NRW-Staatssekretär Mark Speich - „Was macht dieser Mann hier?“

Eigentlich ist der NRW-Staatssekretär in der Hauptstadt ein Meister des Kompromisses. Doch Mark Speich ist auch ein wichtiger CDU-Vordenker im Umfeld von Hendrik Wüst.

Mark Speich fand in der Merkel-Zeit der CDU keine passende Rolle. Das hat sich jetzt geändert / Antje Berghäuser
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Volker Resing leitet das Ressort Berliner Republik bei Cicero. Er ist Spezialist für Kirchenfragen und für die Unionsparteien. Von ihm erschien im Herder-Verlag „Die Kanzlermaschine – Wie die CDU funktioniert“.

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Die erste Begegnung von Mark Speich mit Angela Merkel war ein Missverständnis. Der Fraktionsmitarbeiter kam zu einer Besprechung ins Kanzleramt in den Kabinettssaal, anwesend waren fast nur Minister. „Was macht dieser Mann hier?“, fragt die Bundeskanzlerin. Fraktionschef Volker Kauder erklärt, er habe seinen Planungschef mitgebracht, für die grundsätzlichen Überlegungen. Das war nicht vorgesehen. „Dann soll er halt dableiben“, hat Merkel gesagt. 

Genau diese grundsätzlichen Überlegungen aber sind die Spezialität des promovierten Politikwissenschaftlers, der seit fast 25 Jahren auch im Umfeld der CDU arbeitet. Mark Speich repräsentiert jene Art Vordenker und Zuträger, ohne die die Politik eigentlich nicht auskommt. Doch nicht immer sind sie erwünscht, manchmal nur geduldet, weil eben die Zeit und der Sinn für strategische Überlegungen fehlen. „Dann soll er halt bleiben“: Merkels Satz steht dann für eine Politik, die im Alltagsgeschäft und im Krisenmodus den Blick für die langen Linien verlieren kann. Das gab und gibt es immer wieder.

Der Kompromiss ist sein Job

Inzwischen ist Mark Speich selbst Regierungsmitglied im Düsseldorfer Kabinett von CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst. Als Staatssekretär leitet er die NRW-Landesvertretung in Berlin, eine Art strategischer Brückenkopf an der Spree. Wenn die CDU nicht den Kanzler stellt, sind die CDU-regierten Länder über den Bundesrat ein verbleibender Machtfaktor. „Mein Geschäft sind Kompromisse“, sagt Speich nun. Der Bundesrat sei „ein Gestaltungs-, kein Verhinderungsorgan“. Für Oppositionschef Friedrich Merz ist das wichtig und riskant zugleich. Denn Speich steht einerseits für eine schwarz-grüne Landesregierung, andererseits will er in Berlin der Ampelregierung die Macht der unionsregierten Länder demonstrieren. Ein strategisches Dilemma, das die CDU bisweilen schmerzt. Zwischen inhaltlicher Profilierung und pragmatischer Regierungsarbeit – ein Spagat. 

Anfang des Jahres haben diese sogenannten B-Länder, also solche mit Unionspolitikern als Regierungschefs, der Bundesregierung Nachbesserungen beim Bürgergeld abgetrotzt. „Das Prinzip Fördern und Fordern konnte gegen die ursprünglichen Pläne der Ampel erhalten werden“, so Speich. Auch sein Erfolg. Doch der Nachgeschmack: Die Ampel hat das ungeliebte Bürgergeld durchgesetzt. Wer hat da also mehr gewonnen? 

Speich stammt aus Bonn, Kind von Ministerialbeamten, ist neugierig auf die Politik, tritt mit 16 Jahren in die Junge Union ein, wird 1991 Mitglied der CDU. Doch ihn interessiert nicht die erste Reihe, er strebt kein Mandat an. Sein erster Job nach dem Politikstudium führt ins Konrad-­Adenauer-Haus. In der CDU-Parteizentrale lenkt damals Generalsekretär Peter Hintze die Geschicke. Der war ein strategischer Kopf, aber es war 1995 die Endzeit der Ära Helmut Kohl. Aufbruch und inhaltlicher Neustart waren nicht angesagt. „Die hoffnungsvolle Stimmung nach der Wiedervereinigung beherrschte das Denken, aber auch die Denkmalwerdung des Kanzlers begann bereits“, erinnert Speich sich. 

Merkels Ende war sein Wiederbeginn

Das war kein Umfeld, das ihn interessierte. Erst wurde er Referent des Uni-Rektors, dann ging er zur Herbert-­Quandt-Stiftung, dort fand mehr politische Vordenkerarbeit statt als in den Parteizentralen. Mark Speich wollte wissen, wie man am besten eine Regierungszentrale organisiert. Als Musterbeispiel galt damals die Downing Street. Obwohl in London Labour mit Tony Blair an der Spitze regierte, lernte er dort kennen, was die Steuerung politischer Prozesse bedeutet.

Im Jahr 2000 wurde dann Angela Merkel CDU-Chefin. Beim Parteitag 2003 in Leipzig beschloss die CDU weitreichende Reformen. „Ich war ein ‚Leipziger‘“, bekennt Speich. Für die Präambel des Koalitionsvertrags 2005 schrieb er den Unions-Entwurf. Doch die SPD streicht Speichs zentralen Begriff wieder heraus: die Wiederentdeckung der Freiheit. 

 

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Nach der Regierungsübernahme 2005 fängt Speich in der Fraktion als Leiter der Planungsgruppe an. Fraktionschef war Volker Kauder, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer Norbert Röttgen. Schnell wurde klar: Merkel will durchregieren, in der Großen Koalition gibt es wenig Spielraum, es herrscht permanenter Krisenmodus. Es kam zu der beschriebenen Begegnung im Kanzleramt. 

Die Fraktion wird kein Ort der politischen Planung, das ist allein das Kanzleramt. Mark Speich wechselt nach zwei Jahren zur Vodafon-Stiftung. Es verfestigte sich der Eindruck, dass Köpfe wie er in der Fraktion nicht gebraucht wurden. 

Das ist nun anders. Hendrik Wüst baut sich ein strategisch denkendes Umfeld auf. Dazu gehört Mark Speich. Wer weiß, was noch kommt. 

 

Dieser Text stammt aus der September-Ausgabe von Cicero, die Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können.

 

 

 

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