Windrad in Euskirchen / dpa

„Klima- und Transformationsfonds“ - Herr K. und die Schuldenbremse

Das Bundesverfassungsgericht hat geurteilt, dass der Bund zur Bekämpfung der Corona-Krise gedachte Gelder nicht für den Klimaschutz nutzen darf. Der damit von der Ampelkoalition durch Trickserei verursachte Schaden zieht Folgeschäden nach sich. Und nun?

Thomas Mayer

Autoreninfo

Thomas Mayer ist Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Institute mit Sitz in Köln. Zuvor war er Chefvolkswirt der Deutsche Bank Gruppe und Leiter von Deutsche Bank Research. Davor bekleidete er verschiedene Funktionen bei Goldman Sachs, Salomon Brothers und – bevor er in die Privatwirtschaft wechselte – beim Internationalen Währungsfonds in Washington und Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Thomas Mayer promovierte an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und hält (seit 2003) die CFA Charter des CFA Institute. Seit 2015 ist er Honorarprofessor an der Universität Witten-Herdecke. Seine jüngsten Buchveröffentlichungen sind „Die Vermessung des Unbekannten“ (2021) und „Das Inflationsgespenst“ (2022).

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Herr K. (nur wenige nennen ihn bei seinem vollen Namen) ist angeblich ein prinzipienfester Mann. Er hat sich strikte Grenzen für die Überziehung seines Kontos gesetzt. Nun zwingt ihn ein plötzlicher Schicksalsschlag zu unerwarteten Ausgaben. Doch hat er das weise vorbedacht: Seine Prinzipien lassen dafür ausnahmsweise eine stärkere Überziehung des Kontos zu. Bald stellt Herr K. jedoch fest, dass er nicht den ganzen, ursprünglich veranschlagten Überziehungsrahmen für die Notlage braucht.

Na ja, denkt er, dann nutze ich eben die Kredite, zu denen ich mich schon ermächtigt, die ich aber für die Notlage nicht gebraucht habe, für andere Zwecke. So kann ich, ohne meine Prinzipien zu verraten, andere, mir am Herzen liegende Ausgaben finanzieren. Frage: Hat Herr K. damit Recht? Nein, antwortet der gesunde Menschenverstand. Er hat sich eines billigen Tricks bedient, um seine Prinzipien loszuwerden. Herr K. hat seine Glaubwürdigkeit verloren.

Die Schuldenbremse austricksen

Nein, sagte auch das Bundesverfassungsgericht zum zweiten Nachtragshaushaltsgesetz 2021 der Bundesregierung. Damit gab Finanzminister Lindner dem Drängen seinen Ampelpartnern nach, mehr Geld für ihre Klimapolitik zu beschaffen. In der Pandemienotlage im April 2021 beschlossene Kreditermächtigungen ließ er im Februar 2022 nachträglich in Kreditermächtigungen für den „Klima- und Transformationsfonds“ umwidmen. 

Wie Herr K. seine Prinzipien wollte Christian Lindner die Schuldenbremse austricksen. Das Gericht hat nun mit der Entlarvung des Manövers als billigem Trick der Ampelkoalition nicht nur 60 Milliarden Euro neu geborgtes Geld für ihre teure Klimapolitik verwehrt, sondern auch die Glaubwürdigkeit des Finanzministers schwer beschädigt. Bleiben er und seine Partei in dieser Regierung, klingt auch sein Wort, lieber nicht zu regieren als schlecht zu regieren, hohl.

Verlust an Glaubwürdigkeit

Doch der durch die Trickserei verursachte Schaden zieht Folgeschäden nach sich: Der Verlust an Glaubwürdigkeit der Trickser färbt auf das verletzte Prinzip selbst, die Schuldenbremse, ab. „Die Schuldenbremse ist aus der Zeit gefallen, die Transformation zur Klimaneutralität erfordert andere Lösungen – aus Gründen der Effizienz und der Generationengerechtigkeit“, schreibt Michael Hüther, Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft. 

Man solle doch die Bremse etwas lösen, indem man die strukturelle Verschuldung in Relation zum Bruttoinlandsprodukt von 0,35 Prozent auf 1,5 Prozent anhebt, meint er. „Das würde allein im kommenden Jahr eine zusätzliche Verschuldung von rund 50 Milliarden Euro erlauben, ohne die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen zu gefährden.“ Denn wenn die Politik gerade jetzt um jeden Euro für Schienen, Straßen oder Energienetze feilschen müsse, könne die Transformation nur scheitern. Eine Generation, so Hüther weiter, könne diese historische Aufgabe nicht aus ihren Steuereinnahmen finanzieren. 

