Israelischer Luftangriff auf Hamas-Ziele in Gaza / picture alliance

Hamas-Attacke gegen Israel - Israel wird mit Krieg reagieren – um Abschreckung zu erzwingen

Wie vor 50 Jahren gelang Israels Feinden ein Überraschungsangriff. Auch vor der jetzigen Hamas-Attacke, hinter der Iran steckt, waren die Israelis zu unaufmerksam und widmeten sich ganz ihrer Staatskrise. Nun wird die Armee hart zurückschlagen.

Autoreninfo

Rafael Seligmann, Jahrgang 1947, ist Historiker, Journalist und Schriftsteller. Er lehrte an der Ludwig-Maximilian-Universität Strategie und Sicherheitspolitik. In Kürze erscheint sein Buch „Brandstifter und Mitläufer. Hitler, Putin, Trump“ im Verlag Herder.

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„Ein Jude darf nicht so dumm sein, sich zwei Mal hintereinander betrügen zu lassen“, lautet ein launiger Spruch in Zion. Doch genau das ist den Israelis soeben durch die großangelegte Terroroperation der Hamas aus dem Gaza-Streifen geschehen. Vor Tagen gedachte man im jüdischen Staat noch des Jom-Kippur-Krieges vor exakt einem halben Jahrhundert. Damals hatten sich die Israelis als militärisch unverwundbar empfunden. So nahm man in Jerusalem und Tel Aviv die Kriegsvorbereitungen der Armeen Ägyptens und Syriens nicht ernst. Regierungschefin Golda Meir und Verteidigungsminister Dayan ließen sich weder durch die Hinweise des Auslandsnachrichtendienstes Mossad noch durch eine eindringliche Warnung des jordanischen Königs Hussein aus ihrer Arroganz reißen. Der militärische Geheimdienst Aman versagte komplett. Man wollte den politischen Entscheidungsträgern gefallen und gab Entwarnung: Israel sei seinen Feinden derart überlegen, dass sie es nicht wagen würden, Zion anzugreifen.

Am 6. Oktober 1973 belehrten die Invasionsheere Syriens und Ägyptens Israel eines Anderen. Ihr Überraschungsschlag kostete fast 2.700 israelische Soldaten das Leben. Es folgte ein langwieriger, verlustreicher Krieg.

Im Jahre 2023 waren die Israelis erneut zu selbstsicher und zu unaufmerksam. Sie meinten, es sich erlauben zu können, über Monate hinweg eine Staatskrise über eine Justizreform zu zelebrieren. Wöchentlich protestierten Hunderttausende gegen die Regierung – oder für sie. Dabei hatte es nicht sein Bewenden. Tausende Reservisten, Elektronikspezialisten und Kampfpiloten verweigerten ihren Reservedienst. Doch Israels Verteidigungsarmee Zahal baut auf eben jene Reservestreitkräfte und speziell deren Eliteoffiziere auf. Aus Anlass des zurückliegenden Jom-Kippur-Krieges erschienen zahllose Artikel und Sendungen, die das Überraschungsmoment und die Sorglosigkeit der eigenen Truppe und Regierung von einst zum Inhalt hatten.

 

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Unterdessen bereitete die Hamas-Untergrundorganisation ungestört ihren Überraschungsschlag vor. Der Aman-Abwehrdienst machte sich nicht einmal die Mühe, mittels Drohnen und Luftüberwachung das Geschehen im Gazastreifen exakt aufzuzeichnen und zu analysieren. Verteidigungsminister Galant hielt sich noch vor Tagen zu Waffenverkaufs- und politische Gesprächen in Deutschland auf. Die Reservisten wurden, trotz Hinweisen auf einen größeren Angriff der Hamas – wie 1973 nicht alarmiert. Wie vor einem halben Jahrhundert wurden die wenigen israelischen Soldaten entlang des Grenzzauns von der Wucht des arabischen Angriffs überrumpelt. Wenige tausend Reservisten und einige Dutzend Kampfpanzer hätten ausgereicht, die israelische Bevölkerung vor angreifenden Hamas-Kämpfern auf Mopeds, unterstützt von einigen Bulldozern und Pickups, zu schützen. Doch diese Abwehrkräfte Zions fehlten. So gelang es den Hamas-Trupps, israelische Zivilisten, aber auch Soldaten, zu töten und einige als Geiseln in den Gazastreifen zu verschleppen.

