Hubert Aiwangers Kampf gegen den linksgrünen Zeitgeist - Ein Grantler geht voran

Oft derb in der Sprache, stets klar in der Sache: Hubert Aiwanger macht das Juste Milieu rasend, weil er gegen den linksgrünen Zeitgeist wettert und sich nicht um politische Korrektheit schert. Für die Freien Wähler sind es ohnehin günstige Zeiten.

Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger / dpa
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Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

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An Fronleichnam vor zwei Jahren sitzt Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger in einem Wäldchen nahe Rottenburg an der Laaber auf einem Campingstuhl. Die Sonne brennt heiß vom niederbayerischen Himmel. Das Plätzchen unter den Bäumen aber spendet Schatten und schenkt Aiwanger noch etwas mehr Zeit, um den Autor dieser Zeilen einzuführen in seine Welt, seine Vorstellungen und seine Gedanken über das politische Establishment in Berlin. Die Campingstühle kommen vom Fotografen, also sitzen Zwei im Walde und reden über Politik. 

Wer will, kann sich von Aiwanger umstehende Baumarten erklären lassen und die Vorteile der Dreieckssaat, auch, wann der Jäger auf dem Hochsitz zu sein hat, um Rehe und Wildschweine zu schießen. Aiwanger ist überzeugter Umweltschützer, so wie viele Menschen vom Land überzeugte Umweltschützer sind und schon waren, bevor es die Grünen überhaupt gab. Mit dem Unterschied, dass einer wie Aiwanger den Mittelweg sucht, den Kompromiss zwischen Mensch und Natur. Letztere nicht, anders als die Grünen, als fragiles höheres Wesen begreift, sondern als Partner auf Augenhöhe. 

Während wir sprechen, beugt sich Aiwanger nach unten, spielt mit einem Grashalm. Aiwanger sagt: „Wir dürfen die Freiheitsrechte der Bürger nicht ohne Not aufgrund von ideologischen Debatten einschränken.“ Das gelte für die Freiheit, Motorrad zu fahren oder Fleisch zu essen. Das gelte für die Meinungsfreiheit, die durch Political Correctness bedroht sei. Und es gelte für ein „gesellschaftliches Korsett“, das, so der bayerische Wirtschaftsminister damals, schon viel zu eng sitze.

Eine Gesellschaft am Reißbrett

Es war das allererste Treffen des Autors dieser Zeilen mit dem Freie-Wähler-Chef, damals, wenige Monate vor der Bundestagswahl, bei der die Partei dann wieder nicht über die Fünf-Prozent-Hürde gekommen ist. Doch die Rahmenbedingungen haben sich in der Zwischenzeit radikal geändert. Angela Merkel ist nicht mehr Bundeskanzlerin, und die Union wurde auf die Oppositionsbank verbannt. Die Bundesregierung besteht heute aus drei Parteien, von denen zwei von sich behaupten, linke Parteien zu sein – und die Wut auf „die da oben“ scheint größer denn je, während die Zustimmungswerte für die amtierende Regierung kaum kleiner sein könnten. So klein, dass man sich als Beobachter durchaus fragen kann, ob verantwortungsvollere Politiker nicht längst zurückgetreten wären. 

Insbesondere die Grünen wollen, mit viel Hybris gesegnet, am Berliner Reißbrett eine neue Gesellschaft entwerfen, die sie mit Verboten und postfaktischen Behauptungen („Transfrauen sind Frauen“) zu erzwingen gedenken. Dass die allermeisten Menschen im Land da nicht mitmachen wollen, obwohl man sich doch stets einredet, „die Guten“ zu sein, macht grüne Politiker und ihre Unterstützer in den Redaktionen dieses Landes rasend. Dass einer wie Aiwanger ihnen das auch noch stammtischtauglich unter die Nase reibt und dafür Applaus bekommt, noch viel rasender. 

Alter weißer Mann!

Der Freie-Wähler-Chef bringt das linksgrüne Juste Milieu derzeit zum Schäumen wie kaum ein anderer Politiker im Land. Weil seine Wortwahl bisweilen derb ist, aber stets klar in der Sache. Weil er sich nicht schert um politische Korrektheit und Populismusvorwürfe gegen ihn, die, gelernt ist gelernt, regelmäßig vom politischen Gegner erhoben werden, wenn es intellektuell mal wieder nicht reicht für eine inhaltliche Auseinandersetzung. 

Weil Aiwanger, obwohl selbst Spitzenpolitiker, der Gegenentwurf ist zum woken „Vom Hörsaal in den Plenarsaal“-Politiker, der Otto Normalbürger nur deshalb kennt, weil sie seine Bio-Gurke im Supermarkt über den Scanner ziehen. Weil linksgrüne Journalisten, die glauben, 72 Geschlechter auszurufen, sei progressiv, finden, dass Aiwanger ein Trottel ist. Wie der schon redet! Mit diesem niederbayerischen „o“! Und Trachtenjanker trägt er auch noch! Alter weißer Mann! Auf die Idee, dass sich hinter Aiwangers Provinzattitüde möglicherweise ein Mann verbirgt, der politisch einiges auf dem Kasten hat, kommt ihnen dabei nicht in den Sinn. Unterschätzt zu werden, kann in der Politik aber auch von großem Vorteil sein.  

