Der Sozialdemokrat Andreas Bovenschulte kann Bremer Bürgermeister bleiben / dpa

Landtagswahl - SPD liegt in Bremen vorn

Seit Jahrzehnten ist die Hansestadt Bremen in sozialdemokratischer Hand. Vor vier Jahren konnte sich die SPD nur knapp an der Macht halten. Diesmal schafft sie es wieder ganz nach oben. Einen Dämpfer müssen die Grünen hinnehmen. Die FDP muss zittern.

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Bei der Wahl im Land Bremen ist die SPD Prognosen zufolge stärkste Kraft geworden. Nach den Zahlen von ARD und ZDF vom Sonntag liegen die seit fast 80 Jahren regierenden Sozialdemokraten von Bürgermeister Andreas Bovenschulte deutlich vor der CDU.

Die bisher mitregierenden Grünen landen den Prognosen zufolge auf Platz drei, jedoch mit deutlichen Verlusten. Dahinter folgen der dritte Koalitionspartner Linke und die rechtspopulistische Wählervereinigung Bürger in Wut (BiW). Der Wiedereinzug der FDP in das Landesparlament, die Bremische Bürgerschaft, steht auf der Kippe. Die AfD war nicht zur Wahl zugelassen, weil sie zwei konkurrierende Wahllisten eingereicht hatte.

Grüne rutschen deutlich ab

Bislang führt Bovenschulte seit 2019 eine in Westdeutschland einmalige Koalition aus SPD, Grünen und Linkspartei. Die oppositionelle CDU war 2019 erstmals Wahlsieger im Land Bremen, konnte aber keine Regierung bilden.

Den Prognosen zufolge liegen die Sozialdemokraten mit 29,5 bis 30 Prozent vorn – sie können ihr historisch schlechtes Ergebnis von 2019 (24,9 Prozent) verbessern. Die CDU mit Spitzenkandidat Frank Imhoff liegt bei 24,5 bis 25,5 Prozent (2019: 26,7). Die Grünen rutschen deutlich ab auf 12 bis 12,5 Prozent (17,4). Die Linke erreicht mit 10,5 bis 11 Prozent in etwa das gleiche Ergebnis wie 2019 (11,3). Die Bürger in Wut legen stark zu auf 10,5 Prozent (2,4). Die FDP nimmt mit 5 bis 5,5 Prozent nur knapp die Fünf-Prozent-Hürde (5,9). Ihr Einzug in die Bürgerschaft ist unsicher. Die Wahlbeteiligung wird mit 57 bis 62 Prozent angegeben – weniger als 2019 mit 64,1 Prozent.

Rot-Grün-Rot oder Große Koalition

Die SPD erhält laut den Prognosen 27 bis 28 Sitze in der Bürgerschaft. Die CDU kommt auf 23 bis 24 Sitze und die Grünen auf 11 bis 12 Sitze. Die Linke bekommt 9 bis 10 Mandate, die FDP 5 und die BiW 10 Sitze. Damit wäre eine Fortsetzung von Rot-Grün-Rot möglich, die im Vorfeld der Wahl als wahrscheinlich galt. Auch eine große Koalition hätte aber eine Mehrheit.

Die rechtspopulistischen BiW profitieren davon, dass die AfD nicht zugelassen war. Sie ziehen nun erstmals in Fraktionsstärke in die Bürgerschaft ein. Die AfD hatte bei der Wahl 2019 6,1 Prozent der Stimmen geholt. Die BiW verorten sich selbst zwischen CDU und AfD.

Auszählung dauert

Mit einem vorläufigen amtlichen Endergebnis wird erst Mitte der Woche gerechnet – die Auszählung ist wegen des komplizierten Bremer Wahlsystems langwierig. Bei der Stimmabgabe können Wählerinnen und Wähler bis zu fünf Kreuzchen machen. Am späteren Abend veröffentlicht der Landeswahlleitung nur eine amtliche Hochrechnung, die erfahrungsgemäß schon nah am finalen Ergebnis ist.

Im kleinsten deutschen Bundesland, dem Zwei-Städte-Staat aus Bremen und dem kleineren Bremerhaven, waren rund 463.000 Wahlberechtigte aufgerufen, die neue Bürgerschaft zu wählen. Die einst reiche Hansestadt Bremen mit ihrer Tradition von Seefahrern und Kaufleuten hat einen harten Strukturwandel durchlitten und ist heute hoch verschuldet. Der Anteil von Bürgergeld-Empfängern, früher Hartz IV genannt, liegt laut Statistischem Bundesamt im Ländervergleich mit 17,1 Prozent am höchsten, und auch in der Rangliste der besten Bildungssysteme liegt Bremen laut INSM-Bildungsmonitor 2022 auf dem letzten Platz.

