Petz-Portale voll im Trend - Die größte Lump*in im ganzen Land

Petz-Portale wie die „Meldestelle Antifeminismus“ liegen bei Regierenden und NGOs voll im Trend. Denn wer braucht schon demokratische Mehrheiten, wenn er Spitzel hat? Greenpeace erklärt die Petze jetzt sogar zur „MeldeheldIn“. Erich Mielke wäre stolz.

Szene aus dem Stasi-Film „Das Leben der Anderen“ / picture alliance
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Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

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Es gibt ein schönes Merchandise der Band Rammstein, das ich einst auch mein eigen nennen durfte, dann aber verlegt habe. Ein T-Shirt mit dem Logo der Band am Ärmel: Vorne steht „Manche führen“ und hinten „Manche folgen“. Eine geniale Idee, streichelt sie doch die deutsche Seele wie kaum eine zweite. Denn der Deutsche folgt gern, das hat das vergangene Jahrhundert eindrücklich bewiesen. Und dann ist dem Deutschen auch fast egal, wem er folgt, solange ausreichend viele Leute mitmachen, um sich einreden zu können, dass man nun ebenfalls auf dem richtigen Weg sei. 

Ein Land, dem es gelingt, von einer faschistischen direkt in eine kommunistische Diktatur überzugehen, weiß halt, was es will: dem Herdentrieb frönen. Ein bisschen hat es dann aber immerhin gedauert. Die Mauer fiel und die freien Neunziger hielten Einzug in Land und Köpfe. Und Sie und ich gaben uns der schönen Illusion hin, dass selbst die Deutschen gelernt haben dürften aus ihrer Vergangenheit. Wenigstens insofern, dass das ein oder andere Alarmsignal rechtzeitig anspringt, wenn sich abzeichnet, dass irgendwas aus demokratischer Perspektive gerade in Schieflage gerät.  

Die Wahrheit ist: Mittlerweile marschieren nennenswerte Teile der Bevölkerung wieder mit, schließlich gilt es, die Welt zu retten vor viren- oder klimabedingten Apokalypsen – und mit ihr auch mindestens 72 Geschlechter. Es ist keine Mehrheit, die da mitmarschiert. Aber um demokratische Schieflagen zu befördern, reicht es eben aus, die richtigen Leute an den richtigen Stellen zu installieren und in der öffentlichen Wahrnehmung aus einer Minderheitenmeinung – Simsalabim! – eine Mehrheitsmeinung zu zaubern. Mit freundlichen Grüßen an Teile meiner Zunft. 

Der neue heiße Scheiß

Links, rechts, links, rechts, das ist der Takt, der die Mitläufer- und Blockwartrepublik am Marschieren hält. Nur blöd, dass dann doch nicht jeder Lust hat, sich den Genossen von Woko Haram und irgendwelchen Klimasekten anzuschließen. Aber ein guter Gefolgsmann wäre freilich kein guter Gefolgsmann, wenn er nicht auch gewisse Ideen entwickeln würde, wie man den einen oder anderen Delinquenten auf Linie bringt und notfalls ein bisschen mit Dynamit fischt, falls eine Forelle zu viel trotzdem beschließen sollte, nicht konsequent mit dem Strom zu schwimmen. Die Digitalisierung machts möglich. 
 

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Musste man früher noch ellenlange Berichte über das Nachbarstreiben an der Schreibmaschine tippen, in Umschläge stecken und irgendwo in einer dunklen Gasse an den Verbindungsoffizier seines Vertrauens übergeben, reicht heute ein Smartphone samt Internetzugang, um über irgendein Petz-Portal einerseits Onkel Rüdigers IM-Tradition fortzusetzen und andererseits die eigenen Defizite, meist intellektueller Natur, zu kompensieren.

Kein Wunder also, dass Meldestellen neben allgemeiner Angstmacherei der neue heiße Scheiß sind im Kampf der Guten und Gerechten gegen alles Ungute, Ungerechte und Überlästige wie Anstand, Bürgerrechte und Meinungsfreiheit. Auch und gerade deshalb, weil es in Sachen zeitgeistiger Firlefanz – der Berliner „Klimaentscheid“ hat das eindrücklich gezeigt und die Umfragewerte der Ampelkoalition sprechen für sich – eben nicht reicht für demokratische Mehrheiten für die eigenen gutgemeinten Ideen. Und das macht nicht wenige Leute, die von der großen Transformation in sämtlichen Bereichen träumen, stinksauer.  

Der Volkserzieher des Jahres 2023

Bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt, denkt sich deshalb der Volkserzieher des Jahres 2023. Und gerade Einschüchterung ist ein altbewährte Gewaltinstrument, mit dem dauerhaft gelingen kann, was sich in aktuellen Umfragen schon abzeichnet: dass ein großer Teil der Bevölkerung sich nicht mehr traut, seine Meinung zu sagen – aus Angst vor Repressionen. In gewissen Milieus ist das überaus willkommen, weil dadurch eine gesamtgesellschaftliche Atmosphäre entsteht, in der sich die Menschen leichter herumkommandieren lassen. Man muss nur das eine oder andere Exempel statuieren und schon steigt die Zahl der Leute, die fürchtet, sie könnten die nächsten sein – und deshalb lieber den Mund halten.