Und Aiwanger hat geliefert

Im Prinzip ist Aiwanger das personifizierte Feindbild hipper linker Großstädter. Ein Mann vom Land, vom Bauernhof sogar, der Rehe und Wildschweine jagt und den linksgrünen Zeitgeist gleich mit. Einer, der keine Security braucht, wenn er, wie kürzlich auf der Heizungsdemo in Erding, die Ärmel hochkrempelt, ans Mikrofon tritt und sagt, die Regierung habe den „Oarsch offen“. Ein Grantler, der in hypersensiblen Zeiten grantelt, weil man das eben so macht in Bayern – und damit nicht wenigen Menschen aus der Seele spricht, die die Schnauze voll haben von Denk- und Rederegularien, die ihnen Leute aufzwingen wollen, die von den Sorgen und Nöten der einfachen Menschen im Land so viel Dunst haben wie der Autor dieser Zeilen von Synchronschwimmen.

Der bayerische Wirtschaftsminister fungiert dabei auch gerne als Blitzableiter. Jüngst schön zu sehen in der Sendung von Markus Lanz. Dem Moderator muss man erstmal zugute halten, dass er Politiker grundsätzlich hart angeht, kürzlich auch Ricarda Lang von den Grünen, und damit nicht selten den einen oder anderen Treffer versenkt, aber sich auch gerne mal verrennt. Bei Aiwanger hat es Lanz nun auch probiert, das mit dem harten Angehen – und Aiwanger hat geliefert. 

Lanz stößt das prompt sauer auf

Mit Blick auf die Ausschreitungen in Paris kritisierte er das geplante Einwanderungsgesetz der Ampel; sprach von Parallelgesellschaften, die es in Deutschland längst gibt. Wies richtigerweise darauf hin, dass viele Syrer, die während der Migrationskrise 2015/16 ins Land kamen, bis heute nicht in den Arbeitsmarkt integriert sind. Dass er all das in seiner Art formulierte, stieß Lanz prompt sauer auf. Aiwanger ließ sich davon nicht beirren: „Macht man jetzt hier eine Sprachdebatte? Ich glaube, es geht hier um die Sachverhalte“, sagte er. Und auch: „Wollen wir die Dinge beim Namen nennen oder wollen wir Wording-Debatten führen?“ 
 

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Was er denn anders machen würde, wollte Lanz mit Blick auf kriminelle Ausländer wissen. „Ich sag’s Ihnen, wie wir das in Bayern machen, dass, wenn jemand die erste Straftat begeht, wir die Strafe auf den Fuß folgen lassen. Und nicht zuschauen (…) bis jemand zum Serienstraftäter wird, dann sagen wir [nicht] ,Du, du!‘ und dann ist die Mama schuld und dann ist die Oma schuld, aber nie der selber, und am Ende ist Deutschland schuld.“

Lanz versuchte immer wieder vergeblich, Aiwanger die Worte im Mund umzudrehen, ihn zurechtzuweisen, ihm zu unterstellen, er würde Rassismus schüren und behaupten, Deutschland sei keine Demokratie mehr, obwohl Aiwanger ledliglich erklärte, dass die derzeitige Bundesregierung Politik gegen den Mehrheitswillen der Bevölkerung mache, was alle Umfragen zeigen. „Mit dieser Masche kriegen Sie mich nicht“, sagte Aiwanger, weil er die Strategie des Moderators durchschaute. Und als die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch, die ebenfalls zu Gast war, sagte, sie würde nie auf eine Demo wie jene in Erding gehen, antwortete Aiwanger: „Sie hätten aber hingehen sollen. Vielleicht mal einen Außeneinsatz als Wissenschaftlerin, schauen, was draußen los ist beim Volk.“

An der Spitze eines Wasauchimmer

„Der Mann, der das Volk abholen will“, titelt die Süddeutsche Zeitung tags darauf über Aiwanger – und geht damit den eigenen Narrativen auf den Leim. Denn Aiwanger will das Volk nicht nur abholen, er tut es offenkundig auch. Mit Prognosen sollte man zwar vorsichtig sein, aber sei’s drum: 12 Prozent haben die Freien Wähler bei der vergangenen Landtagswahl in Bayern geholt. Im Herbst wird im Freistaat erneut gewählt, und die Rahmenbedingungen für die Freien Wähler sind vielleicht günstig wie nie, auf bis zu 20 Prozent zu kommen. Gleichzeitig macht Aiwanger genug Krawall und damit Schlagzeilen, um die Freien Wähler nun wirklich auch bundesweit als echte Alternative zur Union zu positionieren. 

Gestützt wird Aiwanger dabei bereits von einem nennenswerten Teil der bayerischen Landbevölkerung, die sehr lange und sehr geduldig zugesehen hat, was in Berlin so alles an Schindluder getrieben und an zeitgeistigem Firlefanz ersonnen wird. Spätestens bei der Heizungsdemo in Erding mit 13.000 Teilnehmern wurde aber deutlich: Irgendwas ist da ins Rollen gekommen auf dem Land – und Aiwanger setzt sich an die Spitze dieses Wasauchimmer, das sich erst noch offenbaren muss. Gut möglich also, dass der linksgrüne Großstädter bald sein blaues Wunder erleben wird. Denn ja, Menschen vom Land sind sehr lange sehr geduldig. Aber wenn sie es nicht mehr sind, dann sollte man lieber in Deckung gehen. Aiwanger – der Grantler, der vorangeht – ist das beste Beispiel dafür.

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