indien-corona-impfkampagne-krematorien-tote-dritte-welle-lockdown
Weil die Krematorien überfüllt sind, werden Tote auf der Straße verbrannt.

Corona in Indien - Die zweite Welle ist ein Tsunami

Indien ist der weltweit größte Produzent und Exporteur von Impfstoffen. Doch im eigenen Land ist die Impfkampagne jetzt mangels Reserven ins Stocken geraten. Die Folgen für die Bevölkerung sind dramatisch, berichtet Michael Braun Alexander aus Neu-Delhi.

Autoreninfo

Michael Braun Alexander ist Roman- und Sachbuch-Autor, Journalist und Kolumnist der Bild am Sonntag. Seit 2014 berichtet er als Korrespondent aus Indien. 2020 erschien sein neuestes Buch: „Indian Superpower. Aufstieg einer Wirtschaftsmacht". 

So erreichen Sie Michael Braun Alexander:

Ein Maimorgen in Neu-Delhi, etwa zwei Kilometer nordwestlich von Connaught Place, dem zentralen Geschäfts- und Einkaufsviertel der indischen Hauptstadt. Im improvisierten Impfzentrum „MCW Reading Road NDMC PHC“ – ein langer Gang, ein Behandlungszimmer rechts hinten – hängen Buntstiftzeichnungen von Kindern an den Wänden. „MCW“ steht für „Maternity Children & Welfare Centre“, eine staatliche Arztpraxis für Mutter und Kind. Hier wird an diesem Hochsommertag mit Außentemperaturen um 35 Grad mit „Covishield“, der AstraZeneca-Vakzine, gegen das Coronavirus geimpft.

Vormittags um halb elf sitzen drei Frauen jenseits der 60 in orangeroten Saris auf Stühlen im Gang, hinter ihnen, Abstand haltend, ein Mann in Hemd, Hose, Schlappen. Er drückt sich konzentriert die Stelle im Oberarm, wo eben die Impfspritze gesetzt worden war. Die Stimmung ist unaufgeregt; alle hatten zuvor per App eine Terminbestätigung auf ihr Smartphone bekommen; es gibt keine Wartezeiten. Ab und zu piept es, wenn zwei Minuten nach Impfung auf einem Handy die SMS vom indischen Ministry of Health & Family Welfare eintrudelt: „You have successfully been vaccinated. You may download your vaccination Certificate.“

Der #LargestVaccineDrive enttäuscht bislang

Am 1. Mai begann die jüngste, vierte Phase der Corona-Impfkampagne in Indien, mit inzwischen 1,39 Milliarden Menschen ist sie annähernd so groß wie in China. Seit Monatsanfang können sich nun alle über 18-jährigen einen Termin holen, unabhängig von Vorerkrankungen. Mehr als eine Milliarde Inder sind damit impfberechtigt. In staatlichen Einrichtungen ist die Injektion kostenlos; in privaten Kliniken in einzelnen Bundesstaaten kann sie einige hundert Rupien kosten – das sind ein paar Euros. 

Allein am 1. Mai wurden 1,82 Millionen Dosen verimpft, an den folgenden Werktagen jeweils zwischen 1,5 und zwei Millionen. Das klingt nach viel. Und doch war der #LargestVaccineDrive – so der Hashtag der Regierung – bislang eher ein Fehlstart. Im April waren es in der Spitze schon mehr als vier Millionen Impfungen täglich gewesen. Es müssten noch deutlich mehr sein, so fünf bis acht Millionen am Tag, um die Immunisierungskampagne zügig voranzubringen.

Cicero Plus weiterlesen

  • Monatsabo
    0,00 €
    Das Abo kann jederzeit mit einer Frist von 7 Tagen zum Ende des Bezugzeitraums gekündigt werden. Der erste Monat ist gratis, danach 9,80€/Monat. Service und FAQs
    Alle Artikel und das E-Paper lesen
    • 4 Wochen gratis
    • danach 9,80 €
    • E-Paper, App
    • alle Plus-Inhalte
    • mtl. kündbar

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.

