verbietet es regelrecht als vermeintlichen Verrat am großen, alles überragenden Ziel des Überlebens der Erde, wobei weniger die Menschheit gemeint ist als die Natur, gerne auch ganz nach der totalitären Ideologie einer Greta Thunberg ohne Menschen.

Fehlende Liebe zu den Menschen

Dieser Regierung fehlt jede Liebe zu den Menschen, egal, auf welches Politikfeld man schaut, und das spricht sich nun herum und es beginnt sich zu rächen. Wer den Grünen die gesellschaftliche Hegemonie einräumt, wie es im Verlauf der Ära Merkel immer stärker der Fall wurde mit einem ersten Höhepunkt 2011 und einem zweiten 2015, ist auf Dauer als Liberaler erledigt und, wie nun auch die SPD zu begreifen beginnt, auch, vielleicht sogar erst recht als Sozialdemokrat.

Niemand im Regierungsviertel mag es zugeben, aber Franziska Giffeys heute schon historischer Rückzug aus dem Roten Rathaus trotz anderer Optionen, weil es mit den Grünen schlicht nicht mehr ging und sie jetzt schon an die Chancen der Berliner SPD 2025 denkt, hat seine Wirkung auf die Bundespartei nicht verfehlt. Die hasserfüllten Kommentare der schlechten Verlierer geben ihr nachträglich sogar auf emotionaler Ebene recht.

Innenministerin Faeser ist Fehlbesetzung

Nicht nur Umfragen, die die AfD in Ostdeutschland als stärkste Kraft sehen, verunsichern die SPD. Ebenso muss jeden SPD-Kanzler umtreiben, wenn seine Partei sogar in Nordrhein-Westfalen dauerhaft unter 20 Prozent abzurutschen droht. Ohne NRW kein SPD-Kanzler – das weiß auch Scholz.

Im eigenen Laden sieht es aber nicht besser aus. Dass eine rollende, wild über das Deck in die eigenen Reihen ballernde Kanone wie Bundesinnenministerin Nancy Faeser im Herbst in Hessen irgendetwas wird reißen können, glaubt sie wahrscheinlich nicht einmal mehr selbst.

Wer sich von ZDF-Hasswichtel Jan Böhmermann mit Fake News Personalentscheidungen diktieren lässt, wie es im Falle des Arne Schönbohm vor einem halben Jahr geschah, ehemals Präsident des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), hat die Kontrolle über sein Regierungsamt verloren, sofern er sie jemals besaß. Faeser hätte niemals in diese Amt gelangen dürfen, Frauenquote hin oder her. Wenigstens insofern passt sie ins Bild dieser Regierung.

Friedrich Merz wird zögern

Was bleibt, ist die Hoffnung von SPD und FDP, die Grünen würden den Ernst der Lage, auch ihrer Lage erfassen und Vernunft annehmen. Ein fast schon humoristisch klingender Satz, aber tatsächlich die einzige Option von Olaf Scholz und Christian Lindner, wenn ihr großartiges Fortschrittsprojekt nicht bereits nach zwei Jahren spektakulär scheitern soll.

Möglicherweise bleibt mindestens dem Bundeskanzler schon deshalb gar nichts anderes übrig, als Friedrich Merz sicherlich zögern wird, mit seiner Truppe als Reserve zur Stelle zu sein, sollte die Ampel einen Blackout erleiden und dem Kanzler die Regierungsmehrheit abhanden kommen, warum und auf welchem Wege auch immer.

Grüne zurückstutzen

Wer Habeck am Freitag im Bundesrat erlebt hat, wie er mit seinen Heizungsplänen auch mit Hilfe ergrünter Landesregierungen zur Minna gemacht wurde, erkennt, wie der Hase neuerdings läuft: Die Grünen sollen auf Normalmaß zurückgestutzt werden, weil es anders, so die Konkurrenz, leider nicht mehr gehe. Parteiübergreifender Arbeitsauftrag: Klappe halten und selbstkritisch in sich gehen.

Ähnliches hatte sich zuvor im Kanzleramt auf dem Feld der mehr denn je idiotischen und deshalb dringend korrekturbedürftigen Asyl- und Einwanderungspraxis abgespielt. Den Grünen blieb tags drauf nur die Rolle des fassungslosen Zuschauers. In der Fraktion machten sich angesichts der Beschlüsse von Bund und Ländern („gesteuerter Zugang, beschleunigte Verfahren, verbesserte Rückführung“) Fassungslosigkeit und Wut breit. Wie das so ist, wenn Ideologie an der Wirklichkeit der Städte und Gemeinden und mehr denn je auch des Bundeshaushalts mit seinen Rekordschulden zerschellt.

CDU/CSU könnten Minderheitsregierung tolerieren

Friedrich Merz wird im Fall des Falles allerdings verschärft kalkulieren, ob er selbst seine Kanzlerchancen 2025 erhöht oder eher verringert, wenn er Scholz als Juniorpartner einstweilen unter Verzicht auf die Grünen im Amt hält. Es wäre unter dem Aspekt des politischen Anstands sogar die Pflicht von CDU und CSU, Scholz einen Rettungsring zuzuwerfen, bevor die Koalition das Land endgültig absaufen lässt, stammen die Voraussetzungen für die Entwicklung doch von niemand anderem als Bundeskanzlerin Angela Merkel, wenigstens in ihren Zeiten als Parteivorsitzende bekannt für eine gewisse Nähe zur Union.

Für die in diesem Dilemma wahrscheinlich schlaueste, vielleicht sogar klügste Lösung, eine SPD-FDP–Minderheitsregierung bei Tolerierung durch die Union, die Minister der Grünen ersetzt durch parteilose Experten auf Vorschlag der Union, ist das Land anscheinend immer noch nicht reif. Immerhin wäre das ein Konzept, für das sich auch die FDP erwärmen könnte, wenn die Alternative ihre Bedeutungslosigkeit wäre.

Als Kanzlerkandidat profilieren

Und Merz hätte jenes Mindestmaß an Beinfreiheit, das er zur Profilierung als Kanzlerkandidat braucht. Vernünftige Gesetze, einen vernünftigen Haushalt würden CDU und CSU unterstützen, Blödsinn und Harakiri würden sie ablehnen, erst recht ein „Selbstbestimmungsgesetz“, das uns angesichts von vermeintlichen „Frauen“ zu offensichtlichen Lügen verpflichten will, weil andernfalls ein Bußgeld bis zu 10.000 Euro droht. Ganz nebenbei machte das immer wieder neue Ringen um Zustimmung den Bundestag auch wieder attraktiv.  

So weit ist es allerdings noch nicht. Einstweilen werden es die Protagonisten mit einem Weiter so in ihren (mühsam genug) seit Nikolaus 2021 eingeübten Rollen probieren: Scholz als Regierungschef, Lindner als Bremser und Mahner, Merz als Oppositionsführer. Aber die Lage ist volatil.

Zeitenwende, zweiter Versuch

Sollten Wirtschafts- und Finanzzahlen weiter nachgeben, sollte Deutschland gar in eine Rezession rutschen, die alle Welt – gerade auch im europäischen Vergleich – als selbstverschuldet erkennen würde, könnte eine Situation entstehen, in der von heute auf morgen alles anders ist und die Grünen sehen können, wo sie bleiben, mit der FDP als Kollateralschaden ohne verbliebene Freunde.

Lieber ohne FDP regieren als das Land vollends ruinieren? Das wäre dann Zeitenwende, zweiter Versuch.            

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