Parteigründung von Bündnis Deutschland - „Bei uns wird nicht jeder Glücksritter Mitglied“

Das jüngst gegründete Bündnis Deutschland will eine Repräsentationslücke im „bürgerlich-liberal-konservativen Lager“ besetzen. Wie das gelingen kann und wofür die Partei steht, erklärt der erst 24-jährige Mitbegründer Jonathan Sieber im Interview.

Würden hier auch gerne rein: Die Partei Bündnis Deutschland will eine echte Alternative sein / dpa
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Autoreninfo

Robert Horvath hat Biochemie und Kommunikations-wissenschaften studiert. Derzeit absolviert er ein Redaktionspraktikum bei Cicero.

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Jonathan Sieber, 24, ist Mitbegründer der Partei „Bündnis Deutschland“. Er kommt aus Dresden und hat dort einen Bachelor in Politikwissenschaft und Geschichte erworben. Derzeit studiert er Jura an der Martin-Luther-Universität in Halle an der Saale. 

Herr Sieber, mit Ihrer Partei „Bündnis Deutschland“ wollen Sie eine „vernunftorientierte Realpolitik“ etablieren. Der Anspruch fußt auf der Annahme, dass diese aktuell nicht oder kaum existiert. Stattdessen, so werfen Sie dem Großteil der aktuellen Parteienlandschaft vor, herrsche derzeit eine vornehmlich ideologisch motivierte Politik. Woran machen Sie das fest?

Das kann man an vielen Politikfeldern festmachen. Ein Kennzeichen ideologiegetriebener Politik ist, dass Mittel eingesetzt werden, die dem eigentlichen Ziel nicht dienlich sind. Stattdessen sind die vermeintlichen Lösungsvorschläge vielmehr ein Ausdruck dessen, dass man sich mit einer guten Haltung schmücken möchte. Als Beispiel lassen sich hier zunächst die 2G-Regelungen während der Corona-Pandemie nennen. Ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung wurde trotz negativen Tests aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen, während geimpfte Personen sich ohne Testung in Innenräumen treffen konnten. Jetzt wurde mehrfach wissenschaftlich belegt, was schon damals jedem selbst denkenden Menschen klar sein musste: 2G war kein Pandemiehemmer, sondern vielmehr ein Pandemietreiber.

Das ist ein klassisches Beispiel für eine Maßnahme von Politikern, die vorgeben, das „Richtige“ zu tun und sich damit gut fühlen, die eigentlichen Ziele aber konterkarieren. Gleichzeitig wurden durch dieses „Haltung zeigen“ diejenigen aus dem gesellschaftlichen Leben ausgegrenzt, die anderer Meinung waren. Auch in Sachen Klima wird Politik gemacht, die dem Ziel nicht dienlich ist. So schalten wir gerade die sichersten Atomkraftwerke der Welt ab und verstromen wieder mehr Kohle, was den CO₂-Ausstoß massiv erhöht, anstatt ihn zu senken. Ähnliches sieht man auch in vielen anderen Bereichen.

Nun gibt es ja mittlerweile eine Vielzahl von größeren und kleineren Parteien. Was ist Ihr Alleinstellungsmerkmal?

Wir sprechen die aktuellen Fehlentwicklungen klar an. Die Bürger spüren die verheerende Politik der letzten Jahre ganz real im Portemonnaie. Ein vollgetanktes Auto, ein voller Einkaufswagen, Urlaubsreisen, eine beheizte Wohnung, ein selbstgebautes Einfamilienhaus, all das war vorher noch erschwinglich für die arbeitende Bevölkerung. Mittlerweile sind das beinahe schon Luxusgüter. Die desolate Wirtschaftspolitik der Verantwortungsträger ist momentan massiv und direkt spürbar. Die Sehnsucht nach einer vernunftorientierten Kraft, wie wir sie sind, ist größer denn je.

Hinzu kommt, dass wir eine vereinende, zusammenführende Wirkung haben. Das wird auch in organisatorischer Hinsicht deutlich: Wir sind ein Zusammenschluss mehrerer Parteien und Organisationen, unter anderem des Bürgerlich-Freiheitlichen Aufbruchs, der Bürgerallianz Deutschland und der Christdemokratisch-Liberalen Plattform. Hier können Leute von der CDU, CSU, SPD, FDP, der Freien Wähler und ehemalige Mitglieder des gemäßigten Flügels der AfD eine neue Heimat finden. Damit wollen wir die Repräsentationslücke im bürgerlich-liberal-konservativen Lager besetzen. Die ist größer denn je, weil sich CDU und FDP zum Teil sehr stark an den ideologischen Zeitgeist anpassen und die AfD sich weiter radikalisiert. Verschiedene erfolglose Kleinparteien wollten diese Repräsentationslücke als One-Man-Show besetzen; wir sind ein Teamprojekt.


