Katholische Kirche will Verhältnis zur AfD klären - Steigbügelhalter und andere Extreme

Die Deutsche Bischofskonferenz debattiert über den Umgang mit der AfD und rechten Tendenzen in der Kirche. Der Vorsitzende Bischof Georg Bätzing mahnt eine scharfe Abgrenzung an. Doch allein die richtige Haltung wird nicht helfen, der Polarisierung in der Kirche entgegenzuwirken.

Mitglieder der Deutschen Bischofskonferenz auf dem Weg zum Eröffnungsgottesdienst / dpa
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Volker Resing leitet das Ressort Berliner Republik bei Cicero. Er ist Spezialist für Kirchenfragen und für die Unionsparteien. Von ihm erschien im Herder-Verlag „Die Kanzlermaschine – Wie die CDU funktioniert“.

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Neulich wurde neben dem Kölner Dom auf dem Bahnhofsvorplatz ein Gottesdienst gefeiert, dabei wurden auch homosexuelle Paare gesegnet. Die Veranstaltung war eine Art Demonstration gegen den Kölner Erzbischof, Kardinal Rainer Maria Woelki, der solche Segnungen getreu der offiziellen Linie der Kirche unterbinden will. Mehrere Priester, wie auch der bekannte Kölner Armenpriester Franz Meurer, waren dabei. Es wurde gesungen, Tränen flossen, Ansprachen wurden gehalten. Doch Demonstrationen ziehen Gegendemonstration an, so auch in der Kirche. Längst schon ist die Polarisierung in der Katholischen Kirche angekommen. Um Woelki geht es nicht mehr allein.

Am Rande des Platzes standen junge Männer im Anzug mit entsprechenden Plakaten und Symbolen. Einige beteten lauthals den Rosenkranz. Zu der Kundgebung hatte die „Deutsche Gesellschaft zum Schutz von Tradition, Familie und Privateigentum“ aufgerufen, die sich als Fundamentalopposition zur „Mainstreamkirche“ sieht. Auf ihrer Website giftet sie gegen die Segnungsfeier, gegen den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, und den „Synodalen Weg“. „Linkskatholiken, linkskatholische Bischöfe und Priester und linkskatholische Verbandsfunktionäre“ würden sich versammeln, „um im Grunde ihre eigene Kirche zu fabrizieren“.

Auch in der Katholischen Kirche ist die Debatte um die Brandmauer gegen rechts voll entbrannt. Wie soll die Kirche mit „Rechten“ umgehen und vor allem wie mit der AfD und ihren Mitgliedern? Längst fangen einige schon an, antifaschistische Schutzwälle anzulegen, Gräben werden ausgehoben entlang unterschiedlicher Frontlinien. Wie in der politischen Arena werden inhaltliche Debatten schnell zu identitätspolitischen Waffen. Wer sich nun kritisch zu Segnungsfeiern äußert, gerät in den Strudel, als „rechts“ bezeichnet zu werden. Und umgekehrt: Ist man als Befürworter von Reformen erkannt, klebt das Etikett „Linkskatholik“ an einem. Es macht manchmal den Eindruck, als ob ausgerechnet die Katholiken – ihre christliche Gesinnung verleugnend – dabei noch mit größerer Härte gegeneinander vorgehen würden, als es auf dem politischen Parkett ohnehin schon der Fall ist.

Baumeister innerkirchlicher Brandmauern

Gemeindereferent Marianne Arndt hatte laut Zeit auf der Domplatte noch zur Mäßigung aufgerufen. „Lasst uns dafür beten, dass wir solidarischer und freier werden, weniger engstirnig, dafür vielfältig: Queer und konservativ, das darf und soll es in einer pluralen Gesellschaft zusammen geben.“ Doch die Eskalationskaskaden in der Kirche sind kaum noch zu stoppen. Es drängt sich das Bild auf, dass der Schmerz über die schrumpfende Kirche, über multiple Krisen und Zukunftsungewissheit mit den innerkirchlichen Kampfhandlungen vergessen gemacht werden soll.

