Raketenangriff auf Israel aus dem Gaza-Streifen / dpa

Terror gegen Israel - Widerwärtig, aber effektiv

Am Wochenende hat die islamistische Hamas eine Terroroffensive gegen Israel gestartet. Neben dem Angriff auf bestimmte Ziele lag der Schwerpunkt auf der Gefangennahme von Menschen. Doch warum wurde diese Operation ausgerechnet jetzt durchgeführt?

Autoreninfo

George Friedman, 74, ist einer der bekanntesten geopolitischen Analysten der Vereinigten Staaten. Er leitet die von ihm gegründete Denkfabrik   Geopolitical Futures  und ist Autor zahlreicher Bücher. Zuletzt erschien „Der Sturm vor der Ruhe: Amerikas Spaltung, die heraufziehende Krise und der folgende Triumph“ im Plassen-Verlag.

So erreichen Sie George Friedman:

Hamas-Kämpfer haben am Samstagmorgen einen terroristischen Großangriff auf Israel gestartet. Die Hamas ist eine islamische Gruppierung mit engen Verbindungen zum Iran, der angeblich ihre Hauptfinanzierungsquelle ist. Damit unterscheidet sie sich von der Fatah, die von Ägypten unterstützt wird, eher säkular eingestellt ist und offenbar nicht an dem Anschlag beteiligt war.

Die meisten arabischen Länder stehen dem Iran feindselig gegenüber und werden daher die Hamas nicht unterstützen, und zwischen Saudi-Arabien und Israel laufen Verhandlungen zur Normalisierung der Beziehungen. Ägypten steht der Hamas feindselig gegenüber, obwohl diese den Gazastreifen beherrscht. Als die Hamas 2008 vom Gazastreifen aus Raketen auf Israel abfeuerte, behaupteten US-Republikaner, dass kurz vor dem Angriff amerikanische Hilfsgelder an die Hamas geflossen seien. Ähnliche Vorwürfe wurden bereits gegen die Regierung Biden erhoben, weil sie im Rahmen eines Gefangenenaustauschs Gelder an den Iran freigegeben hatte.

Die Komplexität des Nahen Ostens

Dies ist nur ein kleiner Teil der Komplexität des Nahen Ostens und der Politik, die mit den Ereignissen dieses Wochenendes verbunden ist. Es handelte sich nicht um einen spontanen Angriff, sondern um eine äußerst komplexe Operation, bei der Luft- und Raketenangriffe, Marinelandungen und groß angelegte Infanterieangriffe sorgfältig koordiniert wurden.

Warum wurde sie ausgerechnet jetzt durchgeführt? Ich kann nur spekulieren, dass der Iran die zunehmende Zusammenarbeit arabischer Länder wie Saudi-Arabien mit Israel beobachtete und befürchtete, von dem entstehenden System ausgeschlossen zu werden. Die Spannungen zwischen arabischen Sunniten und iranischen Schiiten – eine grundlegende Spaltung im Islam – sind beträchtlich, und die sich wandelnden arabischen Beziehungen zu Israel mussten gestört werden.

Daher der Angriff, in der Annahme, dass eine brutale israelische Antwort unvermeidlich sein würde, zusammen mit der US-Hilfe für Israel, die die Araber beschämen würde. Es ist alles zweifellos viel komplexer als das, und viele arabische Sunniten wollen nichts mit einer Normalisierung der Beziehungen zu Israel zu tun haben, aber das ist eine vernünftige Erklärung dafür, warum der Anschlag jetzt geschehen ist.

Kinder als menschliche Schutzschilder

Neben dem Angriff auf bestimmte Ziele lag der Schwerpunkt auf der Gefangennahme von Menschen, insbesondere von Kindern. Man geht offenbar bei Hamas davon aus, dass die Israelis nicht zurückschlagen und die Tötung israelischer Geiseln riskieren würden. Die Israelis haben behauptet, dass die Hamas israelische Kinder in Gebieten, in denen ein Angriff wahrscheinlich stattfinden würde, an Pfähle gekettet hat. Die Gefangennahme und das Einsetzen von Kindern als menschliche Schutzschilder ist widerwärtig, aber effektiv.