Michael Hüther dürfte nur die Speerspitze einer breiteren Bewegung zur Aushöhlung der Schuldenbremse sein. Dass eine höhere Kreditaufnahme dafür die jüngeren Generationen, die an der Alterung der Bevölkerung ohnehin schon schwer zu tragen haben, noch mehr belastet, sagt er nicht.

Ist der Ruf erst ruiniert

Statt nach dem Motto „ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert“ mit gelöster Bremse ohne weitere Hemmungen in die Staatsüberschuldung zu rasen, wäre es jedoch an der Zeit, der geschundenen Fiskalregel wieder mehr Glaubwürdigkeit zu verschaffen. Dafür hilfreich wäre, den Blick von der Passivseite auf die gesamte Bilanz des Staatsvermögens zu weiten. Seit dem Jahr 2018 präsentiert der Internationale Währungsfonds solche Bilanzen für eine ganze Reihe von Staaten bis zurück ins Jahr 2000. Natürlich sind diese Zahlen mit Vorsicht zu genießen. Aber sie zeichnen ein insgesamt realistisches Bild der staatlichen Vermögensbilanzen.

 

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Das sich aus der Differenz zwischen dem Anlagevermögen und den Verpflichtungen ergebende Nettovermögen des deutschen Staates wird dort für das Jahr 2000 auf rund minus 9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) veranschlagt. Die (durch den Negativwert ausgewiesene) Überschuldung steigt in den Folgejahren auf rund minus 25 Prozent im Jahr 2005 und schwankt um diesen Wert bis 2011. Also bis zu dem Jahr, in dem die Schuldenbremse wirksam wurde. Danach beginnt die Überschuldung abzunehmen, bis zu einem Nettovermögen von minus 3,7 Prozent des BIP im Jahr 2021, dem letzten verfügbaren Datenpunkt. 

Aufschlussreiche Vergleiche

Vergleicht man die Entwicklungen der staatlichen Nettovermögen von Deutschland und Frankreich, wird die Wirkung der deutschen Schuldenbremse noch deutlicher. In Frankreich, wo die Schuldenbremse längst wirkungslos ist, fiel das staatliche Nettovermögen von minus 25 Prozent im Jahr 2000 auf minus 44 Prozent im Jahr 2020, der letzten verfügbaren Beobachtung. Ziemlich hoffnungslos scheint die Lage in Italien, wo das Nettovermögen im Jahr 2000 bei minus 176 Prozent und im Jahr 2021 bei 164 Prozent des BIP lag.

Aufschlussreich ist auch der Vergleich mit den USA. Im Jahr 2011 betrug die Nettovermögensposition des amerikanischen Staats plus 24 Prozent des BIP, während sie in Deutschland bei minus 24 Prozent lag. Wie gesagt stieg dann mit der Einführung der Schuldenbremse die Nettovermögensposition des deutschen Staats auf minus 3,7 Prozent des BIP, während das Nettovermögen des US-amerikanischen Staats auf minus 18 Prozent im Jahr 2021 fiel. 

Aufschlussreich ist auch der Vergleich der USA mit Frankreich. Die USA haben zwar eine höhere Staatsschuldenquote, aber auch ein höheres staatliches Nettovermögen als Frankreich. Es kommt also nicht allein auf die Verschuldung, sondern auch auf ihre Verwendung für die Finanzierung von Konsum oder Investitionen an.

Der muss Bankrott anmelden

Wer in der Privatwirtschaft ein negatives Nettovermögen aufweist, muss Bankrott anmelden. Staaten bleiben davon verschont. Doch weist ein negatives Nettovermögen auf Wohlstandsverluste durch Überschuldung und Umverteilung von vermögensarmen Steuerzahlern zu einer vermögenden Rentierklasse hin. Künftige Generationen müssen eine Zinslast stemmen, ohne in den Genuss von mit der Schuldenlast erworbenen Vermögenswerten zu kommen. Vermögende Rentiers, die mit den aufgenommenen Staatsschulden in jüngeren Jahren Konsumausgaben statt Investitionen finanzierten, kassieren von den jüngeren Steuerzahlern in reiferen Jahren Zinsen, mit denen sie weitere Konsumausgaben finanzieren können. 

Zudem kann die staatliche Überschuldung die Inflation anheizen, wenn die Zentralbank den Zins niedrighalten muss, damit der Staat von den Zinszahlungen nicht überfordert wird. Nach der in den Wirtschaftswissenschaften an Einfluss gewinnenden fiskalischen Theorie des Preisniveaus eliminiert die Inflation negative Nettopositionen in der Staatsbilanz, indem sie den Realwert hoher nominaler Schulden auf den Realwert des staatlichen Vermögens herunterdrückt. 

