Steffen Mau und Wolfgang Merkel / Antje Berghäuser

Streitgespräch - Wie zerrissen ist die Gesellschaft?

Zeigt sich ein Trend zur Polarisierung? Oder ist die vielbeschworene Spaltung nur eine Chimäre? Das kommt auf die Perspektive an. Im Streitgespräch analysieren der Makrosoziologe Steffen Mau und der Sozialforscher Wolfgang Merkel den Diskurszustand unserer Gesellschaft.

Porträt Mathias Brodkorb

Autoreninfo

Mathias Brodkorb ist Cicero-Autor und war Kultus- und Finanzminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Er gehört der SPD an.

So erreichen Sie Mathias Brodkorb:

Steffen Mau ist Professor für Makrosoziologie an der Humboldt-Universität Berlin. 2021 erhielt er den Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Sein aktuelles Buch „Triggerpunkt. Konsens und Konflikt in der Gegenwartsgesellschaft“ ist 2023 bei Suhrkamp erschienen. 

Wolfgang Merkel war Direktor der Abteilung „Demokratie und Demokratisierung“ am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Zuletzt ist von ihm „Im Zwielicht. Zerbrechlichkeit und Resilienz der Demokratie im 21. Jahrhundert“ bei Campus erschienen. 

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Kurt Janecek | So., 26. November 2023 - 15:12

Eigentlich war und ist unsere Gesellschaft seit es den Leuten wieder gut geht, nach dem Krieg, gespalten.
Christdemokraten, Liberale und Sozialisten teilen die Gesellschaft untereinander in ungleichgroßen Gruppen auf.
Um so mehr Parteien sich in DEs Parlamente tummelten um so angriffslustiger waren die Kontrahenten. Auch wurden die Angriffe nach allen Seiten immer unverschämter obwohl sich, auch z.B. die AfD zu den Grünen nur in Nuancen unterscheiden.
Z.B.: die AfD will die Zuwanderung kontrollieren (ähnlich SPD und CDSU), die Grünen wollen ganz offene Tore.
Die Grünen wollen den Klimawandel mit brachialen Mitteln erzwingen, die AfD mit vernünftiger Technik und sich auf die Erwärmung des Klimas vorbereiten.
Die einen wollen die Vernunft durch "hohen Brandmauerbau" ausgrenzen, die Anderen bedienen sich der Vernunftvorschläge der AfD und verkaufen sie für die ihre.
Was soll man dazu noch sagen.
Der politische Streit ist ein Streit um die Macht, um die Fleisch- oder Kohltöpfe.

Hans-Hasso Stamer | So., 26. November 2023 - 16:23

"Aber man muss schon staunen, dass eine nervöse Republik an der Frage explodiert, wie Heizungen umgestellt werden."

Das ist wohl die Untertreibung des Jahres. Wo leben diese beiden Herren? Eine neue Gasheizung kostet 10.000 €, eine Wärmepumpe ist im Betrieb kaum billiger (wahrscheinlich teurer), kostet mit notwendiger Samierung 200.000 € Und das sollen Rentner mit 700 € Rente bezahlen, die nur deshalb überleben können, weil sie nicht Miete zahlen müssen? Schlimmer: es ist nur ein Geschäftsmodell für Profiteure, es nutzt nicht mal dem Klima!

Die Politik ist weit von der Realität entfernt (und wie man hier sieht, auch die Wissenschaft), dass es so wenig Relismus gibt wie in den Endzeiten der DDR.

Dem Villenbesitzer mit Fußbodenheizung kann das allerdings egal sein. Der hat schon seit Jahren eine große PV – Anlage auf dem Dach und niedrige Stromkosten und freut sich über die Subventionen. Das sind übrigens keine weithergeholten Beispiele, sondern welche aus meiner Nachbarschaft.

Jürgen Rachow | So., 26. November 2023 - 16:37

...ist Soziologenpalaver ein Buch mit sieben Siegeln, nach dem Motto: kann sein, kann aber auch ganz anders sein. Nichts mit Erkenntnisgewinn.

Markus Michaelis | So., 26. November 2023 - 16:49

Man kann Dinge, "richtig" betrachtet, immer wegdefinieren. Aber prägende Teile der Gesellschaft haben kaum ein höheres politisches und moralisches Motiv als eine Branmauer nach Rechts - aber über 20% wählen Rechts und irgendwas Richtung 50% würden Rechts nicht absolut und kategorisch ausschließen. Ist das keine Spaltung?

Die letzten Jahre ist es auch relativ leicht geworden durch unbedachte Themen- und Ausdruckswahl ein Gespräch oder gar eine Beziehung zum Abbruch zu bekommen - ist das keine Spaltung?

Durch Migration stellen sich gesellschaftliche Fragen: gerade prominent, dass der Islam einerseits als hohes Ziel zu Deutschland gehört. Andererseits finden sich dort Standpunkte, wie jetzt zu Israel, die mit anderen bisher alternativlosen Sichtweisen kollidieren. Es gibt viele solche Themen. Ist das keine Spaltung?

Mehr Menschen als früher wenden sich ab - erwarten nicht mehr soviel von anderen, wollen aber auch nur begrenzt beitragen. Ist das keine Spaltung?

Ich würde das ernst nehmen.

