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() Viele Verbraucher sind an den Zapfsäulen überfordert
„Lebensmittel in Autos zu verbrennen, ist klimapolitischer Unfug“

Der Kraftstoff E10 ist Treibstoff kontroverser Diskussionen. Wirtschaftsminister Brüderle (FDP) beruft eigens einen Benzin-Gipfel ein. Im Mittelpunkt steht der Verbraucherschutz. Vieles spricht dafür, dass der sogenannte Bio-Kraftstoff weder umwelt- noch klimafreundlich ist. Ein Kommentar

An deutschen Zapfsäulen herrscht Verunsicherung. Wo der Autofahrer bisher Super-Benzin tanken konnte, wird er neuerdings vor E10 gewarnt, als handele es sich um eine harte Droge: Er solle sich vergewissern, ob sein Fahrzeug den neuen Kraftstoff verträgt. Sollte er unsicher sein, wird ihm Super Plus empfohlen. Der kostet in der Regel acht Cent mehr pro Liter als der mit etwa zehn Prozent Alkohol angereicherte Benzinmix. Die Mineralölindustrie kann sich die Hände reiben. Der Kunde ist verunsichert und beißt unwissend in den sauren Apfel. Dabei würde ein Blick auf die Internetseite des ADAC genügen. Mit ein paar Klicks lässt sich dort prüfen, ob der eigene PKW für E10 geeignet ist oder nicht. Im E10-Chaos lädt der Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) zum Benzin-Gipfel nach Berlin. Den im Ressort verantwortlichen Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) ruft Brüderle extra aus dem Skiurlaub. Am Tisch sitzen neben den beiden Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) und Verbraucherministerin Ilse Aigner(CSU) und beraten mit Vertreter von Automobilverbänden, Autoclubs, Mineralöl- und Bioethanol-Branche, dem Bauernverband und den Verbraucherzentralen. Aber wo sind die Umweltverbände, Agrar- und Umweltexperten oder gar Vertreter afrikanischer und südamerikanischer Kleinbauern – immerhin Regionen, aus denen Europa Ethanol für Agrosprit bezieht? Das fragt sich auch der Bundesvorsitzende des Verkehrsclubs Deutschland, Michael Ziesak. Der Biokraftstoff E10 soll schließlich einen Beitrag zum Klimaschutz leisten oder nicht? Zumindest hält die Bundesregierung die Zwangsverabreichung des Alkoholbenzingemisches für das probate Mittel, eine EU-Richtlinie zu erfüllen, die unter der Rats-Regentschaft der „Klimakanzlerin“ 2007 eingeführt wurde. „Lebensmittel in Autos zu verbrennen, ist klimapolitischer Unfug und ethisch verantwortungslos“, so Wolfgang Lohbeck, Verkehrsexperte von Greenpeace. Das für sogenannte Biokraftstoffe benötigte Ethanol wird aus Getreide und Zuckerrüben destilliert. Ihr Anbau beansprucht gewaltige Flächen an Ackerland. Diese werden weltweit immer knapper. Um neues Anbauland zu erschließen, werden häufig Urwälder gerodet oder sogar abgebrannt. Das schwächt die Katalysatorwirkung der Urwälder als grüne Lunge. Das Niederräuchern von Baumriesen in Äquatornähe verursacht zusätzlich ein Mehr an umweltschädlichem CO2. Die Herstellung von Ethanol für „Bio“-Sprit schadet also häufig der Umwelt. Diesen Effekt zu verhindern, versucht die Bundesregierung mit einer Nachhaltigkeitsverordnung, die seit dem 1. Januar diesen Jahres gültig ist. Agrarprodukte, für die Urwälder abgeholzt werden, sind zur Biospritproduktion tabu. Bauern in der dritten Welt weichen jedoch aus. Nutzpflanzen zur Alkoholgewinnung bauen sie auf bereits gerodeten Flächen an. Für andere Agrarprodukte roden sie neue Waldflächen – so auch zur Lebensmittelgewinnung. In der Praxis ist die Verordnung also nutzlos. Während sich heimische Autofahrer um ihren Geldbeutel und ihren Motor sorgen, sind die Lebensmittelpreise durch die Biospritproduktion weltweit merklich gestiegen. Trotzdem erweckt die Bundesregierung den Eindruck, sie zwänge dem Bürger und den Mineralölkonzernen den Agrosprit nur dem Klima zuliebe auf. Der Biosprit E10 schützt weder die Umwelt, noch löst er nachhaltig unser Energiedefizit. Vielmehr entstellt er das Suffix Bio zu einem Sinnbild heuchlerischen Öko-Wohlstands. Mit gutem Gewissen kann man E10 nicht tanken – weder der Umwelt noch den Menschen in der dritten Welt, vielleicht noch nicht einmal seinem Fahrzeug gegenüber. Kein Wunder, dass der Verbraucher zähneknirschend zu Super Plus greift. Die Mineralölindustrie wird es freuen. Wer mit gutem Gewissen die Umwelt schützen will, lässt den Wagen stehen und radelt zur Arbeit.

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