Rechtspopulisten im Aufwind - Die dritte Phase der AfD

Langsam, aber sicher steigt die AfD in den Umfragen: Auf Bundesebene liegt sie zwischen 14 und 17 Prozent, im links regierten Thüringen und in Brandenburg führt sie die Umfragen sogar an. Es drängt sich ein Blick nach Österreich auf, wo die rechtspopulistische FPÖ derzeit auf dem Weg ist, die nächsten Nationalratswahlen zu gewinnen. Das hat auch mit der Klimapolitik zu tun.

Ein Banner der AfD in einem Saal der Sachsenlandhalle beim Landesparteitag der sächsischen AfD am 25. März / dpa
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Autoreninfo

Mathias Brodkorb ist Cicero-Autor und war Kultus- und Finanzminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Er gehört der SPD an.

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Eigentlich bestanden im Jahre 2015 gute Chancen, dass die AfD so schnell wieder verschwindet, wie sie als Anti-Euro-Partei einst entstanden war. Über Monate hinweg dümpelte sie seinerzeit unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde dahin. 

Dann kam die Flüchtlingskrise – und die „Schmuddelpartei vom rechten Rand“ erlebte ihre Wiederauferstehung. Bei der Bundestagswahl 2017 holte sie fast 13 Prozent. Dann ging es langsam wieder abwärts. Die Flüchtlingskrise schien bewältigt, die Aufregung flaute ab. Bei der Bundestagswahl 2021 erreichte sie nur noch knapp zehn Prozent. Nicht einmal die Corona-Krise konnte ihr helfen.

Aber seitdem befindet sich die AfD wieder im Aufwind. Aktuelle Umfragen sehen sie auf Bundesebene inzwischen bei 14 bis 17 Prozent, teilweise liegen sie sogar vor den Grünen und kommen den Sozialdemokraten beachtlich nahe. Und das, obwohl die Grünen in den Umfragen als einzige Regierungspartei sogar besser dastehen als noch bei der letzten Wahl.

Die dritte historische Phase

Die AfD tritt in ihre dritte historische Phase ein: Halfen in der ersten die Folgen der weltweiten Finanzkrise und in der zweiten der Flüchtlingskurs unter Merkel, scheint die Ampel der AfD nun durch ihre Klimapolitik weitere Anhänger zuzutreiben. 

Als im Jahre 2019 eine Moderatorin des MDR die AfD als „bürgerliche“ Partei bezeichnete, war die Aufregung groß. Nicht zuletzt Unions-Politiker verwahrten sich dagegen. Der Fernsehsender sah sich schließlich sogar dazu genötigt, sich für die Wortwahl zu entschuldigen.

Kein Wunder: Seit Jahren sind alle etablierten Parteien und insbesondere die Union darum bemüht, der AfD das Etikett des Rechtsextremismus anzuheften und eine „Brandmauer“ gegen rechts zu errichten (Friedrich Merz). Die AfD als eine „bürgerliche“ Partei zu akzeptieren, würde die Union selbst mit in diesen Strudel reißen – oder ihren Abgrenzungskurs als maßlos ausweisen.

Dabei könnte an dem Befund, die AfD sei inhaltlich im Grunde „bürgerlich“, mehr dran sein, als ihren Gegnern lieb sein dürfte. Jedenfalls scheint das auf deren Anhänger zuzutreffen. Nach einer Umfrage von Infratest Dimap zum Beispiel lehnen 59 Prozent der Deutschen den Atomausstieg zum jetzigen Zeitpunkt ab. Während die Anhänger von Grünen und SPD dafür sind, sprechen sich die Anhänger von FDP, Union und AfD zu 65 bis 83 Prozent dagegen aus.

Schnittmengen zwischen Wählern von FDP, Union und AfD

Oder: Zwei Drittel der Deutschen haben große Sorgen vor steigenden Energiepreisen. Wiederum bestehen bei den Wählern von FDP, Union und AfD die größten Übereinstimmungen, die Zustimmungswerte belaufen sich auf 65 bis 86 Prozent. 

Oder: Zwar gibt es in Deutschland noch eine knappe Mehrheit für die rigorose Heizungs-Politik der Bundesregierung. Aber auch hier weisen die Anhänger der drei „bürgerlichen“ Parteien die größten Übereinstimmungen auf. 61 Prozent der Unions-Anhänger und 69 Prozent der AfD-Anhänger gehen die Pläne „zu weit“.

Vor allem im Osten der Republik führt diese Gemengelage zu einer bemerkenswerten Situation. In allen ostdeutschen Ländern mit Ausnahme Berlins liegt die AfD derzeit bei 25 bis 29 Prozent und stets mindestens auf Platz zwei. Im links regierten Thüringen und Brandenburg führt sie die Umfragen sogar an, in Sachsen teilt sie sich gemeinsam mit der CDU den ersten Platz.

Die Flüchtlingspolitik unter Kanzlerin Merkel hat der AfD ein Stammwählerpotenzial von etwa zehn Prozent verschafft; die Klimapolitik der Ampel droht sie nun zumindest im Osten schrittweise zu einer Volkspartei zu machen. Weder die Aktivitäten des Verfassungsschutzes noch die anhaltende mediale Verunglimpfung von Anhängern der AfD als Krypto-Nazis scheint daran etwas ändern zu können. Wahrscheinlich bewirkt das alles sogar eher das Gegenteil.

Der Preis für die Klimapolitik

Der Preis für die Klimapolitik der Ampel ist daher nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch hoch. SPD und FDP haben gegenüber den letzten Wahlen bereits zehn Prozentpunkte verloren, während die Grünen sogar besser dastehen. Das „bürgerliche“ Lager aus Union, FDP und AfD kommt inzwischen auf eine deutliche Stimmungsmehrheit. Politisch aktivieren lässt sie sich durch die viel beschworene „Brandmauer“ derzeit aber nicht.

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Dabei zeigt ein Blick nach Österreich, wohin der Hase laufen kann, wenn man politisch überzieht. Eigentlich galt dort die rechtspopulistische FPÖ nach der Ibizza-Affäre als erledigt. Heute liegt sie trotz allem mit 28 bis 29 Prozent bundesweit in allen Umfragen auf Platz eins. 

Maßgeblich dazu beigetragen haben vor allem drei Themen: die Verteidigung individueller Freiheitsrechte gegen eine allzu rigorose Corona-Politik, eine deutliche Ablehnung „offener Grenzen“ und seit neuestem der Widerstand gegen als allzu forsch empfundene Maßnahmen des Klimaschutzes. 

Nicht unwahrscheinlich daher, dass die FPÖ unter Führung des ehemaligen Innenministers Herbert Kickl im Jahre 2024 die Nationalratswahlen gewinnen und den Anspruch auf die Kanzlerschaft erheben wird. Und auch nicht unwahrscheinlich, dass sich die AfD zumindest im Osten Deutschlands bis zur Bundestagswahl 2025 tatsächlich zu einer Volkspartei gemausert haben wird.

In der Berliner Regierungszentrale sollten daher langsam die Alarmglocken schrillen. Denn mit der Klimapolitik geht es möglicherweise gar nicht nur um das Klima, sondern auch um das Verhältnis von äußerem Zwang und individueller Freiheit, von eigener Verantwortung und obrigkeitsstaatlicher Politik. Am Ende also um die Zukunft der Demokratie, wie wir sie kennen.

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