Sparmaßnahmen des RBB - „Es gibt keine nachvollziehbare Erklärung“

Im Zuge von Sparmaßnahmen stellt der RBB mehrere Sendungen ein, darunter auch die Talkshow „Thadeusz und die Beobachter“. Im Cicero-Interview spricht Moderator Jörg Thadeusz über den falschen Blick auf Zuschauer, die Folgen des Skandals um Patricia Schlesinger und die Gründe für die Absetzung seiner Sendung.

„Die Führung hatte sich vom Endprodukt entfremdet“: Jörg Thadeusz / dpa
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Autoreninfo

Felix Huber studiert Politikwissenschaften an der Freien Universität Berlin.

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Jörg Thadeusz ist Journalist, Schriftsteller, Radio- und Fernsehmoderator. Seit sieben Jahre moderiert er die Talksendung „Thadeusz" und seit 2013 die politische Gesprächssendung „Thadeusz und die Beobachter. Letztere wird vom RBB im Rahmen drastischer Sparmaßnahmen ab 2024 eingestellt.

Herr Thadeusz, wie haben Sie die schlechten Nachrichten vom Aus Ihrer „Beobachter“ aufgenommen?

Das ist natürlich kein angenehmes Gefühl, und ich bin sehr traurig darüber, dass der RBB die Sendung zum Jahr 2024 absetzen wird. Andererseits finde ich es auf eine melancholische Weise schön, wie viele Menschen unsere Sendung mögen. Ich hätte niemals damit gerechnet, dass wir so viele Fans haben. Ich bin schon auf der Straße angehalten worden, weil mir ein süddeutscher Spitzenpolitiker sagen wollte, wie sehr ihm die Sendung in Stuttgart fehlen wird. Also an der sehr peripheren Peripherie unseres Sendegebiets.

Sie sind zufrieden mit Ihrer Arbeit?

Meine Idee von „Thadeusz und die Beobachter“ kommt aus den USA und orientiert sich an den dortigen politischen Talkshows. Ich habe mich damals gefragt: Warum haben die einen solchen Spaß, wenn es um Politik geht? Und warum müssen bei uns immer nur Spielverderber sitzen, die böse gucken und sich vor allem als unfehlbar wahrnehmen? Die „Beobachter“ haben bewiesen, wie gut Leichtigkeit auch bei uns geht. Selbst bei gewichtigen Themen. Und, ganz wichtig: Wir haben keinen Zweifel daran gelassen, wenn wir genau so ahnungslos waren wie alle anderen auch. Den „Klar hab ich Corona“-Scherz über das mexikanische Bier gab es auch bei uns, am Anfang der Pandemie. Diesen haben wir mehrere Monate später wieder gezeigt, um zu dokumentieren, dass wir manchmal auch nur eine große Klappe haben.

Wie erklären Sie sich denn das Ende ihrer Sendung?    

Muss ich mir nicht erklären, denn es gibt keine nachvollziehbare Erklärung. Ich bin nur vorsichtig, wenn mir Verantwortliche sagen, wie sehr sie meine Arbeit schätzen. Das ist ein ähnlicher Anfang vom Ende wie die legendäre „Auszeit“, die sich Eheleute oder sonstwie Verbandelte voneinander nehmen. Die Sendung lief 2022 im zehnten Jahr ihres Bestehens besser als je zuvor. Wir hatten im vergangenen Jahr einmal sogar eine Quote von 9,2 Prozent, das ist spektakulär für das RBB-Spätabendprogramm. Wir haben eine Marke erschaffen, und das gelingt dem RBB nicht durchgehend.

 

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War Ihre Sendung zu teuer?

Nein, überhaupt nicht. Die Sendung ist eher günstig. Gesprächsfernsehen ist generell immer recht günstig. Auf diesem Gebiet müsste der RBB eigentlich eher investieren und den Goldstandard für politisch wirklich gute Gesprächsformate setzen. Anders als die anderen Sender hat der RBB immer wieder etwas probiert. Die erste Sendung von „3 nach 9“ lief im Jahr 1974, da liegt also die Ursprungsidee ein ganzes Erwachsenenleben zurück. Wir waren da immer wieder experimentierfreudiger. Ich werde nie vergessen, wie unser Regisseur Daniel Berlin angeregt hat, wir sollten mal eine richtig übermütige Weihnachtssendung machen. Haben wir gemacht. Da gab es in der RBB-Talkshow „Dickes B“ ein Krippenspiel, in dem Rolf Eden die Jungfrau Maria und der Gigant Robert Harting das Jesuskind war.

Reden wir also über den Sender: Wie dramatisch ist die Lage im RBB?

Ich kenne die genauen Zahlen nicht, aber es wurde offensichtlich nicht wünschenswert gewirtschaftet. Natürlich ist der ganze Sender aktuell in Aufruhr, und die Atmosphäre ist sehr unangenehm. Als viele freie Mitarbeiter des RBB gestreikt haben, hat mich das gleichzeitig geärgert und traurig gemacht. In den ersten Reihen auf den Bildern standen nur anständige Leute, die ich kenne. Maskenbildner, Tontechniker und andere, die einen teilweise außergewöhnlichen Job machen. Der RBB ist kein Schmuddelsender, und dort machen sich ganz sicher nicht lauter Nassauer die Taschen voll. Die überwältigende Mehrheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter macht sehr seriöse Arbeit.

