
- Mindestens ein Zwischenhoch
Die FDP steht momentan günstig. Doch ist ihre programmatische Profilierung auf der Wette aufgebaut, dass sich unmittelbar vor der Wahl die Debatten im Land vornehmlich um eine sich verschlechternde wirtschaftliche Situation drehen werden. Ob das allerdings eintreten wird, bleibt abzuwarten.
Jenseits aktueller Diskussionen um die Frage, wer ins Kanzleramt einziehen wird, steigt die FDP in Umfragen in neue Höhen auf. Doch ihre Erfolgsrezepte sind altbekannt und ihre Aussichten fragiler, als sie auf den ersten Blick erscheinen.
Noch im Herbst vergangenen Jahres bewegten sich die Liberalen in Umfragen bei etwa fünf Prozent. Sie haderten mit ihrer Rolle in der Corona-Krise, mussten polarisieren, um Aufmerksamkeit zu gewinnen. Am Beginn dieses Jahres, pünktlich zur Bundestagswahl, sieht die Lage ganz anders aus. Die Partei steht bei 13 Prozent und hat sogar im für sie unsicheren Sachsen-Anhalt ein gutes Ergebnis errungen.
Im Sinne vieler Wirtschaftsbürger
Die FDP profitiert von einem ganzen Bündel an Faktoren. Im ihr angestammten Klientel der Unternehmer fürchten manche durch die Lockdown-Maßnahmen um ihre Existenz. Die FDP versucht an diese Erwartungen anzuknüpfen. Zusätzlich geriert sie sich, wie auch bei der letzten Bundestagswahl, als Alternative zur ausgelaugt erscheinenden Großen Koalition. Dies ist auch im Sinne vieler Wirtschaftsbürger, die auch ohne Corona kritisch eingestellt sind gegenüber wohlfahrtsstaatlichen Ansätzen der SPD und einem mittlerweile schwachen ökonomischen Flügel der Union.
In der Klimadebatte spielt die FDP eine Rolle, die sie bereits in der Flüchtlingskrise eingenommen hat: bürgerliches Korrektiv zwischen den Polen von AfD und Grünen. Damals forcierte sie eine kritische Haltung zu Merkels Migrationspolitik, ohne jedoch an den Rand des demokratischen Spektrums zu geraten. In aktuellen Auseinandersetzungen um ökologische Fragen ist die FDP offen für neue Technologien, will den Verbrennungsmotor aber vorerst nicht verbieten. Sie verlagert das Lösen von Problemen in Expertenhände und baut auf zukünftige Innovationen. Dies bietet modern-progressiven Liberalen gleicherweise wie besitzstandswahrenden Gruppen die Möglichkeit, sich hinter der FDP zu versammeln. Vor allem ihr Kontrast zu den Grünen bietet der FDP die Möglichkeit, ein Sammelbecken zu sein für enttäuschte, weltoffene, aber nicht allzu veränderungseuphorische, bürgerliche Wähler.