
- Die Stoßregierung
Um überhaupt handlungsfähig zu bleiben, hat die Große Koalition offenbar eine neue Form des Regierens erfunden: Die größten Streitthemen werden im Schnellverfahren stoßweise aus dem Weg geräumt. Doch der Diesel-Gipfel zeigt: Seriöse Arbeit ist so nicht möglich. Und die Kosten trägt im Zweifel der Steuerzahler
Die deutsch-amerikanische Kabarettistin Gayle Tufts hat einen Klassiker in ihrem Programm über die Merkwürdigkeiten der Deutschen: das Stoßlüften. Überall, wo sie auftauchten, rissen sie erstmal die Fenster auf, um stoßzulüften. Es gebe nicht Deutscheres als dieses Stoßlüften, frotzelt die Entertainerin auf der Bühne.
Für ihr nächstes Programm könnte sie zum Stoßlüften das Stoßregieren als typisch deutsch hinzufügen. Wochenlang macht sich dicke Luft breit in der Großen Koalition, müffelt es nach abgestandenen Stress-Schweiß. Und dann, nach etwa zwei Wochen, trifft man sich im Kanzleramt zum Koalitionsgipfel, um so die größten Streitthemen in einem Akt des Stoßregierens aus dem Weg zu räumen. Danach hat man dann wieder Zeit, sich gegenseitig einigermaßen unerträglich zu finden und wechselseitig zu beschimpfen.