Polnischer Staatspräsident Andrzej Duda / picture alliance

Machtkampf in Polen - Streit um begnadigte PiS-Minister

Staatspräsident Duda hat zwei frühere Geheimdienstchefs begnadigt. Was nach einem Erfolg der PiS-Proteste aussieht, ist eigentlich ein Rückschlag sowohl für Kaczynski als auch Duda. Denn diese können nun nicht mehr die Litanei von den „politischen Gefangenen des Regimes Tusk“ wiederholen.

Autoreninfo

Thomas Urban ist Journalist und Sachbuchautor. Er war Korrespondent in Warschau, Moskau und Kiew. Zuletzt von ihm erschienen: „Lexikon für Putin-Versteher“.

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Mit Spannung wartete das politische Warschau auf die Eröffnung der Sejm-Sitzung an diesem Donnerstag. Würden der frühere Innenminister Mariusz Kamiński und sein langjähriger Stellvertreter Maciej Wąsik mit Unterstützung von Abgeordneten der nationalpopulistischen Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) versuchen, den Plenarsaal zu betreten – obwohl Sejm-Marschall Szymon Hołownia noch am frühen Morgen ein weiteres Mal erklärt hatte, dass deren Mandate erloschen seien, weil sie rechtskräftig als Straftäter verurteilt worden sind? Hingegen hatte am Vorabend Präsident Andrzej Duda genau das Gegenteil erklärt, nachdem er die beiden früheren Kabinettsmitglieder und Geheimdienstchefs im Präsidentenpalast empfangen hatte.

Entgegen den Erwartungen ließen sich Kamiński und Wąsik zur Eröffnung der Sitzung nicht blicken. Doch sie sind nun in den Fokus des Machtkampfs zwischen der neuen proeuropäischen Koalitionsregierung unter Donald Tusk und dem Präsidenten geraten. Obwohl der neue Justizminister Adam Bodnar davon abriet, hatte Duda am Dienstag Kamiński und Wąsik begnadigt; offenkundig sieht er sich als Sachwalter der Interessen der PiS, die nach acht Jahren an der Regierung im Oktober von den Wählern in die Opposition geschickt wurde. Die beiden Schützlinge Dudas waren vor zwei Wochen in einer spektakulären Aktion in dessen Abwesenheit im Warschauer Präsidentenpalast von der Polizei festgenommen worden. Am Dienstagabend kamen sie aus der Untersuchungshaft frei, bejubelt von Anhängern der PiS, auf deren Liste beide im vergangenen Herbst in den Sejm gewählt worden waren.

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Gerhard Lenz | Fr., 26. Januar 2024 - 09:24

gehandelt, aber politisch wohl ein Eigentor erzielt. Das allerdings nur momentane Auswirkungen haben dürfte. Duda versucht verzweifelt, die Reste des Kacyznski-Regimes zu schützen. Dass er damit das Vertrauen in die Politik und den Rechtsstaat weiter beschädigt, dürfte ihn nicht interessieren. Bis zur nächsten Wahl ist noch viel Zeit, in der sich Tusk & Co. bewähren müssen. Es bleibt abzuwarten, ob die Abwahl der Rechtsnationalisten tatsächlich eine Rückkehr zu demokratischen Prinzipien darstellt, und ob man von Cliquenwirtschaft, dumpfen Parolen und katholischer Bevormundung endgültig die Nase voll hat.

Populisten haben bekanntlich leichtes Spiel.

Ernst-Günther Konrad | Fr., 26. Januar 2024 - 11:17

Korruption, Einflussnahme auf behördliche Entscheidungen, gelenkte Justiz und allmächtige Politiker, die sich aufschwingen über dem Gesetz zu stehen. Erinnert mich an Deutschland. Krimineller Kanzler, korrupte Ministerien u.a. Habeck und Konsorten, gekaufte und bestellte Vertreter in Behörden und staatliche Gremien. Vetternwirtschaft Graichen usw. Wir brauchen gar nicht nach Polen schauen, wir sind keinen Deut besser.

Dorothee Sehrt-Irrek | Fr., 26. Januar 2024 - 12:54

beginnender "Bürgerkrieg" in Polen, wobei ich allerdings über die Kennzeichnung der regierenden Koalition als "liberal-konservativ" stolpere.
Ich vermute eher ein Auseinanderbrechen der Koalition und Neuwahlen, als dass wirklich Polen gegen Polen aufstehen...
Wäre dieser 3. Weg vergleichbar einer Verbindung von Grünen und Freien Wählern hier und wenn ja, welche Aussichten auf dauerhafte Zusammenarbeit gibt es?
Herr Urbans Artikel liest sich evtl. ein bisschen wie "High Noon", "Zwölf Uhr Mittags"?
Sind die Verhältnisse in Polen derart aufgewühlt?
Interessant finde ich auch das Verhältnis von Tusk und Morawiecki. Die beiden kennen sich?