Robert Habeck und die Gasumlage - Der erste Schmiss

Ein Wirtschaftsminister, der kapitalistische Unternehmen öffentlich anbettelt, freiwillig auf Zufallsgewinne zu verzichten, weil die eigene Rechtsgrundlage offenbar handwerklich schlecht gemacht ist: Das kommt nicht alle Tage vor. Ist Robert Habeck überfordert?

Robert Habeck und Olaf Scholz: Überfordert von der komplizierten Struktur des Gasmarktes / dpa
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Mathias Brodkorb ist Cicero-Autor und war Kultus- und Finanzminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Er gehört der SPD an.

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Noch ist er der Liebling der Deutschen: Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen). In mehreren aktuellen Umfragen schneidet er bei der Kanzlerfrage inzwischen besser ab als der Kanzler selbst. Und auch seine Partei liegt in der politischen Stimmung zuverlässig vor der SPD. Das soll daran liegen, dass er die Wirklichkeit so schnörkellos und uneitel erklärt. Allerdings könnte sich die Stimmung in genau dem Moment ändern, in dem Habeck bestehende Probleme nicht löst, sondern durch eigene Fehler vergrößert.

Möglicherweise ist es daher bald vorbei mit den guten Umfragen. Der Grund: Die Gasumlage. Erfunden wurde sie, um die Importeure bei der Gasbeschaffung zu unterstützen. Auf 37 Mrd. Euro hätten diese die „Ersatzbeschaffungskosten“ beziffert, wie sich das Bundeswirtschaftsministerium ausdrückt. 34 Mrd. Euro davon sollen durch die Gasumlage in Höhe von 2,419 Cent je Kilowattstunde finanziert werden. Es sei darum gegangen, „die Kosten auf möglichst viele Schultern zu verteilen“, sagt eine Sprecherin von Bundesminister Habeck auf Anfrage.

Es hätte einfacher ablaufen können

Aber kaum war die Gasumlage beschlossen, setzte eine breite gesellschaftliche Debatte ein. Da auf die Gasumlage auch noch die Mehrwertsteuer in Höhe von 19 Prozent entrichtet werden muss, wurde der Vorwurf der Staatsbereicherung laut. Es könne doch nicht sein, dass der Staat auch noch von der Not der Bürger profitiere. So jedenfalls äußerte sich zum Beispiel der Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU). Die Partei Die Linke kündigte für den Herbst sogar Massendemonstrationen an.

Also beantragte Bundesfinanzminister Lindner (FDP) bei der EU eine Ausnahmeregelung. Er wollte bei der Gasumlage auf die Mehrwertsteuer verzichten. Aber daraus wurde nichts. Die EU stimmte den Plänen aus ordnungspolitischen Gründen nicht zu. Das alles hätte man als professionelle Regierung freilich alles zuvor klären können – und auch müssen.


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Und man hätte das Problem von Anfang an auch ganz anders lösen können. Anstatt auf die Mehrwertsteuer zu verzichten, hätte die Gasumlage einfach um die Mehrwertsteuer abgesenkt werden können, also auf 2,033 Cent je Kilowattstunde. Mit Mehrwertsteuer wären es dann wieder 2,419 Cent gewesen. Die dadurch entstehenden Steuereinnahmen hätte der Staat dann einfach direkt an die Gasimporteure weiterleiten müssen. So jedenfalls lautete ein Vorschlag des Unionsfraktionsvize Jens Spahn. Das wiederum wäre aus beilhilferechtlichen Gründen auch nicht ohne Genehmigung der EU möglich gewesen. Aber angesichts der drohenden Gasmangellage hätte die sich wahrscheinlich erweichen lassen.

Von wegen „solidarisch“

Allerdings stellt sich dann die Frage, warum der Staat überhaupt zum Instrument der Gasumlage gegriffen und die Finanzbedarfe nicht einfach von Anfang an aus den inflationsbedingt sprudelnden Steuereinnahmen bedient hat. Das wäre nicht nur weniger kompliziert, sondern auch noch gerechter gewesen. Nun nämlich wird die Gasumlage nicht solidarisch von allen getragen – sondern nur von jenen, die das Pech haben, auf Gas angewiesen zu sein. Und bei ihnen wird es ein böses Erwachen geben. Für gewöhnlich braucht es im Jahr 150-200 Kilowattstunden Heizleistung je bewohntem Quadratmeter. Bei einer vierköpfigen Familie in einer Wohnung mit 100 Quadratmetern drohen im nächsten Jahr nach aktueller Marktlage somit Heizkosten von mehr oder weniger 400 Euro – und zwar pro Monat. Die Betriebskostennachzahlungen werden in die Tausende gehen.