Hinter der Hamas und dem Terror steht Iran

Der großangelegte Angriff der Hamas ist indessen nur ein Bauer auf dem politischen Schachbrett des Nahen Ostens. Die islamistische Organisation wird vom iranischen Mullah-Regime getragen, militärisch ausgerüstet und ausgebildet. Das Kriegsgerät, einschließlich Raketen – in den ersten Stunden der Attacke wurden mehr als 2.500 militärische Flugkörper aus Gaza auf israelische Städte und Siedlungen abgefeuert – stammt weitgehend aus Iran oder wird nach iranischen Bauplänen produziert. Die Waffen werden über die ägyptische Halbinsel Sinai nach Gaza geschmuggelt. Teheran verkündet unverbrämt seine Absicht, Israel zu vernichten. Es passt den Mullahs nicht, dass sich Zion anschickt, nach den gemäßigten Golfstaaten, auch Frieden mit der zentralen Macht Saudi-Arabien herzustellen. Also lässt Teheran seine Hamas-Vasallen Israel attackieren. Iran müht sich hinter den Kulissen, auch die weit mächtigere schiitische Hizbollah-Miliz in Libanon Israel aus dem Norden attackieren zu lassen. Es wäre ein Zangenangriff wie vor 50 Jahren, der Zion in existentielle Not bringen würde.

Israel konnte bislang eine relative Ruhe an seinen Grenzen gegenüber Hamas und Hizbollah vor allem dank der Abschreckungsmacht seiner Luftwaffe und der Panzerverbände sicherstellen. Diese Glaubwürdigkeit steht nach dem gelungenen Überraschungsangriff der Hamas auf dem Spiel. Daher ist in den nächsten Tagen mit vernichtenden Schlägen der israelischen Luftwaffe auf militärische Einrichtungen der Hamas im Gazastreifen zu rechnen. Die Hamas, der islamische Dschihad und andere Terrorgruppen installieren ihre militärischen Einrichtungen, zum Beispiel Raketenstellungen, Waffenfabriken, militärische Ausbildungsstätten bewusst in der Nähe von sozialen Zentren: Schulen, Krankenhäuser, Kindergärten, Wohnhäuser. Wenn die israelische Luftwaffe angreift, geschieht dies meistens mit Vorwarnung. So haben auch Hamas-Kämpfer Zeit, sich in Sicherheit zu bringen. Opfer, auch unter der Zivilbevölkerung, sind dennoch fast unvermeidlich. Dann setzt das altbekannte „Spiel“ ein: Die Solidaritätsadressen mit Israel werden abgelöst von Ermahnungen, „Rücksicht“ auf die Zivilbevölkerung zu nehmen und „Verhältnismäßigkeit“ zu wahren. Das ist bei terroristischen Angriffen fast unmöglich – wie jeder weiß.
Israel wird sich zunächst nicht von einer vernichtenden Militäroffensive gegen die Hamas abbringen lassen. Geschähe dies nicht, würde sich die Hizbollah – auch sie will Israel vernichten – veranlasst sehen, ebenfalls den jüdischen Staat anzugreifen.

Nach einer Weile wird sich Israel genötigt sehen, seine Gegenoffensive aus Rücksicht auf die Beziehungen zu den arabischen Nachbarn, speziell Ägypten und Saudi Arabien einzustellen. Aber auch wegen der öffentlichen Meinung in den demokratischen Staaten – wo man „Frieden“ um fast jeden Preis durchsetzen will, vor allem durch Beschwichtigung. Auf diese Weise fühlen sich Hamas, andere Terrorganisationen und menschenverachtende Regime wie Iran, Nord-Korea, Russland ermutigt, ihren permanenten Krieg gegen die Demokratien fortzusetzen.

 

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Christoph Kuhlmann | So., 8. Oktober 2023 - 10:25

Wie schnell verdrängt der Mensch die Kriegsgefahr. In Europa, wie in Israel. Krieg ist böse. Also müssen auch die Menschen, die zur ständigen Bereitschaft zum Krieg drängen, böse sein. Dass sie das in vielen Fällen tun, um den Frieden zu wahren, erscheint ja auf den ersten Blick paradox. Und doch wurden in der Geschichte die Mehrzahl der Länder, die zur Selbstverteidigung nicht in der Lage waren, unterworfen. Auch ist es oft nicht so einfach festzustellen, ob ein Angriff vielleicht ein Präventivschlag sein könnte und im Grunde der Verteidigung dient. Aber wer denkt schon gerne in den Kategorien von Zwang und Tötung? So entstehen die Tabuzonen, die man auch als Zusammenbruch der kollektiven Vernunft bezeichnen könnte. Viele Menschen greifen gerne auf vorgefertigte Sprachschablonen zurück. Das geht schneller und reduziert den intellektuellen Aufwand. Ich nehme an, in Israel sind diese Sprachschablonen noch intakt und historisch weniger vorbelastet. Insofern, viel Erfolg.