Christoph Kuhlmann | So., 26. November 2023 - 19:14

Sie sind eine Minderheit der westlichen Welt, welche die Welt belehren möchte, eine Minderheit der islamischen Welt, die ein globales Kalifat errichten möchten. Beide prägt das Sendungsbewusstsein und der eingebildete Elitarismus. Beide maßen sich wesentlich mehr Macht an, als ihnen zusteht. Dort wo sie die Macht ergreifen, hat das Volk zu leiden, während ihre Schicht ein Vielfaches verbraucht, als sie denen gönnen, denen sie selbst aufopfernden Altruismus predigen, um dann Urlaub auf Bali zu machen, oder in ihren Palästen zu leben. Sie sind eine besondere Form der Dekadenz, von höchst eingeschränkter Glaubwürdigkeit, die das Ende einer Kultur einleitet, wenn sie nicht erfolgreich bekämpft wird. Es ist heute selbstverständlich soziale Beziehungen in alle Welt haben zu können, nicht selbstverständlich ist es, die biologische und kulturelle Reproduktion eines Volkes erst dem schnöden Mammon zu opfern und den Rest an die Feinde der eigenen Kultur zu verschenken.

Joachim Datko | So., 26. November 2023 - 19:23

Meine Erfahrung:
Ich war früher bei uns in linken Kreisen wie der Fisch im Wasser unterwegs. Meine abweichende politische Meinung habe ich unaufdringlich geäußert.

Mit der Gründung der AfD wurde ich aktiver AfD-Sympathisant und war in der Folgezeit bei Infoständen und Demos auf der AfD-Seite gut zu sehen.
Ehemalige linke Freunde und Bekannte gingen schnell auf Distanz. Daher zog ich mich zurück. In den letzten Jahren habe ich bei zufälligen Begegnungen nur noch auf Entfernung mit leichtem Kopfnicken gegrüßt, ohne Interesse an einem Gespräch.

Aus dem links-grünen Bekanntenkreis sind nur relativ wenige Freunde übrig geblieben.

Ernst-Günther Konrad | Mo., 27. November 2023 - 08:13

Ich tendiere eher zur Meinung des Herrn Mau. Herr Merkel ist mir nach wie vor in dem "alten Denken" verhaftet, recht, links, Mitte. Ich persönlich sehe diese strickte Einteilung längst nicht mehr. Man sieht es bei vielen Sachthemen, wo vermeintlich Linke, rechte Positionen vertreten und umgekehrt. Eine Mitte sehe ich maximal darin, dass noch zu viele schweigen, sich ihrem Schicksal ergeben bzw. resigniert haben und eben sich nicht mehr trauen, offen auszusprechen, was sie wirklich bewegt. Nicht wenige fühlen sich noch nicht so richtig von etwas betroffen. Herr Merkel vertritt die typische von der Regierung erwartete Haltung und sieht noch immer eine klare Einteilung, die es nach meiner Auffassung nicht mehr gibt. Herr au hat für mich einen wichtigen Aspekt erkannt und formuliert: "Genau das ist der Punkt. Es gibt gesellschaftliche Konflikte, aber die werden eher von oben erzeugt als von unten strukturiert." Ja, die meisten Probleme hat die Politik erzeugt und eben nicht die Bürger.

Albert Schultheis | Mo., 27. November 2023 - 09:53

Was die deutsche Nationalhymne fordert, ist zu einem aussichtslosen Sehnsuchts-Seufzer geworden.
Einigkeit kaputt, Recht bis ins Mark zerrüttet, Freiheit immer mehr in einen engen Laufkorridor gesperrt - und Vaterland existiert nicht mehr! Sogar der Begriff ist ausgemustert. Deutschland als Nation - Vergangenheit.
Die Zerrissenheit der Deutschen ist eklatant. Gerade haben sich die Eltern eines Freundes unseres Sohnes zu Besuch aus Deutschland angekündigt. Nicht ohne die eindringliche Bitte unseres Sohnes, der politisch mit uns auf einer Linie liegt, doch unbedingt politische Themen tunlichst auszusparen, "weil die es mit der Politik nicht so hätten". Er möchte unnötigen Zwist vermeiden. Wir kennen die Eltern, sind vernünftige, gebildete Leute, aber eben linksgrün angeschmuddelt durch jahrzehntelangen ZDF- und ARD-Drogenmissbrauch. Wir vermeiden mittlerweile Gespräche mit Deutschen, wo es irgend geht. Es ist sehr lästig, mit erwachsenen Menschen wie mit kleinen Kindern reden müssen!

Gerhard Lenz | Mo., 27. November 2023 - 17:19

im Grund schon viel früher. Und nicht nur in Deutschland.
Auf der politischen Bühne standen sich ein konservativer und ein sozialdemokratischer Block gegenüber. Die FDP war zu sozialliberalen Zeiten vielleicht mal eine Partei der Mitte, hat aber längst den Standort verändert und ist im Grund nicht mehr als ein wirtschaftspolitisches Unionsänhängsel.

Tatsächlich stärker geworden sind dagegen die Ränder. Rechtsausleger gab es früher in der Union, ausgesprochen Linke auch in der SPD, man nehme Erhard Eppler.
Diese Ränder haben sich emanzipiert, eigene Parteien gegründet und gleichzeitig radikalisiert. Ein Gauland war früher ein geachteter Konservativer; heute gilt der Ehrenpräsident der AfD als Hardcore-Rechtsaussen.
Mit der Radikalisierung und dem Versuch der Wählergewinnung wurden natürlich auch Ton und Ideologie schärfer. Und Extremisten fanden dort ihre politische Heimat. Wagenknecht war lange bekennende Kommunistin, Hoecke ist wahrscheinlich stolz auf seinen Ruf als Neo-Nazi.