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Mit One-Man-Show meinen Sie, dass sie kein prominentes Führungsmitglied haben? Genau genommen haben Sie derzeit gar kein prominentes Mitglied. Wie wollen Sie mit dieser Aufstellung über die 5-Prozent-Hürde kommen?

Wir hatten zu Beginn die Möglichkeit, eine solche Galionsfigur an Bord zu holen. Wir haben uns aber dagegen entschieden. Sie müssen wissen, jede dieser Personen aus dem bürgerlichen Lager bringt einen Rucksack mit: Erfahrungen, mediale Wirkung, Äußerungen und Positionen, die eingenommen wurden. Ein prominentes Mitglied wäre bei einer Parteigründung zu schnell und intensiv in den Fokus geraten und die Sache in den Hintergrund. Aber in den nächsten Monaten werden wir uns dafür öffnen und auch gezielt werben, um solche Personen für uns zu gewinnen. Dazu laufen bereits Gespräche.

Welche Wähler wollen Sie ansprechen?

In unseren Mitgliedsanträgen sehen wir, dass wir besonders Menschen anziehen, die vorher noch nicht parteipolitisch gebunden waren. Das ist die größte Gruppe. Noch vor ehemaligen Mitgliedern aus dem Unionsmilieu. Das lässt sich unter Umständen auch auf die Wähler übertragen. Mittlerweile haben wir in Deutschland 40 Prozent Nichtwähler. Das sind oft Leute, die frustriert sind von den teils ideologischen Debatten und sich nicht mehr abgeholt fühlen. Wir wissen, dass wir viele von denen mobilisieren können. Damit wollen wir enttäuschte Menschen wieder begeistern für den Parlamentarismus. Und natürlich zählen wir auf viele Leute aus dem dezidiert liberal-konservativen Lager, die heimatlos sind.

Wir haben hierzulande die höchsten Energiepreise der Welt, die zweithöchsten Steuern Europas. Denen geht gegen den Strich, dass im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ständig gegendert wird oder dass, wenn sie an Universitäten studieren, ihre nicht-gegenderten Arbeiten schlechter bewertet werden. Auch die Tatsache, dass Kinder an Schulen immer schlechter schreiben, lesen und rechnen können. Wir sprechen enttäuschte Unions-, FDP- und AfD-Wähler an. Aber auch SPD-Wähler, die wollen, dass sich Arbeit lohnt, die jeden Tag 40 Stunden arbeiten und wollen, dass etwas übrig bleibt. Menschen, die sich nicht immer von der Politik belehren lassen wollen und die mit der woken Kultur wenig anfangen können, die weiter Winnetou schauen wollen, Fußball mit Bratwurst genießen wollen und nicht an jeder Ecke eine staatlich finanzierte Regenbogenfahne brauchen.

Rechnen Sie im Falle von künftigen Wahlerfolgen nicht mit einer Zersplitterung des eigenen bürgerlich-liberal-konservativen Lagers von der letztendlich linke Parteien profitieren könnten?

Nein. Aktuell haben CDU, FDP und AfD die Mehrheit im Bundestag. Diese Mehrheit ist aber parlamentarisch nicht nutzbar, da die Marke AfD derart verbrannt ist, dass keine Partei mit ihr koalieren kann oder möchte. Für das linke Lager sind diese 10 bis 15 Prozent AfD längst eingepreist. Für die ist das kein Problem. Ganz im Gegenteil. Die sorgen immer dafür, dass am Ende eine Mitte-Links-Mehrheit rauskommt. Wenn man statt dieser unbrauchbaren Stimmen im bürgerlichen Lager wieder Koalitionspartner generiert, dann könnte man sehr schnell in vielen Bundesländern wieder bürgerlich-konservative Mehrheiten auf die Beine stellen und Politik machen, die gut fürs Land ist und vielen negativen Trends der letzten Jahre entgegenwirken würde.

Jonathan Sieber / dpa

Warum haben sich die Mitglieder für den Parteinamen „Bündnis Deutschland“ entschieden? Über ein „Deutschland“ im Titel mag in so manchen Kreisen die Nase gerümpft werden.

„Bündnis“ entspricht dem Gedanken des Zusammenführens. Unser großes Ziel, die Überwindung der Spaltung der Bevölkerung durch vernünftige Politik für das Land, wird damit symbolisiert. Deshalb sind wir auch gegen diese derzeit herrschende unsägliche, ideologische Gegnerbeschimpfung. Außerdem spiegelt sich darin die Parteigründung wieder – wir sind ein Zusammenschluss aus mehreren kleinen Parteien.