Der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller ist dabei einer der Baumeister innerkirchlicher Brandmauern. In der Debatte, wie mit AfD-Mitgliedern umzugehen sei und ob diese noch Mitglied in kirchlichen Gremien sein dürfen, holte Schüller nun die große Keule gegen den Augsburger Bischof Bertram Meier aus dem Arsenal. Dieser stelle sich mit seinen Äußerungen „in die Tradition der deutschen Bischöfe in der NS-Zeit, die das menschenverachtende System nicht aktiv bekämpft haben“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Und damit nicht genug. Der ganz große Nazi-Vergleich musste her. Meier werde „zum Steigbügelhalter für eine breiter werdende gesellschaftliche Akzeptanz von Rechtsradikalen“.

Was hatte Meier getan? Er hatte davor gewarnt, dass allein die Parteimitgliedschaft nicht zum Ausschluss von kirchlichen Ämtern, etwa der Mitgliedschaft in einem Pfarrgemeinderat, führen könne. Pauschale Ausgrenzung sei falsch, so Meier in einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen. „In solchen Fällen geht es darum, das Gespräch zu suchen. Wenn wir anfangen würden, Menschen auszugrenzen, drängen wir sie doch erst recht in eine vielleicht extreme Ecke.“ Solch eine Überlegung reicht also, um als Förderer von Nazis beschimpft zu werden. Es wird schnell klar, eine Debatte kann und soll offenbar gar nicht geführt werden. Vielmehr wird eine Haltung in der Manege zur Schau gestellt, die oft doch nur die eigene Fanbubble klatschen lässt.

AfD-Mitglieder von kirchlichen Wahlämtern ausschließen?

Heute beginnen die Beratungen bei der Herbstvollversammlung der deutschen Bischöfe in Wiesbaden, und das Thema AfD birgt Konfliktstoff. Der Vorsitzende Bätzing hatte per Bild-Interview am Montag den Ton vorgegeben. „Problematisch“ sei es, sich zugleich in der Kirche und bei der AfD zu engagieren. „Menschenverachtende oder demokratiefeindliche Positionen muss die Kirche schlichtweg immer als inakzeptabel und nicht tolerierbar brandmarken.“ Bei der inhaltlichen Einordnung wird ihm kein Mitbruder im Kern widersprechen wollen. Doch wie sieht es im alltäglichen Umgang mit AfD-Mitgliedern oder -Wählern aus?

 

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Bätzing erklärte zu Beginn der Tagung in Wiesbaden: „Ich bin sehr überzeugt davon, dass die Positionen der AfD und die Position der Katholischen Kirche unvereinbar sind.“ Auch eine Mitgliedschaft in der AfD sei mit dem Ausüben von Ämtern in der Kirche nicht vereinbar. In dieser Frage aber sieht es mit der Geschlossenheit schon anders aus. Da wollen ihrem Vorsitzenden nicht alle ohne weiteres folgen. Nicht nur Bischof Meier ist skeptisch. Im Osten, heißt es, sei dies schlicht nicht umsetzbar. Und andere Bischöfe sagen, eine Abgrenzung dürfe nicht dazu führen, dass die Kirche einer Polarisierung Vorschub leiste, die sie eigentlich bekämpfen wolle. Der Einzelfall sei entscheidend.

An die Spitze der innerkirchlichen Gegen-Rechts-Kämpfer hatte sich die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Irme Stetter-Karp, gestellt. Sie hatte in einem Interview mit kirche-und-leben.de erstmals die Forderung aufgestellt, AfD-Mitglieder von kirchlichen Wahlämtern auszuschließen. „Meine Haltung ist klar: Wer in der AfD ist, darf in der Kirche keine Macht bekommen“, schob sie in einem Interview der Zeit-Beilage Christ und Welt nach. Überhaupt würden die Kirche und die Bischöfe zu wenig gegen rechts tun und zu wenig gegen „Hass und Hetze“ mobilisieren. Was auch immer damit konkret gemeint ist. Aber immerhin der Vorwurf klingt knallig!

