Rote Linien nach rechts - Eine neue Brandmauer?

Die Denkfabrik R21 diskutierte - unter anderem mit Andreas Rödder, Kristina Schröder und Mathias Brodkorb - über die Frage, wie sich das Konservative vom Rechtsextremen abgrenzen lässt. Und wie sich AfD-Wähler zurückgewinnen lassen.

Hinter dieser Brandmauer lauern Geschichtsrevisionisten, Rechtsstaatsfeinde und Putinfreunde / dpa
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York Herder ist ausgebildeter Journalist und hospitiert derzeit bei Cicero.

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Nach dem Umfragehoch der AfD und den jüngsten Wahlerfolgen in Sonneberg und in Raguhn-Jeßnitz hat der Begriff der „Brandmauer gegen rechts“ Hochkonjunktur. Von der CDU wird im öffentlichen Diskurs eine Abgrenzung erwartet. Sprachlich gibt es diese zwar schon lange, doch fehlte bisher eine thematische Aufbereitung der „Brandmauer“.

Der Historiker und Vorsitzende der CDU-Grundwertekommission Andreas Rödder hat nun einen ersten Aufschlag gewagt. Obwohl er beklagt, dass diese Grenze des Sagbaren im öffentlichen Diskurs immer weiter nach links verschoben wird, sieht er die Notwendigkeit, zu definieren, was rechts und was rechtsextrem ist. Deswegen hatte der Leiter der „Denkfabrik R21“ zum Symposium über die Frage „,Rechts‘? Zur Abgrenzung des politisch Legitimen“ eingeladen. Er zeichnet mit fünf Punkten eine „rote Linie nach rechts“, auf der die Brandmauer stehen soll. Die Punkte sind die Verletzung der Menschenwürde und die Abwertung von Menschen als minderwertig, also die Einhaltung des ersten Artikels des Grundgesetzes.

Als zweites nennt er die „Missachtung von rechtsstaatlichen Institutionen“, was ein klares Bekenntnis zum Konservativen darstellt. Als dritten Punkt führt er Geschichtsdebatten an, die zum Zweck politischer Grenzüberschreitung geführt werden. Der vierte Punkt ist: „Ein Ressentiment gegen die bestehenden Verhältnisse in Verbindung mit einem Aktivismus, dem es darum geht, aktiv ,Dinge zu erschaffen, die zu erhalten sich lohnt‘.“ Dabei bezieht er sich auf die „konservative Revolution“ der Zwischenkriegszeit, die eine offene und pluralistische Gesellschaft ablehnte. Gleichzeitig ist es eine klare Absage an rechtsextreme Intellektuelle. Der letzte Punkt ist die Bezeichnung von Wladimir Putin als Verteidiger traditioneller oder christlicher Werte.

Endlich wieder die „Kampfzone“ betreten

Wer diese Punkte nicht verletze, ist nach Rödders Auffassung auf dem demokratisch legitimen Spielfeld unterwegs. Um zu diskutieren, wo das politisch Legitime vom politisch Illegitimen aus konservativer Sicht abgegrenzt werden muss, hatte der Thinktank R21 Mario Voigt, Mathias Brodkorb, Joana Cotar und Kristina Schröder zu einer Podiumsdiskussion über den Dächern Berlins am Gendarmenmarkt eingeladen.

In seiner Keynote konstatierte Andreas Rödder, dass Personen, die vom „Meinungskorridor“ abweichen, durch links eingestellte Medien zuerst als „umstritten“ betitelt werden, um wenig später von denselben Medien als „rechts“ gebrandmarkt zu werden. Wobei die Begriffe „konservativ“, „populistisch“, „rechtsradikal“ und „rechtsextrem“ in einen Topf geworfen würden, sodass die Diffamierung als „Nazi“ schnell zur Hand sei.