Nach dieser Überlegung könnte die höhere Nettovermögensposition des deutschen Staates den Druck auf die Europäische Zentralbank mindern, höhere Inflation zuzulassen. Denn die (mit dem Anteil am EZB-Kapital) gewichtete durchschnittliche Nettovermögensposition der drei größten Eurostaaten beträgt dank des guten Werts für Deutschland trotz der gewaltigen Überschuldung Italiens nur minus 59 Prozent des BIP. Allerdings greift diese Überlegung nur dann, wenn Italien die anderen EWU-Staaten nicht für die monetäre Finanzierung seiner Überschuldung in Geiselhaft nehmen würde.

Was folgt aus all dem für Herrn K., nachdem er der Trickserei überführt wurde? Der gesunde Menschenverstand und der hier ausgebreitete ökonomische Sachverstand raten zur Rückkehr zur Prinzipientreue. Dafür muss Herr K. aber seine ehrgeizigen Ausgabenpläne kürzen und wohl für eine Weile in Sack und Asche gehen. Der politische und diesem dienliche ökonomische Sachverstand sprechen dagegen. An der Entscheidung für die eine oder andere Alternative werden wir den Charakter von Herrn K. messen können.

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Tomas Poth | Do., 16. November 2023 - 11:26

Hr. K erhöht seine Schulden einfach, weil er seine ganze Sippschaft ins Obligo nehmen kann.
Der Sippschaft suggeriert er, daß das schon alles ziemlich gut gehen wird, nach dem Motto die Zeit wird da schon helfen. Da ist Hr. K sehr schmerzfrei, denn durch seine Position ist er, selbst wenn es schief gehen sollte, auch in der Zukunft abgesichert, ohne für sein Handeln die Verantwortung übernehmen zu müssen (sh. Merkel).
Allein die Sippschaft trägt das Risiko und wird in der Zukunft fast nur noch ausschließlich ihre Arbeitsleistung für die Vergangenheit erbringen müssen, statt für ihre Zukunft sorgen zu können.
Bezogen auf die "Klimainvestitionen", wir verschwenden unsere Kraft für "Transformationen" die den Aufwand erhöhen, bei gleichzeitig geringeren Nutzen, der uns zukünftigen Verzicht auferlegen wird.

ursula keuck | Do., 16. November 2023 - 12:06

Wer jetzt immer noch meint bei den nächsten Wahlen einen von diesen Ampel-Nieten wählen zu müssen, der ist, wie man im Rheinland sagt: „Mit dem Mopp gepudert“, oder auch dem hat man gleichfalls ins Gehirn ge………

Karl-Heinz Weiß | Do., 16. November 2023 - 12:17

Keine Frage: Christian Lindner hat nach dem ursprünglichen "Durchwinken " des Heizungshammers nun erneut gegen seinen politischen Kompass gehandelt. Warum wird aber sein Handeln abgekanzelt und nicht die unverantwortliche Haushaltspolitik Frankreichs und Italiens ? Auch die Berechnung der Coronahilfen (60 Milliarden nicht ausgeschöpftes Volumen) wird nicht hinterfragt.

Klaus Funke | Do., 16. November 2023 - 12:27

Wer glaubt, dass die Trickser und Lügenbolde in der Regierung irgendwelche Konsequenzen befürchten müssen, der irrt. Sie werden bleiben und die Defizite auf die Bevölkerung abwälzen. Kürzungen und neue Steuern erwarten uns. Es wäre zwar eine Gelegenheit für die Opposition jetzt nach der Macht zu greifen - aber nicht mit den Weicheiern von der CDU. Nichts wird sich ändern, außer, dass es noch beschissener wird in diesem Lande zu leben. Ich habe keinerlei Hoffnungen mehr. Die Heizungen sind kalt, die Lebensmittel und der Sprit teuer. Was soll´s? Wir können zehnmal über die mieseste Regierung jammern, es wird nichts nützen. Nur die Wahlen könnten helfen. Aber auch dort werden wieder Koalitionen aus Verlierern gebildet.

Hans Jürgen Wienroth | Do., 16. November 2023 - 12:57

Nun fehlt der Ampel das Geld für die Transformation und die vielen Wohltaten. Fast zeitgleich klagt die DUH vor demselben Gericht, das gerade die Umwidmung des Corona-Fonds verboten hat, auf Einhaltung der früher von diesem Gericht eingeforderten CO2-Ziele. Will die Regierung nicht alle Bürger enteignen, um die Klimaziele umzusetzen, bleibt nur eines: Alle Kohlekraftwerke abschalten und nur noch Heizungen mit Strom erlauben. Ohne Sonne oder Wind bleibt es kalt in der Wohnung, aber dafür retten wir das Weltklima, während andere Länder unser CO2-Budget mit verbrauchen.
Wenn wir so weiter wirtschaften, nur die Rettung des Weltklimas und nicht die Ernährung oder der eigene Wohlstand eine Rolle in unserem Land (Gerichte und Politik) spielen, dann werden wir bald ärmer sein als Afghanistan oder alle Länder des globalen Südens.