 

Mehr zum Thema:

 

Bevor wir Israels Reaktion erörtern, müssen wir uns mit dem israelischen Geheimdienst befassen, der als Weltklasse gepriesen wird, aber sein größtes Versagen seit fast genau 50 Jahren erlebt hat, als Israel gleichzeitig und überraschend von der ägyptischen Armee vom Suezkanal und von der syrischen Armee von den Golanhöhen aus angegriffen wurde. Diese Angriffe sollten die Israelis schockieren und sie zu völlig ungeplanten Aktionen zwingen, um ihre Kräfte zu spalten und ihre Fähigkeit, den Angriffen zu widerstehen, zu schwächen.

Ein Ergebnis auf der Kippe

Die Angriffe wurden abgewehrt, und die Gegenoffensiven waren schließlich erfolgreich, aber das Ergebnis stand auf der Kippe. Die israelischen Streitkräfte erholten sich schnell vom Versagen des Geheimdienstes, der die Bedrohung nicht erkannt hatte. Tatsächlich hatte der israelische Geheimdienst Einblick in einen großen Teil der Planung und Vorbereitung des Angriffs, die zahlreiche Treffen und elektronische Kommunikation erforderte, welche abgefangen werden konnten. Die Israelis hatten auch Zugang zu Fotos von Panzerverbänden, und der Nachrichtendienst registrierte wachsende Aktivitäten und Aufregung auf den Flugplätzen. Aber die Israelis verstanden nicht, was die gleichzeitigen Aktivitäten in Ägypten und Syrien bedeuten könnten.

Das Hauptproblem waren die Analysten. Analysten müssen alle Daten aufnehmen, um eine Schlussfolgerung daraus zu ziehen. In vielen Fällen entwickeln die Nachrichtendienste jedoch eine Analyse, die ursprünglich auf Fakten beruht, versäumen es aber, sie zu aktualisieren, wenn neue, widersprüchliche Fakten einfließen. Die Analyse wird sakrosankt, und die Prognose bleibt unverändert.

1973 bereiteten sich die Ägypter und die Syrer offensichtlich auf etwas vor, aber das bestehende Konzept der Israelis – das besagte, dass keiner von beiden mit seiner derzeitigen Ausrüstung und Ausbildung einen Krieg beginnen würde – bestimmte ihr Verständnis der Ereignisse. Jede Geheimdienstorganisation kämpft mit ihren Konzepten. Nur wenige haben Erfolg. Bei den Geheimdiensten ist die Liebe der Menschen zur Stabilität tödlich.

Hat Russland dies ausgelöst?

Offenbar ging man diesmal davon aus, dass die Hamas und insbesondere ihre iranischen Gönner in Verhandlungen mit verschiedenen Mächten verwickelt sind und versuchen, mit Hilfe des iranischen Atomprogramms gewinnbringende Beziehungen zu knüpfen. Offensichtlich war diese Analyse falsch, und ich frage mich, ob ein Fünkchen Intelligenz oder das Konzept die Analysten antrieb.

Ich vermute Letzteres, weiß es aber nicht, denn Israels offizieller Standpunkt ist, dass es das Versagen der Geheimdienste untersuchen wird. Ich bezweifle, dass es einen vollständigen Bericht veröffentlichen wird. In der Zwischenzeit bleibt das derzeitige Team im Amt. Es gibt eine Menge Geheimdienstinformationen zu verarbeiten, und es könnte ein langer Krieg werden, aber das ist ihre Entscheidung. Wie alle Kriege ist auch dieser ein nachrichtendienstlicher Krieg – die Nachrichtendienste setzen die Truppen in Bewegung.

Ich möchte mit der offensichtlichen Frage schließen: Hat Russland dies ausgelöst, um die amerikanische Aufmerksamkeit von der Ukraine abzulenken? Meine Vermutung ist: nein. Russland pflegt Beziehungen zu vielen Ländern, darunter auch Saudi-Arabien, die diesen Krieg nicht gewollt haben. Einen Krieg in der Annahme zu beginnen, dass die USA abgelenkt werden, könnte Russland zum Verhängnis werden, und sein Ansehen ist schon ramponiert genug.

