Kurz und Bündig - Carola Rönneburg: Mille Grazie!

«Nicht jeder Deutsche kennt einen Italiener, aber jeder hat einen. Ein solcher Italiener ist eine Pizzeria, eine Trattoria oder ein Ristorante – und wer über entsprechende soziale Kontakte verfügt, kann sogar mit einem Italiener zum Italiener gehen.» Die deutsche Italienliebe ist anschmiegsamer als jeder Gucci-Gürtel und zäher als jeder Mozzarellafaden, ja sie ist selber schon ein Klischee.

«Nicht jeder Deutsche kennt einen Italiener, aber jeder hat einen. Ein solcher Italiener ist eine Pizzeria, eine Trattoria oder ein Ristorante – und wer über entsprechende soziale Kontakte verfügt, kann sogar mit einem Italiener zum Italiener gehen.» Die deutsche Italienliebe ist anschmiegsamer als jeder Gucci-Gürtel und zäher als jeder Mozzarellafaden, ja sie ist selber schon ein Klischee. Die Begeisterung für alles Italie­nische und die Witze darüber gehören zum Selbstverständnis – dem filterkaffee­umdufte­ten Spiegelbild entkommt der Deut­sche eben am besten, wenn er den Italiener in sich nährt und das auch noch selbstironisch kommentieren kann. Aktueller Phänotyp dieser Geschmacksbildung: der viel belächelte Latte-Macchiato-Trinker. In «Mille Grazie!» ist Carola Rönneburg den Wurzeln des deutschen Italo-Fetischismus auf der Spur: Vom Olivenöl-Kauf über die Geschichte der Eisdiele bis hin zu den Kochbüchern der fünfziger Jahre, in denen die unbekannten Spaghetti noch grässliche fünfzehn Minuten (auf kleiner Flamme!) darben mussten – hier werden die Höhepunkte einer geschmacks­intensiven Kennenlernphase treffsicher zusammengefasst. Ausgangspunkt ist der 1955 unterzeichnete «Anwerbevertrag» zwischen der Bundes­republik und Italien, mit dem die ersten «Gastarbeiter» ins Land kamen. Dabei beschreibt Rönneburg nicht nur das gut Verdauliche dieser fünfzigjährigen Geschichte, sondern auch deren Schattenseiten: die Wohnbaracken der Wolfs­burger VW-Werke zum Beispiel, in denen italienische Arbei­ter lange Jahre untergebracht waren, ohne dass ihre Fami­lien nachziehen konnten. Neben dem historischen Wechsel zwischen Abstoßung (Knob­lauch) und Anziehung («Marina, Marina») kommt auch weniger Bekanntes zur Sprache: die Geschichte etwa eines Stuttgar­ter Boccia-Vereins, dessen Vorsitzender über Jahrzehnte hinweg die Freizeit seiner Landsleute organisiert hat. Anders als die verbreitete Vor­stellung vom luschigen Kugel-Geballer ist das Bocciaspiel eine ernste Angelegenheit mit kompliziertem Regelwerk und genormten Bahnen; Letztere stehen im olympiatauglichen Stuttgarter Bocciodromo (mit angeschlossenem «Pallino-Stüble») zur Verfügung. Rönneburg berichtet von dieser unspektakulären, aber doch aufschlussreichen Vereins­geschichte – und so erfährt man einiges über die alltägli­chen italienischen Rituale in Deutschland. Unterm Milchschaum warten noch eine ganze Reihe verborgener Italianismen auf ihre Entdeckung.

 

Carola Rönneburg
Mille Grazie! Wie die Italiener unser Leben verschönert haben
Herder, Freiburg 2005. 160 S., 6 €

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