Stefan Jarzombek | Do., 16. November 2023 - 13:10

"Der gesunde Menschenverstand und der hier ausgebreitete ökonomische Sachverstand raten zur Rückkehr zur Prinzipientreue. Dafür muss Herr K. aber seine ehrgeizigen Ausgabenpläne kürzen und wohl für eine Weile in Sack und Asche gehen."
Es ist jedoch gerade dieser gesunde Menschenverstand, der mich an dieser Regierung zweifeln lässt.

Edwin Gaza | Do., 16. November 2023 - 14:35

Wenn man prinzipientreu bleibt, muss man das Lied anstimmen: wer soll all die "Mussman" bezahlen, Weltklima mit erforderlicher Energiewende, Not in der Welt und Ukraine, Bürgergeld mit Wohngeld statt Arbeit.
Und trotz Energiesparen, lässt man Leute ins Land, die bei uns ein mehrfaches an CO2 Ausstoß haben, als in dem Land aus dem sie kommen, Afrika 1t/Kopf, Deutschland 8t
Man muss sich endlich die Fragen stellen: "Brauchtmandaswirklich","Wievieldavon" und "Warumdaseigentlich". Teuer ist die rotgrüne Theorie/Ideologie und kein Ende in Sicht.
Aber wie sagte der Märchenerzähler: Ist ja nur Geld.
Und in Waldenbuch gibt es ja eine Skulptur, könnte die vielleicht helfen?

Sabine Jung | Do., 16. November 2023 - 15:23

ein großes Manko ist die "Nicht-Haftung" unserer Politiker. Wenn sie für ihren Schwachsinn gerade stehen müssten und auch wie jeder Manager und Selbstständige mit ihrem privaten Vermögen haften müssten, würden sie nicht so viel Unsinn verbreiten. Sie wären gebildeter und für den Posten, den sie da beziehen bestens vorbereitet.
Wenn es an der Zeit ist gehen sie einfach und wechseln z.B.in die EU, siehe Frau von der Leyen. So geht Karriere.

Es muß eine Form der Haftung gefunden werden, ein Multiplikator zwischen Null und Eins, mit dem die Versorgungszahlungen an die Politik-Elite ausgeschüttet werden.
Diese Zahl muß am Volkswohlstand und seiner Mehrung ermittelt werden. Ähnlich der Rentenversorgung. Eine Aufgabe für die Wiwis und Banker!

Ernst-Günther Konrad | Fr., 17. November 2023 - 08:07

Ich bin da skeptisch. Die machen da einfach weiter, wo sie aufgehört haben. Dann werden die 60 Mill. eben woanders durch umverteilen, versteckte Steuererhöhungen oder eben wieder einen verfassungswidrigen Haushalt generiert. Ab 1.1.24 gilt wieder die reguläre Mehrwehrsteuer, da wird der Anfang gemacht. Mal sehen was die Reichen hergeben und die CO² Steuer und, und, und. Ich las gestern einen Artikel auf Focus online von Ulrich Reitz, der wie ich der Meinung ist, das rot-grün geradeso weitermacht. Auch wenn Lindner jetzt den großen" Haushälter gibt. Der wird zum Postenerhalt bei jeder Trickserei mitmachen, welche die brüchige Ampel noch zusammenhält. Man überlegt nur noch, wie man diesmal ein verfassungswidriges Handeln mit einem "tollen" Begriff kaschieren kann. Solange die Ampel noch flackert, geht es weiter den Bach hinunter.

Henri Lassalle | Fr., 17. November 2023 - 14:33

wurde und wird auf jeden Fall gefördert, ob es sich um die EZB-"Pollitik" handelt oder anderen finanztechnischen Methoden.
Das Grundproblem aber ist ein Fehler, den das Management eines Unternehmens niemals begehen darf: Der Mangel an Prioritätsperzeption und das entsprechende, konsequente Handeln. Die kuriose "Ampel-Koalition" hat augenscheinlich wenig Sinn für Prioritäten. Das kommt davon, wenn man Parteien wie die Grünen in der Regierungsmannschaft hat und ausserdem den gesunden Menschenverstand nicht einschaltet.