Streit um Ballermann-Hit „Layla“  - Auf dem Weg in den Neopuritanismus 

Anfang der Woche untersagte die Stadt Würzburg, den Ballermann-Hit „Layla“ auf dem Kiliani-Fest zu spielen. Die Begründung: Sexismus. Doch weder ist das Lied besonders sexistisch noch sonstwie anstößig – allenfalls etwas albern. Einmal mehr triumphiert dennoch eine Minderheit puritanischer Tugendwächter über die Mehrheit der Bürger, die einfach ihren harmlosen Spaß will. 

Auf dem Kiliani-Volksfest in Würzburg soll es nach Willen der Stadt schön gesittet zugehen / dpa
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Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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Zwischen dem zweiten und dem dritten Corona-Winter, inmitten eines brutalen Krieges mit Zehntausenden von Toten und angesichts der größten Wirtschaftskrise nach dem Zweiten Weltkrieg mit Inflation, Energieknappheit und Versorgungsengpässen, versäumen es politisch und moralisch sensible Gemüter nicht, uns auf die wirklich drängenden Probleme aufmerksam zu machen: den grassierenden Sexismus in der Schlagermusik. 

Stein des Anstoßes ist ein Ballermann-Kracher namens „Layla“, den vermutlich kaum jemand wahrgenommen hätte, wenn eine Provinzposse ihn nicht in den Fokus der medialen Aufmerksamkeit gerückt hätte. Anfang der Woche hat die Stadt Würzburg in ihrer Funktion als Veranstalter des Kiliani-Festes das Abspielen des Liedes auf dem Volksfest untersagt. Vorwurf: Der Song sei sexistisch. 

Geschrieben wurde das Lied von Michael Müller, der sich „Schürze“ nennt und seinen Ruhm einem gewonnenen Contest im „Bierkönig“ auf Mallorca verdankt. Dort arbeitet auch Robin Leutner, der unter dem Künstlernamen DJ Robin bei „Layla“ als Partner von Schürze fungiert. Kopf hinter dem Ganzen ist aber der Produzent Dominik De Léon, zusammen mit Matthias Distel (Künstlername Ikke Hüftgold) Gründer des Medien- und Event-Unternehmens Summerfield Group, dem wir unter anderem so wertvolle Kulturbeiträge wie den Sauf-Hit „Unten kommt die Gurke rein“ verdanken. 

Das Lied hat einen treibenden Rhythmus und einen eingängigen Chorus mit schlüssiger Akkordfolge

„Layla“ nun wurde Ende März veröffentlich und hat es über den Ballermann und die Bierzelte dieser Republik schließlich auf Platz 1 der Single-Charts gebracht. Musikalisch entspricht das Stück seinen Anforderungen. Doch Vorsicht! An dieser Stelle kulturkritisch herumzumäkeln, wäre verfehlt. Denn erstens wurde der Song nie für irgendeine Indie-Pop-Szene geschrieben. Zweitens ist das Lied nicht zum analytischen Hören gedacht, sondern zum Mittanzen und Mitgrölen ab mindestens 1,5 Promille.

Und drittens funktioniert das Stück auf dieser Ebene sehr gut. Es hat einen treibenden Rhythmus von etwa 140 bpm und einen einfachen, aber sehr eingängigen Chorus mit schlüssiger Akkordfolge. Es wundert daher nicht, dass der Song als einer der ganz wenigen des Genres das Ballermann- und Bierzelt-Milieu längst verlassen hat. Wenn sogar eine Szenegröße wie Alan Walker den Song spielt, muss das als popkultureller Ritterschlag gelten. 

 

Mehr aus der „Grauzone“:

 

Aber da gibt es noch unsere neopuritanischen Sittenwächter. Die stoßen sich an dem Text des Songs. Der handelt von einem Mann, der von einem Zuhälter angesprochen wird: Er habe einen Puff, und die überaus ansprechende „Puffmama“ heiße Layla: „Sie ist schöner, jünger, geiler, La-la-la-la-la-la-la-Layla“. Damit ist die Geschichte auch schon zu Ende erzählt. Der Rest des Songs beschwört in immer wiederkehrenden Schleifen die Vorzüge der Layla: „Die wunderschöne Layla, sie ist schöner, jünger, geiler, La-la-la-la, die wunderschöne Layla“. 

Nein, einen Lyrikpreis wird man damit kaum gewinnen. Auch eine hochreflektierte Ausdeutung der Geschlechterverhältnisse findet man hier nicht. Stattdessen wird mit eindeutig humorigem Unterton die körperliche Attraktivität der Prostituierten Layla gewürdigt. So what?  

Das Video zum Lied: Queerer geht’s nicht

Doch wo immer in diesem Land ideologischer Murks verzapft wird, steht garantiert ein Experte parat, der diesem Unsinn die Aura der Wissenschaftlichkeit verleiht und weltanschauliche Schützenhilfe leistet. So auch hier: „Natürlich ist das Lied sexistisch“, gab etwa Michael Fischer von der Uni Freiburg zu Protokoll. Aber warum eigentlich? Weil eine Frau als „schöner, jünger, geiler“ attribuiert wird?

Ok, jemanden „geil“ zu finden, ist sicher nicht Bildungssprache. Aber seien wir ehrlich: Menschen finden sich nun mal sexuell anziehend – vulgo: geil. Frauen finden Männer geil und Frauen finden Frauen geil, Männer finden Männer geil und Männer finden Frauen geil und was es sonst noch alles geben mag. Und ja, ein Stück weit wird der als geil empfundene Mensch damit zum Objekt. Das ist aber nicht sexistisch, sondern menschlich.

Denkt man diesen Ansatz konsequent zu Ende, wäre sexuelles Begehren an sich sexistisch (und vielleicht will man tatsächlich darauf hinaus). Noch absurder wird der Vorwurf, wenn man sich das Video zum Lied anschaut, das den Text ziemlich eindeutig ironisch kontextualisiert. Alles gipfelt darin, dass die angehimmelte Layla von einem Mann mit blonder Perücke dargestellt wird – queerer geht’s nicht. 

Nebenbei sind Textzeilen wie „schöner, jünger, geiler“ oder „das Luder Layla, unsre Layla“ sehr viel harmloser als zum Beispiel: „Dein Chick ist ’ne Broke-Ass-Bitch, denn ich fick sie, bis ihr Steißbein bricht“ (Kollegah) oder „Schlag dir die Zähne raus, man hört nur noch dein Fotzengeschrei, logge mich ein bei Instagram, es wird auf Story geteilt“ (Al-Gear). Aber beim Rap, so hört man dann aus den kultursensiblen Feuilletons, gehörten maskuline Posen, vulgäre Sprache und gewaltaffiner Habitus zur Protestkultur diskriminierter Minderheiten. So wird zweierlei Maß zur Norm. 

Vor allem aber offenbart der Umgang mit „Layla“ einmal mehr die neopuritanische Verhärtung und Humorlosigkeit, die sich wie Mehltau über dieses Land legt. Spätestens wenn verklemmten Feuilletonisten zu einer Debatte über Sexismus im Schlager aufrufen, weiß man, was die Stunde geschlagen hat. Nach Namen von Universitäten, Schulen und Straßen, Exponaten von Museen und Texten des literarischen Kanons werden nun auch Unterhaltungslieder der moralischen Visitation unterzogen. Die schöne, neue Welt, sie nimmt unaufhörlich Gestalt an. Bis dahin lasst uns feiern, so lange es noch geht. 

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