Bovenschulte kann Bürgermeister bleiben

Mit 17,8 Prozent hat das Land nach Angaben des Bremer Sozialressorts im Ländervergleich den höchsten Anteil von Menschen mit Migrationsgeschichte unter den Wahlberechtigten – der bundesweite Durchschnitt liegt bei 11,5 Prozent. Doch ist das Land auch ein starker Wirtschaftsstandort – mit seinen Häfen, dem weltweit zweitgrößten Mercedes-Werk und Unternehmen der Luft- und Raumfahrt.

SPD-Spitzenkandidat Bovenschulte ist seit vier Jahren Bürgermeister und Präsident des Senats. Der 57-jährige promovierte Jurist war zuvor Bürgermeister der Nachbargemeinde Weyhe in Niedersachsen, aber von 2010 bis 2013 auch Vorsitzender der SPD in Bremen. Der fast zwei Meter große Rockmusik-Fan, genannt „Bovi“, gilt als Parteilinker. CDU-Spitzenmann Imhoff ist gelernter Landwirt und Landschaftspfleger und betreibt mit seiner Familie in fünfter Generation einen Bauernhof im Stadtteil Strom. Der 54-Jährige gehört der Bürgerschaft seit 1999 an.

FDP bangt noch

In der Bundespolitik hatte vor allem die FDP gebannt nach Bremen geblickt, denn sie musste seit der Bundestagswahl 2021 eine wahre Niederlagenserie in den Ländern verkraften. Das hat die Stimmung in der Berliner Ampel-Koalition enorm gereizt. Nun könnte es erneut ungemütlich werden.

Die wochenlangen Querelen um die Personalpolitik und das Heizungsgesetz von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bekam seine Partei in Bremen nun zu spüren. Die SPD dürfte nun weiter die Regierung führen. Aktuell stellen die Sozialdemokraten inklusive Bovenschulte noch 7 der 16 Ministerpräsidenten. Für die Linke ist die Bremen-Wahl eine willkommene Abwechslung von der Dauerkrise der Bundespartei.

Für die CDU ist Bremen traditionell kein Heimspiel – im Bund schaut man daher eher auf die im Herbst anstehenden Wahlen in Bayern und Hessen. Dann ist fast ein Viertel der Wahlberechtigten in Deutschland zur Stimmabgabe aufgerufen.

dpa

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Ingo frank | So., 14. Mai 2023 - 19:18

für wen wird sich die SPD entscheiden? Für eine noch linkere und noch grünere Fortschrittskoalition? Oder auf eine große Koalition? Wenn, ja wenn ihr heutiger Artikel wahr werden sollte, wäre die GROKO die Lösung. Aber ich glaube nicht daran weil klein Kevin und die Linke Saskia und all die anderen Linken in der SPD so stark sind, und deshalb werden’s die Linken der SPD nicht zulassen, eine GROKO zu bilden. Es läuft weiter Richtung Untergang mit Rot, Links Grün & der SED Altkaderpartei und einigen Altkommunisten aus dem „Westen“ Top die Wette gilt.
Mit freundlichen Grüßen aus der Erfurter Republik

Gerhard Lenz | So., 14. Mai 2023 - 20:07

Da haben die Sozialdemokraten zwar nicht wirklich gut, aber doch weit besser, als erwartet, abgeschnitten. Der erwartete Zweikampf mit der Union bleib aus, die CDU blieb hinter dem erhofften Ergebnis zurück. Prompt erklärte diese die Bremer Wahl zum rein kommunalen Ergebnis, ohne irgendwelche Bedeutung für Parteichef Merz.
Hätte die Union glanzvoll gesiegt, wäre die Analyse selbstverständlich eine andere: Der Erfolg wäre auch der - dann - überaus erfolgreichen Oppositionspolitik des (noch nicht Großen) Friedrich zuzuschreiben.
Die FDP wackelt, scheint im Parlament zu bleiben, was von Lindner sicher als Bestätigung des konfrontativen Kurses innerhalb der Regierung gewertet wird (ein besonderer Dank auch an den Wahlhelfer Jens Peter Paul). Die Grünen verlieren dank der Schwierigkeit, gegen FDP-Blockade Politik zu machen. Und die AfD wird den Sieg der BuW als untrüglichen Beweis für die eigene Machtübernahme wo-auch-immer werten. Geschenkt.