Dass die Ampelkoalition bei den Petz-Portalen mit gutem Beispiel vorangeht, versteht sich von selbst. Denn die Anhänger der Grünen tendieren immer schon dazu, den Volkserziehungsauftrag wirklich ernst zu nehmen. Lisa Paus hat es jüngst vorgemacht mit ihrer „Meldestelle Antifeminismus“, für die die Bundesfamilienministerin mit Anetta Kahane eine verdiente Veteranin des Volksmeldewesens und mit ihrer Amadeu-Antonio-Stiftung eine verlässliche Instanz für den Kampf gegen anti-woke Umtriebe rekrutiert hat. Es ist nicht die erste und es wird auch nicht die letzte Meldestelle sein, die die „Demokratie der Lemminge“ voranbringen soll, weil die große sozial-ökologische Transformation – die bei näherer Betrachtung weder sozial noch ökologisch ist – eben ganz oben steht auf der Prioritätenliste der Bessermeinenden. 

Auch die Umweltorganisation Greenpeace hat sich jetzt ein Denunziantenportal gebastelt – und ist da supermächtig stolz drauf. Der allesentscheidende Grund laut Greenpeace: „Gastronomie muss Mehrweg-Alternativen für das Mitnehmen von Speisen und Getränken anbieten. Doch setzt sie es um? Fast-Food-Ketten und Lieferdienste fielen bei der Recherche besonders negativ auf.“ Schreck lass nach! Da schickt man die Praktikantin zum Veggie-Wurst-Laden um die Ecke und dann bietet der nicht den gewünschten Service an. „Pfui!“, sag ich. Und im Sinne der Roten Königin aus „Alice im Wunderland“: „Ab mit ihrem Kopf!“  

Du bist jetzt MeldeheldIn, Lea-Sophie

Dieses Kopf-ab lässt sich dank Greenpeace nun ebenfalls via Smartphone organisieren. Das ist so einfach, dass es sogar auf dem Lastenrad funktioniert. Eine Hand am Lenker, die andere am iPhone. Und so angenehm, weil man nicht einmal die Eier haben muss, jenen Leuten, die man für meldepflichtig hält, unter die Augen zu treten. Da hatten es andere Spitzel der bundesrepublikanischen Geschichte deutlich schwieriger. Wie der Stasi-Typ in „Das Leben der anderen“ und die vielen Vorbilder für diesen Charakter. Und so gehts bei Greenpeace mit der Spitzelei: Internetseite aufrufen, auf das Formular klicken, Name und Adresse des Delinquenten eintragen, Verstöße ankreuzen – fertig.

Doch weil auch Greenpeace weiß, dass der größte Lump – pardon, die größte Lump*in – im ganzen Land die Denunziant*in ist, hat sich die NGO in dem Zusammenhang für ein weiteres Instrument entschieden, das bei autoritären Geistern sehr beliebt ist: negative Vorgänge positiv benennen. Während der Corona-Pandemie hat man aus Grundrechtseinschränkungen mal eben Gesundheitsschutz gemacht. Und Greenpeace erklärt die Denunziant*in jetzt zur „MeldeheldIn“.

Eine verdammt gute Idee, wenn Sie mich fragen. Das hilft der unterbeschäftigten Lea-Sophie ungemein dem hart arbeitenden Murat vom Döner-Imbiss um die Ecke auf den richtigen Weg in die CO2-neutrale Zukunft zu zwingen. Du bist jetzt eine MeldeheldIn, Lea-Sophie, hier deine Kiefernadel in Gold. Und nicht vergessen, das auch dem Malte und dem Thorsten und der non-binären Scarlet zu erzählen. Denn das Klima geht uns alle an! 

Zwischen Großraumbüro und Yoga-Kurs

Ja, so ist das im besten Deutschland, in dem wir jemals lebten (Frank-Walter Steinmeier). Die Bundesregierung lässt petzen, manch Bundesland lässt petzen, die Amadeu-Antonio-Stiftung lässt petzen, Greenpeace lässt petzen, alle petzen gemeinsam – und die Petzen selbst haben endlich wieder einen Sinn gefunden in ihrem ansonsten traurigen und so gar nicht lebenswerten Leben zwischen Hafermilch und Apokalypse. Letztlich ist das – würde man neudeutsch sagen – eine echte Win-Win-Situation. Außer für die Verpetzten freilich, aber die haben es auch nicht anders gewollt. Manche führen, manche folgen. Selbst schuld, wer nicht folgt. Und in der Hölle wischt sich Erich Mielke gerade ein Tränchen der Rührung aus dem Gesicht.

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