Naumanna | So., 8. Oktober 2023 - 10:32

"Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende." Das Zitat stammt von dem Preußen Ferdinand von Schill, der im Jahr 1809 einen Aufstand gegen den Eroberer Napoleon mit diesen Worten anführte. Zwar scheiterte er und fiel im Straßenkampf in Stralsund - aber seine Worte sind heute noch populär. 1813 erhebt sich Preußen endlich und Napoleon wird besiegt.
Zwar haben die Hamas nicht viel mit Napoleon gemein, außer dem Willen zur Eroberung fremder Territorien - aber es ist wohl so, aggressive Angreifer kann man nicht durch Verhandlungen und Beschwichtigung zum Einhalten bringen, man muss sie besiegen. Ein für alle Mal.

Ernst-Günther Konrad | So., 8. Oktober 2023 - 10:40

Es wird wohl nie Frieden geben. Der Hass ist über Jahrtausende in die Festplatte dieser Völker eingebrannt und scheint nicht auslöschbar. Und wieder wird sich das gleiche Prozedere abspielen. Die einen überfallen, die anderen wehren sich. Nun also wieder ein neuer Krieg. Tote, Verletzte, Verschleppte, Leid und Schrecken in der Bevölkerung. Hüben wie drüben. Und die Palästinenser lassen sich ein ums andere Mal willfährig benutzen und werden zum wievielten Male eine Generation an den Krieg verlieren und für was? Der Iran stichelt und zieht von hinten die Fäden und die Palästinenser bringen die Opfer. Und das Ausland wird die gleichen mahnenden Worte finden, wie eh und je. Und in D dürfen die Judenhasser ihren Hass ungezügelt ausleben, durch Demonstrationen öffentlich dem Angriff huldigen. Und grüne Politiker holen immer mehr diesen Judenhasser ins Land. Aber wir stehen fest an Seite Israels, naja so ein bisschen fest, naja wen es denn nach außen hin sein muss, ach nicht so wirklich.

Da werden sie wieder deutlich, die AfD-Methoden. Sich als Freund der Juden zu präsentieren, wenn es gerade passt. Schliesslich gibt es doch die "Juden in der AfD", ein Grüppchen mit gerade mal 20 Mitgliedern, von denen kaum einer in der Vergangenheit als Vertreter für die jüdische Sache auffiel.

Es ist unerträglich, wenn auf deutschen Straßen der menschenverachtende Überfall auf Israel gefeiert wird. Das muss, im Rahmen geltenden Rechts, unterbunden werden.
Nur empören sich am lautesten mal wieder jene, die besser schweigen würden.
Die, so ein Hoecke, verurteilen, dass bei Hitler immer nur das Schlechte gesehen wird. Die in ihren Verschwörungstheorien - wenn auch oft hinter vorgehaltener Hand - den Juden Sorros und andere jüdische Kreise für den "Great Reset" oder andere Verschwörungstheorien verantwortlich machen. Die den Herren Friedmann und Schuster oder einer Frau Knobloch am liebsten den Mund verbieten würden. Die in manchen KZ-Gedenkstätten Hausverbot haben.

Pfui Deibel.

Maria Arenz | So., 8. Oktober 2023 - 11:02

Israel "zelebriert keine Staatskrise" über eine Justizreform, Israel HAT eine handfeste Staatskrise. Die Staatskrise ist die Folge einer von Anfang an fehlenden Verfassung, die ein MInimum an Checks & Balances für den geordneten Ausgleich des Machtgefälles zwischen Mehrheit und Minderheiten garantiert, Richtern des obersten Geirchtshofs, die dieses Vakuum unter Mißachtung des Gebots der "judicial self restraint" zur Ausweitung ihrer Macht mißbraucht haben und zwar in eine Richtung, die ein infolge ihrer überproportionalen Reproduktionsstärke immer größerer Teil der Bevölkerung nicht mehr hinzunehmen bereit ist. Daß diese Richtung unseren westlichen Medien besser gefällt, ändert nichts an der Berechtigung des Zorns über die Anmaßung demokratisch nicht legitimierter Richter, die sich immer öfter über Entscheidungen des Parlaments hinweggesetzt haben. Diese Staatskrise ist allerdings keine Entschuldigung dafür, daß Armee und Geheimdienst offenbar ihren Job nicht gemacht haben.

Gerhard Weißenberger | So., 8. Oktober 2023 - 11:16

Während Israel und Deutschland auf großkalibrige Abwehr setzen, z.B. Iron Dome, setzen die Terroristen auf billige, aber effektive Masse.
Große Kaliber können höchstens aus dem Iran kommen, aber der lässt lieber die Hamas für sich arbeiten, um nicht den israelischen Gegenschlag zu provozieren.
Hundert Gepard an der Grenze hätten genügt, um das Schlimmste zu verhindern. Aber Deutschland schwelgt seit zwanzig Jahren in Abrüstungsträumen und fährt nicht nur die Rüstungsindustrie in den Boden.