Patricia Schlesinger selber fordert jetzt monatlich rund 18.000 Euro Ruhegeld.

Ich würde sie gerne fragen, ob sie stolz darauf ist, was sie und ihre Leute mit dem Sender gemacht haben. Patricia muss das letztlich mit ihrem Gewissen vereinbaren können, ob ihr diese Summe zusteht, von der die Maskenbildnerin im Ruhestand einen Bruchteil bekommt. Patricia kann sehr mitreißend sein. Sie ist eine wortgewandte Frau, die eigentlich über den Tellerrand hinaus gucken kann. Ist für mich immer noch überraschend, wie die im Champagnerkelch absaufen konnte. Umringt von Berliner Schickimickis.
 
Wo liegen denn die generellen Probleme im Sender?

Die Führung hatte sich vom Endprodukt und unseren Stärken entfremdet. Da reden Technokraten über Strukturen und gefallen sich in einem höfischen Zeremoniell. Dabei läuft es eigentlich ganz anders. Wenn die passenden Leute beieinander sind, wird Fernsehen das, was es ein soll, also ein großer Spaß. Ich war sehr stolz, unter der Intendantin Dagmar Reim zu arbeiten, denn die war nicht nur eine tolle Chefin, sondern auch noch journalistisches Vorbild. Ich habe dem RBB insgesamt viel zu verdanken und bei RadioEins eine fantastische Zeit gehabt. Das konnte wohl nicht für immer prächtig bleiben. Der aktuelle Fernsehchef, Jens Riehle, hat oft schlecht hinter meinem Rücken über mich geredet. Aber bis heute noch kein einziges Wort mit mir. Wer in der Hierarchie aufsteigen will, braucht nicht unbedingt Verdienste. Geduld reicht manchmal.

Wie wirkt sich diese Entfremdung auf die Inhalte aus?

Ich habe eine große Abneigung gegen eine klischeehafte Vorstellung vom Zuschauer. Mir wurde oft gesagt, dass „der Brandenburger“ irgendetwas nicht möchte. Im Staatstheater in Cottbus erlebe ich in der Reihe „Brandenburgische Gespräche“, wofür sich die Menschen in dieser Region nicht alles begeistern lassen. Passt ganz sicher nicht in eine einzige Schublade.  

Welche Aufgabe hat denn der RBB?

Wir haben eine klare Haltung als öffentlich-rechtlicher Rundfunk. Diese habe ich nicht aufgeschrieben, aber ich habe mich daran gehalten – und dafür oft Probleme bekommen. Es geht um Inhalte, es geht um eine Position zwischen den Stühlen und darum, so klug zu sein, wie es diese Region verdient. Wir sind in der Hauptstadt. In Cottbus bauen sie einen Science-Park auf, in dem sich Spitzenforscher um Zukunftsthemen kümmern. Da kann es sich der RBB gar nicht erlauben, ein Programm von und für Gurkengemüter zu sein.

Wie sehr hat das Programm diese Ansprüche erfüllt?

Wir bringen mit Sendungen wie „Die Beobachter“ Bildung zu den Leuten, das sage ich als Mensch ohne Uni-Abschluss. Fernsehen kann klüger machen. Mindestens den Blick weiten. Eine streitbare Moderatorin wie Sophie Passmann passt auch richtig gut in einen RBB, den ich mir vorstelle. Natürlich ist es nicht schlecht, wenn man in Geschichte so weit aufgepasst hat, dass klar ist, in welcher historischen Kulisse wir uns befinden. In der Stadt, in der sowohl die Gestapo als auch die Stasi ihr Zuhause hatten, würde ich kein Verhörzimmer bauen lassen. Der großartige Fritz- und RadioEins-Erfinder Helmut Lehnert hat immer wieder gesagt: Wer wenig Geld hat, der braucht viele Ideen.

Wer ist für die aktuelle Krise verantwortlich?

Wir haben uns die aktuellen Geschehnisse selber zuzuschreiben. Wir lassen Menschen Entscheidungen über Dinge treffen, die sie im Kern gar nicht interessieren. Ich bin verantwortlich für mein Programm und werde im Getränkemarkt angesprochen, aber ich saß nicht nur nie im Audi von Patricia Schlesinger, sondern darf nicht einmal auf dem Gelände parken. Die Leute, die sich die Karriereleiter hochsitzen, haben es selbst dann noch sehr kuschelig, wenn sie riesige Fehler machen.

Wie muss die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Fernsehens aussehen?

Wir müssen an öffentlich-rechtliche Qualitäten erinnern und immer wieder über den Rand schreiben. Kurzurlauber kommen nicht nach Berlin, damit sie es schön ruhig haben. Sie wollen übertreiben. Warum sollten gerade wir also die größte Stadt des Landes geistig verzwergen? Wir dürfen uns nicht vor Brillanz fürchten. Denn Proleten, die sich in irgendeinem Sommerhaus niveaulos zoffen, gibt es ja schon.

Werden wir „Thadeusz und die Beobachter“ auf einem anderen Sender wiedersehen?

Wir reden momentan mit vielen Leuten und mehreren Interessenten. Mir geht es vor allem darum, dass diese Art des politischen Gesprächsfernsehens nicht ausstirbt. Wir haben eine Marke erschaffen. Eine Sendung wie die Beobachter ist einzigartig, und Berlin ist der richtige Ort für die Produktion solcher Sendungen.

Das Gespräch führte Felix Huber.

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