Karl-Heinz Weiß | Sa., 8. Mai 2021 - 18:47

Ein interessanter Einblick in die Corona-Situation im bald bevölkerungsreichsten Land der Erde. Nach den Erfahrungen mit dem Krisenmanagement hierzulande sieht man die dortige Lage etwas demütiger.

Reinhold Schramm | Mo., 10. Mai 2021 - 08:33

Antwort auf von Karl-Heinz Weiß

Die große Mehrheit der 1,3 Mrd. Menschen lebt in einem feudalen Kastensystem [heute 600 Millionen Menschen pro Kopf und Tag weniger als 1,7 Euro]. Auch der im Westen verehrte Gandhi hatte nicht die Absicht zu seiner Überwindung beizutragen. Gandhi selbst ein Privilegierter des historischen Unrechts, der Diskriminierung und Ausbeutung der unteren sozialen Schichten und Klassen Indiens. Eine Öffnung für sozialen Aufstieg bleibt – mit westlich gesponserten Ausnahmen – bis heute verwehrt.

Bemerkenswert ist die widerstandslose Beugung der Entrechteten im 21. Jahrhundert, trotz Bollywood-Gehirnwäsche, Hochtechnologie und Atomwaffen.

Akademiker aus höheren Kasten und Klassen, die in Europa und Amerika studierten, haben keinerlei Interesse am Massenelend etwas zu verändern, profitieren ihre Familien und Kinder doch davon.

Auch Indien bedarf im 21. Jahrhundert eines sozialrevolutionären Jugendwiderstands gegen das feudale Kasten- und Klassensystem, einen Befreiungskrieg!

Abgesehen des letzten Absatzes bin ich absolut Ihrer Meinung.

In 1982 haben wir dieses cineastische Monumentalwerk in Kino gesehen; Ben Kingsley war super - ein Oscar!

Das Problem: 3 h 11 m!
2/3 der Zuschauer waren eingeschlafen!
Chrrr - chrrr .....

Tochtern lebt in UK, London.
Dort sind komplette Viertel fest in indischer, hinduistischer Hand - expansiv!

Christa Wallau | Sa., 8. Mai 2021 - 22:12

gibt es viel zu viele Menschen, die von der Hand in den Mund leben.
Sie haben nur die Wahl zwischen der möglichen Erkrankung an Corana oder Verhungern.
Daß man die Zustände dort nicht mit denen bei uns vergleichen kann, dürfte jedem klar sein.

M. E. gibt es nur ein Rezept für die Bekämpfung der Armut in der Welt: Strikte Geburtenkontrolle!
Zwei Kinder höchstens!
Aber an dieses heikle Thema wagt sich niemand heran. Warum?
Aus Fatalismus oder Unvernunft oder Angst vor dem Eingriff in die Selbstbestimmung der Menschen?

Die Chinesen hatten mit letzterem keine Probleme, so wie sie es mit Freiheitsrechten ganz allgemein nicht haben. Offenbar ist dies ein Erfolgsmodell, jedenfalls für Mega-Staaten (Großmächte).
Freiheitsrechte gedeihen nur in überschaubaren und relativ homogenen Einheiten mit hochentwickelter Wirtschaft, wie z. B. den europäischen Staaten, Kanada und Australien, die sich nicht ohne Grund strikt gegen unkontrollierte Einwanderung sträuben.

Was hat das Leid der Menschen in Indien jetzt wieder mit Migration, dem Lieblingsthema der AfD zu tun?

Zur Erinnerung: In Indien starben die Menschen zuletzt im Minutentakt an den Folgen von Corona.

Und eine AfD-Propagandistin spricht von "unerwünschter Immigration".

Und ein Herr Hoecke setzt beim letzten AfD-Parteitag eine Resolution durch, wonach es gar keine Pandemie gibt. Alles sei nur "herbeigetestet".

Das sollte man mal den Menschen in Indien erzählen.

Wäre aber wahrscheinlich ein schwacher Trost.

Danach sollte die gesamte AfD in Sack und Asche gehen....

