Ministerpräsidentenkonferenz - Durchwurschteln beim Gaspreisdeckel

Energiepreisbremse und 49-Euro-Ticket: Darauf konnten sich Kanzler Scholz und die Länderchefs auf der Ministerpräsidentenkonferenz einigen. Das ist eher Gehampel als verantwortliches Regierungshandeln.

Nicht wirklich zufrieden mit den Beschlüssen: NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) / dpa
Anzeige

Autoreninfo

Dr. Hugo Müller-Vogg arbeitet als Publizist in Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu politischen und wirtschaftlichen Fragen, darunter einen Interviewband mit Angela Merkel. Der gebürtige Mannheimer war von 1988 bis 2001 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

So erreichen Sie Hugo Müller-Vogg:

Anzeige

Entlasten, belasten, entlasten: Was die Ampel-Regierung den Bürgern zumutet, ist eher hilfloses Gehampel als zielgerichtete Politik. Völlig unverständlich ist das Ganze auch. Da blickt kein Bürger mehr durch. Die Heizkosten sind für Gasverbraucher und Bezieher von Fernwärme sehr hoch. Deshalb werden die Abschlagszahlungen im Dezember vom Staat übernommen. Im Januar folgt dann auf diese vernünftige Entlastung eine neue Belastung, weil dann wieder, wie im November, abgebucht wird. Und von März an kann erneut entlastet werden, wenn endlich die Gaspreisbremse in Kraft treten soll.

In der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) führte das verständlicherweise zu großem Unmut. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) zeigte sich über die „Winterlücke“ verärgert, nämlich die fehlende Entlastung ausgerechnet im normalerweise kalten Januar. Selbst die Regierungschefs mit SPD-Parteibuch drängten darauf, die Gaspreisbremse wenigstens schon von Februar an in Kraft zu setzen. Man könne die Bürger doch nicht abwechselnd be- und entlasten, kritisierte Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (SPD).

Das ist freilich leichter gefordert als verwirklicht. Denn die Stadtwerke müssen für mehr als 20 Millionen Haushalte dies alles berechnen, was selbst in IT-Zeiten eine zeitraubende Aufgabe ist. Dabei wäre eine möglichst schnelle Einführung der Gaspreisbremse die wirkungsvollste Maßnahme zur Entlastung von Haushalten wie Betrieben und zugleich zum Einsparen von Energie. Wenn nämlich, wie vorgesehen, der Preis nur für 80 Prozent des bisherigen Verbrauchs gedeckelt wird, entsteht ein Anreiz, bei den zusätzlichen, teureren Mengen zu sparen. Mit dem Aussetzen von Abschlagszahlungen oder direkten Überweisungen lässt sich zwar vielen Menschen helfen; der Einspareffekt ist aber gleich null.

Selten war Regierungsversagen so klar und deutlich zu beobachten

So berechtigt die Kritik der Ministerpräsidenten – unabhängig vom Parteibuch – auch ist: An dieser von Anfang an verkorksten Operation lässt sich jetzt nicht mehr viel ändern. Die rot-grün-gelbe Regierung hat wertvolle Zeit mit der unsinnigen Gasumlage vergeudet, statt sich schon vom Frühsommer an Gedanken über einen zielgenauen Preisdämpfungsmechanismus zu machen. Selten war Regierungsversagen so klar und deutlich zu beobachten.

Die Bundesregierung wird, von den Länderchefs bedrängt, wohl versuchen, die Gaspreisbremse wenigstens von Februar an wirken zu lassen. Doch viele Stadtwerke werden die Umsetzung nicht schaffen. Es ist sogar zu befürchten, dass in manchen Fällen der Dezember-Abschlag aus administrativen Gründen nicht ausgesetzt werden kann. Die Proteste der betroffenen Bürger und Unternehmer werden dann nicht auf sich warten lassen – zu Recht.

 

Mehr von Hugo Müller-Vogg:

 

Auf der MPK herrschte immerhin Einvernehmen zwischen Bund und Ländern über das 49-Euro-Ticket, weil der Bundesfinanzminister den größten Teil der Kosten übernimmt. Geld war schon immer das beste Schmiermittel, um die komplizierte Föderalismus-Maschinerie am Laufen zu halten.

Die Regierung könnte auch Geld aus Helikoptern abwerfen lassen

Das 49-Euro-Ticket, euphorisch „Deutschlandticket“ genannt, macht das Fahren mit Bus und Bahn billiger und leichter. Es bedeutet für Berufstätige, die den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) regelmäßig nutzen, zudem eine spürbare Entlastung. Gleichwohl geht es der Ampel hier vor allem um Symbolik, um die Verbindung von finanziellen Entlastungen und Klimapolitik. Schon beim 9-Euro-Ticket sind nämlich nur wenige vom Auto auf den ÖPNV umgestiegen.

Das 9-Euro-Ticket, vom Kanzler wohlgefällig als „sehr populär“ gepriesen, war zum Teil ein Spaßticket. So gondelten viele Menschen an den Wochenenden in völlig überfüllten Zügen quer durch die Republik. Warum? Weil es fast nichts kostete. Das Nachfolgeticket wird ebenfalls zu Ausflügen einladen. Menschen zu Reisen zu animieren, die ohne Preisvergünstigung unterblieben wären, ist in diesen Zeiten allerdings kein Beitrag zum Energiesparen.

Ohnehin haftet dem Billigticket derselbe Mangel an wie den meisten Entlastungsmaßnahmen der Ampel: Es begünstigt selbst die, die diese Vergünstigung gar nicht nötig hätten. Würde die Regierung Geld aus Helikoptern abwerfen lassen, wäre die Zielgenauigkeit dieser Maßnahme auch nicht viel geringer als beim 49-Euro-Ticket oder bei der Energiepauschale.

Es war eine seltsame Zusammenkunft der Ministerpräsidenten mit dem Bundeskanzler. Dass man einen „Wumms“ ausgelöst habe, wird nicht einmal der für seine naiven Sprachbilder bekannte Olaf Scholz behaupten wollen. Die Regierungschefs haben vielmehr grummelnd zur Kenntnis genommen, dass die Ampel bei Entlastungen und Energiesparen Kurs halten will – den Kurs des Durchwurstelns.

Anzeige