In Kooperation mit

GPF

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.

Armin Latell | Mo., 9. Oktober 2023 - 12:37

offensichtlichen Frage? "Hat Russland dies ausgelöst, um die amerikanische Aufmerksamkeit von der Ukraine abzulenken?" Das ist so lächerlich wie die Behauptung, die Russen hätten NS II gesprengt. Ablenkung der Amerikaner? Die führen doch überall Kriege (oder lassen sie führen), davon existieren sie ja geradezu.

Christa Wallau | Mo., 9. Oktober 2023 - 14:17

Antwort auf von Armin Latell

diesen speziellen Nah-Ost-Konflikt zu beenden, w e n n sie denn wirklich den Willen dazu besäßen. Ebenso wie es den Amerikanern möglich gewesen wäre, den Ukraine-Krieg zu verhindern.
Sie WOLLTEN den Krieg nicht (expressis verbis), aber sie wollten a u c h keinen (relativ) gesicherten Frieden; denn sonst hätten sie sich gegenüber Putin in dessen Anfangsjahren anders verhalten und nicht ihre wirtschaftlichen Interessen über den Erhalt des Friedens stellen dürfen.
Wer Frieden will, muß dem Gegenüber auf Augenhöhe begegnen. Mit gegenseitiger Achtung fängt jede gute Beziehung an. Wer sich nicht in die
Gefühle, Empfindlichkeiten u. Interessen des Anderen hineinversetzen kann oder will, der wird es nie schaffen, auf Dauer mit ihnen in Frieden zu leben.

Hinzu kommt noch etwas Schlimmes:
Wenn es dann tatsächlich doch einmal auf beiden Seiten vernünftige Politiker gibt, die sich um echten Frieden bemühen, werden sie von Hetzern und Hassern umgebracht. Man denke nur an Yitzak Rabin!

Jost Bender | Mo., 9. Oktober 2023 - 13:32

Immer wieder kann man sich bei 'Analysen' v GPF neben Fehldiagnosen (wie vor dem Ukrainekrieg) & abwegigen Perspektiven (wie bei dem Gefasel von westl. Angriffs-Szenarien auf Russland: "Hauptangriffslinie auf Russland ist die nordeuropäische Tiefebene") über erratische Sätze & im Deutschen eigentl. unsinnige semantische & syntakt. Konstrukte wundern. Braucht Ihr Hilfe bei der übersetzung, o. sind die Texte so untauglich wie sie scheinen, oder was läuft da nicht?
Bsp: "ob ein Fünkchen Intelligenz oder das Konzept die Analysten antrieb", "Die Analyse wird sakrosankt, und die Prognose bleibt unverändert", "Bei den Geheimdiensten ist die Liebe der Menschen zur Stabilität tödlich"
Man weiß, worauf er hinauswill & hat den engl. 'Originalton' unweigerl. vor Augen, aber 'ne gute Übersetzung ist das nicht. - & dann gibt's noch die Erratik, der keine Übers. abhilft: "Ich möchte mit der offens. Frage schließen: Hat Russl. dies ausgelöst, um die amerik. Aufmerksamkeit[...] M. Vermutung ist: nein"

Romuald Veselic | Mo., 9. Oktober 2023 - 14:16

ändern, solange diese Org existiert, samt der führenden Verbrecher u Schlachter die sich in den überfüllten Wohnhochhäuser verstecken. Gaza-Stripe ist die arabische Variante v Nordkorea, wo Willkür und Terror nach innen herrschen, samt Todesstrafe für alles.

Die ganzen Pali-Medien, ist nur ein Abklatsch von "Der Stürmer" u die Protagonisten denken wie Julius Streicher bis Joseph Goebbels hindurch. Es sind Klone der KZ-Ärzte.

Für mich ist der sog. Pali-Widerstand/Befreiungskampf nur übles Kryptonym für blanken Terror, der nach 1967 mit den zahlreichen Flugzeugsentführungen begann. Alles auf Hass u Rache getrimmt, als wäre dies ortsbezogene Kulturpflege u Folklore. Einfach widerwärtig.

Wie ist das möglich, dass ganze Generationen - s. 1948 dem Flüchtlingsstatus unterliegen? Wer hat sich dies ausgedacht?