Die Türkei-Wahl ist interessanter.

Martin Janoschka | Mo., 15. Mai 2023 - 14:25

Antwort auf von Gerhard Lenz

Das eindrucksvolle Wahlergebnis der grüninnen und grünen. Ihrer Meinung entnehme ich, dass die grünen Stimmen aufgrund der FDP verloren haben. Interessanter Ansatz. Ich dachte, sie hätten wegen ihrer mangelhaften und sozial unausgegorenen Politik verloren. Die Leute haben halt nicht vor, ihr sauer erarbeiteten Geld zwangsweise für Roberts Wärmepumpe auszugeben. Naja, wer Wind sät...

Gerhard Lenz | Mo., 15. Mai 2023 - 15:27

Antwort auf von Martin Janoschka

So können Sie sich irren, Janoschka.

Das Grüne und Sozis ihre Teile nur bedingt durchsetzen können, weil die FDP in purer Existenangst die große Bremse spielen, ist Ihnen natürlich nicht aufgefallen. Wie sollte es auch. Und dass das bei jenen, die mehr erhofften, nicht gut ankommt, können Sie sich nicht vorstellen.

Aber Sie können sich ja Vieles nicht vorstellen, was es nicht gestern gab, haben Sie ja schon anderswo gezeigt.

Wobei das "Durchreifen" von unfertigen Plänen und irgendwelche Falschmeldungen über die grüne Energiepolitik zugegeben nicht nützlich waren.

Martin Janoschka | Mo., 15. Mai 2023 - 22:00

Antwort auf von Gerhard Lenz

Ich kann mir mehr vorstellen als sie denken. Da die FDP ja an allem schuld ist, sollte sie am besten diese Regierung verlassen. Neuwahlen wären prima, besonders für die grünen. Immerhin lehnen ja nur 80% der Bevölkerung Roberts heizpläne ab. Recht haben sie. Passt nur nicht in ihre linke demagogie.

Christopherus | Mo., 15. Mai 2023 - 11:04

Die einfache Weitergabe dieser dpa-Meldungen wird hier nicht dem Qualitätsjournalismus gerecht, dender Cicero zumeist liefert. Die dpa framed hier BiW als "rechtspopulistisch", um damit ein bestimmtes Narrativ zu nähren. Anders ausgedrückt: Um BiW gesellschaftlich anrüchig zu machen. Es zeichnet den Cicero aus, eine solche Durchmischung von Meinung und Information zu vermeiden. Solche dpa-Mischmeldungen, die Meinung und Information nicht trennen, sollten daher nicht aus journalistischer Bequemlichkeit aufgekauft werden. Danke.

Sabine Jung | Mo., 15. Mai 2023 - 15:10

Warum wird sie selbst vom Cicero gleich in die rechte Ecke gehoben? Nur weil sie Wahrheiten ausspricht, die die Mehrheit der Bürger (ich verzichte gern auf das Gendern!) denkt? Bis vor Kurzem wusste ich gar nicht, dass es so eine Partei überhaupt gibt. Sie hat sicherlich durch den Wegfall der AfD einen kometenhaften Aufstieg bei der Wahl in Bremen erlitten.
Man könnte schon Böses denken, bevor die Bundestagswahl 2025 überhaupt losgeht.....

Sabine Lehmann | Mo., 15. Mai 2023 - 15:48

Bei vielen Politikern kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie offensichtlich bei den drei Affen zur Schule gegangen sind. Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen. So als sei die Realität etwas für die Doofen außerhalb der Blase in der sie fett alimentiert selbst zu Hause sind.
Bovenschulte allein zu Hause, so kommt mir auch dieser Bürgermeister vor. Bremen, das Epizentrum deutschen Fortschritts u. deutschen Wohlstands. Oder ist es vielmehr so, dass Bremen überhaupt nur noch existiert, weil es notdürftig am Tropf anderer, etwas weniger runter gewirtschafteter Bundesländer hängt? Könnte sein, man weiß es nicht. Vielleicht gibt es die Drogen zur Realitätsverweigerung in Bremen aber auch ganz ohne Rezept, demnächst auch bundesweit, denn das Alles wird nicht besser liebe Leut'...Wenn doch, erfinden Lindner und Co. sicher wieder einen "Sonderhaushalt" mit Kohle, die wir gar nicht haben. Macht nix, das dekadente römische Reich hat auch erst noch kurz gezuckt bevor es unterging.