 

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Unter den Teilnehmern war es Konsens, dass die CDU die Konservativen wieder erreichen muss, da deren Wahlverhalten der Garant für die liberale Demokratie sei. Wenn sich diese in der Politik nicht mehr wahrgenommen fühlten, bestehe die Gefahr, dass sie sich zum Rechtsextremismus hin radikalisieren. Denn viele konservative Lebenswelten werden durch die aktuelle Politik nicht mehr mitgenommen – eine Aufgabe, die nur die CDU erfüllen könne.

Die frühere Familienministerin und R21-Vizechefin Kristina Schröder will deswegen keine Tabuthemen mehr. Ihrer Ansicht nach sollte man mit sachlichen und empirischen Argumenten über jedes Thema reden können – und müsse dies auch tun. Eine Leerstelle wie die fehlende Debatte über Grundrechtseinschränkungen während der Corona-Pandemie im Bundestagswahlkampf 2021 dürfe nicht noch einmal entstehen. Insbesondere linke und grüne Narrative will die frühere CDU-Politikerin nicht unwidersprochen stehenlassen. Es sei für das bürgerliche Lager wichtig, endlich wieder die „Kampfzone“ zu betreten. Schröder ist davon überzeugt, dass man den Narrativen vom „institutionellen Rassismus“ und der „Zerstörung der Umwelt durch den hiesigen Lebenswandel“ das Narrativ des Fortschritts entgegensetzen muss, um Teile der AfD-Wähler wieder zur CDU zu holen.

Die Cannabis-Legalisierung interessiert im Osten Thüringen keinen

Anders als Kristina Schröder sieht das der Journalist und ehemalige SPD-Politiker Mathias Brodkorb. Er geht davon aus, dass viele Wähler durch eine „gute Politik“, die sich der Probleme der einfachen Bevölkerung annimmt, zurückgewonnen werden können. Dem stimmte die ehemalige AfDlerin Joana Cotar bei. Die jetzt fraktionslose Abgeordnete wirft der Regierung vor, Meinungen aus Industrie und Wirtschaft im Bundestag zwar anzuhören, auf deren Ratschläge jedoch keinerlei Rücksicht bei der Entscheidungsfindung zu nehmen. Dadurch verlören die Bürger das Vertrauen in die Politik.

Ähnliches sagte der thüringische Spitzenkandidat der CDU, Mario Voigt. Für ihn ist eines der größten Probleme die fehlende Verbindung der regierenden Politiker mit der Bevölkerung. Denn die Berliner Politik geht nach Ansicht des Politikers, der seinen Wahlkreis schon dreimal direkt gewonnen hat, weit an der Wirklichkeit der Bürger mit konservativer Lebensgestaltung vorbei. Die anstehenden Debatten um die Cannabis-Legalisierung und das Selbstbestimmungsgesetz interessiere die Leute im Osten Thüringens, die jeden Monat merklich an Kaufkraft verlieren, reichlich wenig.

Schröder führt an, dass Wähler, die sich weniger Integration in die EU, eine entschiedene Haltung gegen die Identitätspolitik und restriktivere Einreisebestimmungen für Migranten wünschen, zurzeit keine demokratische Partei wählen könnten.

Die Wahl in Sonneberg, bei der im ersten Wahlgang sowohl die CDU als auch die AfD Stimmen gewonnen haben, zeigt für Voigt, dass sich Deutschland politisch verändert hat. Aus Voigts Sicht muss insbesondere die CDU verstehen, dass Deutschland kein linkes Land mehr ist. Solange sich die CDU darauf nicht einrichte, könne die AfD die entstehende Repräsentationslücke weiter ausnutzen. Gleichzeitig habe die Politik eine absolute Bringschuld. Denn Themen, die behandelt werden, müssten der Bevölkerung auch kommuniziert werden. Deshalb gehe es auch darum, den Meinungskorridor wieder zu erweitern und die demokratische Rechte wieder in die Debatte und die Entscheidungsfindung zu integrieren.

Doch wie umgehen mit der AfD? Sowohl Brodkorb als auch Voigt sind davon überzeugt, dass die AfD in der Debatte gestellt werden muss. In der direkten Auseinandersetzung müssten alle Politiker zeigen, dass ihre Parteien der AfD inhaltlich überlegen sind.

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