Warum Araber in den drum herum Staaten, integrieren die Palis - auch Araber - bis dato nicht? Woran liegt das? Oder ist "haram" darüber zu reden?

Henri Lassalle | Mo., 9. Oktober 2023 - 14:23

und Kenntnissen hat der Vorfall nichts mit Russland zu tun. Sehr erstaunlich ist das Nachlassen der Vigilanz seitens der Israelis, zumal das nicht enden wollende Palestinenserproblem jeden Augenblick hochfahren kann, wie jetzt.

Wilfried Düring | Mo., 9. Oktober 2023 - 16:26

'Seit dem Osloer Friedensvertrag (1993) flossen unglaubliche 8,3 Milliarden Euro des europäischen Steuerzahlers in palästinensische Gebiete.' Das berichteten gestern die Kollegen von Tichys Einblick in einem lesenswerten Beitrag. Nicht enthalten in diesem Betrag sind die sogenannten 'Hilfsgelder' der halben Welt an das UNRWA, dem sogenannten 'Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten' - einer judenfeindlichen, mörderischen Tarnorganisation. '... Eine Analyse von Facebook-Profilen von Lehrern und Rektoren von UNRWA-Schulen ergab, dass dort Hitler als großartiger Führer gefeiert wird ...'. (Zitat: BolscheWiki-Pedia !). Es ist unbestreitbar - DEUTSCHES Geld hat mitgeschossen! Ehemalige und amtierende Finanz- und Außenminister müßten voller Scham SOFORT zurücktreten - Steinmeier, Scholz, Baerbock! Ja, auf seine 'Werte' kann dieser Westen wirklich stolz sein. Hat sich Juso-'Führer' Kevin zu den Pogromen seiner mißratenen 'Brüder' eigentlich schon geäußert?

Reinhold Schramm | Mo., 9. Oktober 2023 - 21:25

Die feudal-religiösen Familienclans und fürstlichen Herrscher werden niemals freiwillig auf einen größeren Anteil ihres gewaltigen Raubvermögens verzichten; ebenso wenig, wie sie auch nicht dazu bereit wären, Flüchtlinge und Migranten aus den Ländern und Armutsregionen der islamischen Welt aufzunehmen.

Es ist wohl kaum zu erwarten, dass die feudal-religiösen und sozialpolitischen Glaubensgemeinschaften, wie die Hamas und Hisbollah, einen sozialpolitischen Befreiungskampf gegen ihre Milliarden schweren Finanziers richten werden; nicht gegen die Oligarchen der Golfmonarchien und ebenso wenig gegen die Milliarden schweren feudal-religiösen Familienclans der Mullahs im Iran.

Beides wäre aber eine wesentliche Voraussetzung für die Überwindung des feudal-religiösen Aberglaubens und für die einzige zukünftige Alternative: eines gemeinsamen und gleichberechtigten, einheitlichen palästinensisch-israelischen Staates im Nahen Osten.

Klaus Funke | Di., 10. Oktober 2023 - 13:06

Mossad, der angeblich beste der Welt? Ich mach mir einen anderen Reim drauf. So schrecklich und verbrecherisch das alles ist, man hat es gewusst. Und es kam de USA gerade recht, denn die sich nähernde Niederlage in die Ukraine muss vertuscht werden. Was eignet sich da besser als eine noch größere Schweinerei? Die Augen der Welt schauen nach Israel und eben nicht in die Ukraine. Was kann gelegener kommen. Ich glaube in dieser bösen Welt nicht an Zufälle, schon gar nicht an unvorhergesehene. Jetzt wird der Netanjahu erst einmal die Palästinenser eliminieren, und zwar radikal. Inzwischen ist entweder der Selensky heimlich ausgetauscht worden oder man wird sich still und leise verpissen, denn die US-Wahlen und damit Trump rücken immer näher. Nee Leute, wer an Zufälle glaubt, der glaubt auch, dass der Scholz nichts vom Wegsprengen der Nord-Stream-Rohre gewusst hat. Also, bitte in Zusammenhängen denken, egal, was Mr. Friedman so orakelt...