 

 

Statt einer solidarischen, über den Bundeshaushalt finanzierten Lösung hielt die Bundesregierung an der Gasumlage fest, reduzierte nun aber über Nacht als Ausgleich hektisch die Mehrwertsteuer von 19 auf sieben Prozent. Mit der vorübergehenden Absenkung der Mehrwertsteuer auf den Gasverbrauch „entlasten wir die Gaskunden insgesamt deutlich stärker, als die Mehrbelastung, die durch die Umlagen entsteht, beträgt“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz. Freilich vergaß er zu erwähnen, dass die Gasumlage nur ein Windhauch im Vergleich zu den steigenden Marktpreisen für Gas ist, für die es noch immer keine Lösung gibt.

Regieren ohne innere Mitte

Es werde aber bald ein „drittes Entlastungspaket“ geben, kündigte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert unlängst an. Dabei sollen Familien, Rentner Studenten und jene im Vordergrund stehen, „die verdienen, aber trotzdem rechnen müssen“, erläuterte Bundeskanzler Olaf Scholz. Dabei ist es genau diese scheibchenweise Ankündigungspolitik, die zahlreiche Menschen verunsichern dürfte. Anstatt den großen Herausforderungen ein gut vorbereitetes, durchdachtes Gesamtpaket entgegen zu stellen, stolpert die Bundesregierung von einer ad hoc-Entscheidung zur nächsten. Fast scheint es, als hätte der regierungserfahrene „Scholzomat“ seine innere Mitte verloren.

Die Gasumlage ist dafür ein besonders gutes Beispiel. Nicht nur, dass sie durch die Mehrwertsteuerabsenkung de facto wenige Stunden nach Verkündigung wieder „zurückgenommen“ wurde. Nun muss erneut nachgebessert werden. Der Grund: Es würden von diesem Notopfer der Gaskunden auch Gasimporteure profitieren, die gar keine finanziellen Probleme haben.

Und genau so scheint es ursprünglich auch beabsichtigt gewesen zu sein. Eine Pressesprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums erklärte vor ein paar Tagen ausdrücklich, dass die Insolvenzgefahr keine Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Gasumlage sei. Auf den Hinweis eines Journalisten, dass das am Ende ja bedeuten könne, dass mit der Not-Umlage auch noch die Gewinne von Konzernen erhöht werden, sagte sie im Namen ihres Ministers: „Wir stehen auf dem Standpunkt, dass ein Unternehmen auch Gewinne machen muss.“

Ein überforderter Minister

Als selbst RWE und Shell ankündigten, auf die Einnahmen aus der Gasumlage verzichten zu wollen und die öffentliche Kritik auch aus den eigenen Reihen immer größer wurde, drehte auch Bundeswirtschaftsminister Habeck bei. Eine Gewinnerhöhung sei jedenfalls nicht beabsichtigt gewesen. Auf einer Wirtschaftskonferenz gestand er überdies ein, dass das Ministerium mit der komplizierten Struktur des Gasmarktes einfach überfordert gewesen sei.

Habeck rief daher seinerseits die Konzerne auf, dem Beispiel von RWE und Co. zu folgen. Ein Wirtschaftsminister, der kapitalistische Unternehmen öffentlich anbettelt, freiwillig auf Zufallsgewinne zu verzichten, weil die eigene Rechtsgrundlage offenbar handwerklich schlecht gemacht ist: Das kommt nicht alle Tage vor.

Aus dem bloßen Appell wurde inzwischen eine „Prüfung“ auf nachträgliche Rechtsänderung. Nach Möglichkeit soll so nachgebessert werden, dass nur noch von Insolvenz bedrohte Unternehmen profitieren können.

Auf die Nachfrage, wie trotz wochenlanger Vorbereitung derartige Fehler passieren können, antwortete dieselbe Pressesprecherin, die noch vor Tagen steigende Gewinne per Gasumlage verteidigte: „Wir müssen gerade wichtige Entscheidungen treffen, die vorher nie aktuell waren und das in kürzester Zeit.“ Das klingt tatsächlich etwas nach Überforderung.

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