Die AfD habe sich immer weiter radikalisiert, schüre Ängste und richte sich „letztlich gegen alle Institutionen, die unsere Demokratie tragen“, so Stetter-Karp. „Die Haltung der AfD ist eine Haltung der Zerstörung.“ Dagegen müsse sich die Kirche wenden und gegen Spaltung einstehen. Doch wie geht das, außer mit wohlfeilen Erklärungen? Das Mittel ihrer Wahl ist Ausschluss der AfD-Mitglieder, doch das Paradox dieser Anti-Rechts-Aktion bleibt, dass Ausgrenzung dann ausgerechnet „Zusammenhalt“ stiften soll.  

Nicht über jedes Stöckchen springen

Forderungen sind schnell erhoben, das Umsetzen viel schwieriger. Ob es überhaupt möglich ist, AfD-Mitglieder formal von Wahlämtern in der Kirche auszuschließen, ist noch offen. Noch schwieriger dürfte es sein, im Arbeitsrecht entsprechende Regelungen zu etablieren, um etwa ein Beschäftigungsverhältnis aufgrund einer Parteimitgliedschaft zu beenden. Und vor allem: Welchen Effekt hätte dies?

Unstrittig ist, dass viele Ansichten, die in der AfD verbreitet sind, dem katholischen und christlichen Ansatz widersprechen. Jede völkische Überhöhung, jede Ausgrenzung von Behinderten, auch eine dezidiert anti-universalistische Haltung stehen dem christlichen Glauben an die eine, unteilbare Menschheitsfamilie entgegen. Doch problematisch ist verblüffenderweise nicht das Trennende, sondern das Verbindende, das hat auch Bischof Meier schon deutlich gemacht. Abgrenzung ist noch keine Strategie. Wie die Kirche trete die AfD etwa für den Schutz ungeborenen Lebens oder die Ehe von Mann und Frau ein, so Meier, „und doch können wir als Kirche nicht unsere Sichtweise auf solche Überschneidungen verengen“.

Neulich hatte die AfD-Bundestagsabgeordnete Beatrix von Storch ihre Bundestagsrede zum Thema Sterbehilfe mit den Worten beendet, das menschliche Leben liege in Gottes Hand, daran glaube sie. Daraufhin gab es unter Theologen eine Debatte, ob das Gotteskonzept, das hinter dieser Aussage stecke, nicht totalitär, also möglicherweise „rechts“ sei. Müsse man in der Folge der Aneignung durch die AfD nicht auch die ethische Argumentation verändern? Ähnliches wurde beim „Marsch für das Leben“ diskutiert; wenn dort Rechte und Rechtsextreme mitlaufen, wie dies offenbar geschehen war, sei die ganze Veranstaltung keine legitime Demonstrationsform für den Lebensschutz mehr. Vielmehr seien Abtreibungsgegner tendenziell „rechts“, also müsse die kirchliche Haltung auch zu diesem Thema sich ändern. Doch diese Logik führt geradewegs in die Sackgasse.

Der kirchliche Umgang mit der AfD und mit rechtsnationalen politischen Bewegungen darf sich nicht in Haltungsbekundungen ergehen, darf den inhaltlichen Konflikten nicht ausweichen. In diesem Sinne muss er sogar viel klarer und auch unbequemer werden. Das bedeutet, dass der Lebensschutz für alle Menschen am Anfang und am Ende des Lebens und auch in bedrohten Lagen überhaupt nicht den Extremen und Populisten überlassen werden darf. Das bedeutet aber zugleich, dass die Kirche gerne daran erinnern darf, dass die Nazis schon immer Feinde der Kirche waren, sie haben Katholiken verfolgt und Priester ins KZ gesteckt. Und wie kirchenfeindlich die AfD heute ist, lässt sich in einschlägigen Publikationen für jeden nachlesen.

Der Dresdner Theologe Thomas Arnold drückt es so aus: „Wir dürfen nicht über jedes Stöckchen springen, das uns diese Partei gerade hinhält“, sagte der Direktor der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen kürzlich bei der „Dennoch-Konferenz für Neues in der Kirche“ in Hannover. Noch scheint seine Mahnung nicht gehört zu werden.

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