Gerhard Fiedler | So., 8. Oktober 2023 - 12:24

was Sie da zum Krieg in Israel schreiben. Aber lassen Sie bitte bei diesem Krieg Russland und Nord-Korea aus dem Spiel. Das ist wiederum ein anderes Thema, wo ganz andere Dinge eine Rolle spielen, z. B. die Rivalität zweier Großmächte. Und bezüglich der von Ihnen so hoch gepriesenen Demokratien sind große Fragezeichen angebracht, sogar in unserem Land Deutschland. Denken Sie doch bloß an die USA, die trotz Demokratie menschenverachtende Kriege in der Welt anzetteln, z. B. an den im Irak mit einer erlogenen Begründung. Selbst beim Ukrainekrieg haben die USA keine weiße Weste. Wer hat denn 2014 oder noch früher mit der Nato-Osterweiterung die Weichen zu diesem Krieg gestellt? "Wer ohne Schuld ist, werfe den ersten Stein!" lauten die Worte Jesu. Doch nun wünsche ich dem Land Israel ein baldiges Ende des Schreckens und endlich dauerhaften Frieden.

Christoph Schnörr | So., 8. Oktober 2023 - 12:32

Die Ampelregierung ebenso wie Merkel und die EU sind mit schuld, durch jahrelange Finanzierung dieses Terrors. Die deutsche Regierung lässt fanatische Anhänger des islamischen Terrors, teilweise importiert in den letzten Jahren, auf deutschen Straßen tanzen, anstatt diesen Mob als Konsequenz sofort abzuschieben. Wehe dem, der "Freunde" wie Scholz und seine Genossen hat, die "unverbrüchlich an Israels Seite stehen".

Helmut Bachmann | So., 8. Oktober 2023 - 12:46

Wirklich für die Freiheit einzustehen, ist aus der Mode gekommen. Solange man in der romantischen Verklärung der Buntiwelt leben kann. Bis es dann irgendwann zu spät ist.

Jens Böhme | So., 8. Oktober 2023 - 13:48

Wenn Terroristen oder Regierungen Staaten überfallen, sollte man nicht mit dem Finger auf den Überfallenden zeigen. Das ist so schäbig, wie vergewaltigten Frauen die Schuld an der Vergewaltigung anzudichten.

Albert Schultheis | So., 8. Oktober 2023 - 14:44

Dass der Iran nicht gerade freundlich gesinnt ist gegenüber Israel und dass die Mullahs augemachte Despoten im eigenen Land sind, das kann man nachvollziehen, selbst dass sie "hinter der Hamas" stehen dürfte bekannt sein, aber dafür dass sie hinter diesem Terrorangriff stünden, ihn also mitorganisiert haben, das sind bisher unbewiesene Behauptungen. Man will wohl den Iran - gerade jetzt während Russland in der Ukraine gebunden ist - unbedingt angreifen, um dem Land einen entscheidend vernichtenden Schlag zu versetzen! Und das geht aufgrund der Distanz nur mit der Atombombe! Zur konventionellen Bombardierung a la Dresden fehlen den Israelis die Mittel. Deshalb, Herr Seligmann, hören Sie auf, Öl ins lodernde Feuer zu gießen. Ich stehe absolut hinter massiven Maßnahmen der Israelis, jegliches Potential für eine Aggressivität der Hamas auf die nächsten 100 Jahre zu vernichten - aber einen atomaren Angriff auf Teheran: Nein! Das stünde in keinem vernünftigen Verhältnis mehr.

Der böse Herr Seligmann gießt also Öl ins Feuer, wenn er auf Iran verweist, der den Krieg gegen Israel mit Geld, Waffen und Training schon seit Jahrzehnten schürt, auf widerlichste Weise, und das immer wieder bekundet hat, dass es Israel vernichten will. Israel sollte lieber abwarten, bis Iran es noch mehr angreift? Dann möglichst final und mit Nukearwaffen. Stünde das für Sie in vernünftigem Verhältnis?

Armin Latell | So., 8. Oktober 2023 - 15:41

gehören absolut Israel, das jedes Recht hat, sich zu verteidigen, bzw. seine Todfeinde selbst zu vernichten. Unerträglich die folgenlosen Freudensbekundungen hier in der dummländischen "Demokratie" über die getöteten Israelis. Auch gegen den Iran wird man sich endlich etwas Nachhaltiges einfallen lassen müssen. Den Schlusssatz, dass Russland ermutigt werden würde, seinen permanenten Krieg gegen die Demokratien fortzusetzen, hätte sich der Autor absolut sparen können. Russland braucht keine Ermutigungen, sich zu verteidigen, genauso wenig wie Israel.