In Minutentakt sterben, in Sekundentakt Neugeborene. Hinzu von Geburt bis zur Bahre in einer Kaste lebend & ca.2/ 3 Analphabeten. Genaue Zahlen, nur Gooött weiß. Islamische Frauen ein tik geburtenfreundlicher. Hygiene!?Taxifahrer zum Airport verrichtete ohne Händewaschen sein großes Geschäft im Schnittgerinne.
Aber die MACHT (egal ob religiös oder weltlich)verdient sich damit eine GOLDENE NASE. Die effizienteste Gelddruckmaschine. Zum großen Teil Steuerfrei.
Noch ein paar Kinderaugen ... zur Schau gestellt & schon leuchten die Augen von Donalt Duck & seine Erben der Macht & des Geldes. In Afrika übrigens das gleiche Spiel. Kennen wir ja bereits. Und Werte Regierungs-Herren, auch die Urvölker von Australien, Zentralafrika, Nord-& Südamerika sind nicht so gebildet, aber haben eine Geburtenkontrolle & würden niemals ihre letzten Bäume abholzen. Jedenfalls egal ob Corona, Flüchtlingspolitik &&&,
euch geht es NICHT um Liebe, Hilfe, Wissensvermittlung oder Barmherzigkeit, euch geht es nur ..

Arne Zinner | Sa., 8. Mai 2021 - 22:51

Vielleicht kann man den Tsunami etwas abmildern, indem die indische Bevölkerungszahl gegen die deutsche ins Verhältnis gesetzt wird! Dann kommen nämlich genausoviel Tote pro Tausend Einwohner heraus wie bei uns - nur daß sie anschließend nicht öffentlich verbrannt werden. Daß auch Cato dieser Panikmache anhängt ist neu.

Ernst-Günther Konrad | So., 9. Mai 2021 - 07:55

Indien hat lt. Wiki 1,366 Mill. Einwohner, 2/3 leben in Armut und leben in Slums, unter katastrophalen Bedingungen, einem überforderten Gesundheitssystem. In Indien sterben die allermeisten Menschen infolge Unter- oder Mangelernährung, fehlendem sauberen Wasser und Hygiene, und sterben deshalb auch schneller an Viren, Bakterien und Allgemeinerkrankungen. Wer im Kastensystem es sich leisten kann oder den Weg zu irgendeiner Impfung/Krankenhaus gegen was auch immer schafft, hat vielleicht ein längere Überlebenschance. "Die Stimmung ist unaufgeregt;" Warum? weil für den Inder das Sterben Teil des Lebens ist. Impfberechtigt, aber nicht verpflichtet!! "Selbst wenn man davon ausgeht, dass 40 bis 60 Prozent der Bevölkerung ihre Corona-Immunität inzwischen auf natürlichem Weg erworben haben, also über eine Infektion mit anschließender Genesung,..." Aha. Herdenimmunisierung rettet also auch vor schweren Verläufen. Wer bei uns versucht Indien mit anderen zu vergleichen will manipulieren.

Heidemarie Heim | Mo., 10. Mai 2021 - 10:03

Das klingt für mich ehrlich gesagt utopisch. Und das ganze landesweit, ob in einem entwickelten Zentrum oder überspitzt gesagt im Dschungel. Wenn ich mir die hiesige Impfkampagne im Detail anschaue, die zu spät getroffenen Entscheidungen der Beschaffung, der Mangel an Weitsicht und die auf 16 Bundesländer verteilten dysfunktionalen Logistikstrukturen von der Terminvergabe bis zur Impfung, und dies bei einem Bruchteil der Bevölkerungsanzahl Indiens, kann ich wirklich nicht beurteilen, bei wem eine Impfkampagne besser oder schlechter gelaufen wäre. Man stelle sich vor, die deutsche Regierung müsste mit den bisher ebenfalls mangelhaften Mitteln nicht nur uns, sondern ganz Europa durchimpfen, während gesamt Europa im Lockdown vom Home-Officer bis
zum Angestellten, Arbeiter usw. ohne staatliche Unterstützung irgendwie über die Runden kommen müsste und nebenbei versucht an eine Impfung zu kommen. Anbei noch religiöse und politische Massenveranstaltungen, hätten wir andere Zustände? MfG