Was „Deutschland“ betrifft: Wir wollen ganz klar für Deutschland und seine Bürger arbeiten. Wir wollen ernst nehmen, was auf dem Reichstag steht: „Dem deutschen Volke“. Dazu sollte sich jeder Politiker verpflichten, für das Wohl des Landes zu arbeiten, anstatt lediglich für das eigene. Das manche Leute darüber die Nase rümpfen, bringt die negativen Tendenzen in unserem Land zum Ausdruck, dass redliche Arbeit fürs eigene Land von einer nicht ganz kleinen Anzahl von Leuten als etwas Verwerfliches oder Zwielichtiges angesehen wird. Dabei sollte die Arbeit für die Menschen im Land eigentlich positiv konnotiert sein.

Es kommt vor, dass neue Parteien von Medien und Altparteien ignoriert werden. Zeichnet es sich aber ab, dass eine ernstzunehmende Konkurrenz entsteht, wird von eingesessenen Parteien aus taktischen Gründen mitunter diffamiert, um den potentiellen Kontrahenten kleinzuhalten. Was wollen Sie tun, um zu verhindern, in eine Ecke rechts außen gestellt zu werden oder sogar tatsächlich dort zu landen?

Wir glauben, dass sich redliches Verhalten auszahlt. Über die Presseberichterstattung unserer Parteigründung kann ich sagen, dass sie durchaus fair war. Außerdem: Der Wähler merkt sehr genau, ob an der Berichterstattung was dran ist oder ob sie fingiert ist. Schauen wir in die Geschichte der AfD. Bernd Lucke wurde aus den Reihen der etablierten Parteien als „Salon-Faschist“ oder „Nazi in Nadelstreifen“ bezeichnet. Das hat das Bürgertum allerdings nicht abgehalten, dieser Partei beizutreten, weil es einfach zu grotesk und unglaubwürdig war. Jeder, der Bernd Lucke einmal in der Öffentlichkeit gesehen hat, weiß, dass so eine Äußerung nicht zutrifft.

Ich will sagen: Evident unzutreffende Äußerungen finden keinen Anklang. Bei der AfD haben die Wähler halt im Laufe der Zeit gemerkt, dass an so manchem Vorwurf doch etwas dran ist. Unsere Gründungsriege besteht aus gestandenen Leuten aus CDU, FDP, Freien Wählern und Parteilosen. Solche Vorwürfe prallen da ab. Aber wir haben trotzdem Maßnahmen entwickelt. Zum Beispiel eine zweijährige Probemitgliedschaft und einen großen Sanktionskatalog, falls doch mal ein radikales oder extremistisches Mitglied dabei sein sollte, das wir dann unproblematisch wieder loswerden können. Wir wollen mit solchen Leuten nicht in Kontakt kommen. Dafür sind wir bereit, viel zu tun. Wir werden die Fehler Anderer nicht wiederholen.

Neben einer zweijährigen Probezeit hört man von persönlichen Aufnahmegesprächen. Ist das bei – laut Ihrer Partei – mehreren tausend Interessenten nicht ein wenig mühselig?

Die Gespräche sind auf 20 Minuten angelegt. Und tatsächlich ist das mühselig, aber wir meinen es ernst und wollen unsere Mitglieder gut kennenlernen. Bei uns wird nicht jeder Glücksritter Mitglied. Dieser Aufwand lohnt sich.

Eine weitere Aufnahmehürde ist der Jahresbeitrag von 180 Euro. Andere Parteien sind da teilweise deutlich günstiger. Will Ihre Partei Anlaufpunkt für Besserverdiener sein und den „kleinen Mann“ ausschließen?

Wir haben einen reduzierten Beitrag von 7,50 Euro pro Monat für soziale Härtefälle. Für den Rest ist tatsächlich ein relativ hoher Beitrag fällig. Wir sehen es aber so: Qualität statt Quantität. Wir wollen Menschen, denen die Parteimitgliedschaft noch etwas wert ist. 15 Euro pro Monat sind ein Betrag, den sich die meisten berufstätigen Menschen leisten können. Außerdem ist es interessant zu wissen, dass es in vielen Parteien sogenannte 30-Euro-Jahresmitgliedschaften gibt. Warum? Da werden Leute – ganze Familien, Freunde oder Bekannte – zu reduzierten Jahresbeiträgen reingeholt, um das eigene Mandat zu sichern.

Das ist typisch und ich habe das selbst während meiner Zeit bei der CDU erlebt. Das wollen wir nicht. Wir wollen keine Abenteurer, denen es nur um den persönlichen Vorteil oder darum geht, ein Mandat abzustauben. Und vor allem wollen wir keine „Fürstentümer“ oder dass sich persönlichen Verbände aufgrund von Billigmitgliedschaften bilden, so wie bei den etablierten Parteien. Wir wollen freie, souveräne, eigenverantwortliche Bürger, die sich ehrenamtlich engagieren und aus voller Überzeugung der Partei beitreten. Dafür soll man bereit sein, einen spürbaren finanziellen Beitrag zu leisten.

Das Gespräch führte Robert Horvath.

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