Kabinett Olaf Scholz - Das spektakuläre Scheitern einer Frauenquote

Nichts schadet dem Ansehen von Frauen in der Politik mehr als Ich-Darstellerinnen, die nach allen möglichen Kriterien in ihre Positionen gekommen sind, nur nicht nach Können und Engagement. Selten ist das so deutlich zu erkennen wie beim Blick auf das derzeitige Spitzenpersonal der Ampel-Regierung. Dabei gibt es eine unüberschaubare Zahl kluger und fähiger Frauen, auch bei SPD und Grünen. Nur sind die offensichtlich nicht bereit, sich einem dysfunktionalen Politikbetrieb auszuliefern.

Familienministerin Anne Spiegel (Grüne) erhält von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Ernennungsurkunde. Rechts steht Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) / dpa
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Autoreninfo

Jens Peter Paul war Zeitungsredakteur, Politischer Korrespondent für den Hessischen Rundfunk in Bonn und Berlin, und ist seit 2004 TV-Produzent in Berlin. Er promovierte zur Entstehungsgeschichte des Euro: Bilanz einer gescheiterten Kommunikation.

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Der Moment, in dem sich Olaf Scholz die Falle selbst stellte, ist dank Twitter auf die Minute genau überliefert: 27. November 2020, 11:37 Uhr: „Ich gebe hier heute das Versprechen ab: Ein von mir als Bundeskanzler geführtes Kabinett ist mindestens zur Hälfte mit Frauen besetzt.“ Der Kandidat erhoffte sich davon eine Befriedung der eigenen Partei, Lob von den Qualitätsmedien und hier und da einige Wählerstimmen oben drauf – alles zu Recht, wie sich zeigen sollte. Doch er hatte nicht mit der FDP gerechnet, die nicht daran dachte, sich dieser Regel nach dem souveränen 25-Prozent-Triumph der SPD zu unterwerfen.

53 Wochen später schnappte die Falle dann zu: Als soeben vom Bundestag bestimmter Kanzler benannte er nach bundesweiter Fahndung SPD-Ministerinnen und akzeptierte darüber hinaus Frauen von den Grünen, die ihren Aufgaben weder menschlich noch fachlich gewachsen sind, was sich schnell vor aller Augen zeigen sollte – und Scholz vergangene Woche zu in dieser Konzentration nie gesehenen Notmaßnahmen zwang.

Der Bundeskanzler muss, weil er die einzig vernünftige Lösung scheut, eine sofortige und durchgreifende Kabinettsumbildung, eine ganze Kette von Problembergen – Verteidigung, Inneres, Flüchtlinge, Familie und Jugend – jetzt selbst abarbeiten. Nun könnte man sagen: Es geschieht ihm ganz recht. Allerdings hängt das ganze Land mit drin; alle miteinander müssen wir seine Fehler ausbaden. Und das ausgerechnet angesichts einer heraufziehenden Wirtschafts- und Versorgungskrise, wie sie die Bundesrepublik noch nicht gesehen hat und der Kontrollverlust mit jedem Tag näher zu rücken scheint. Wir befinden uns in einer historischen Lage, in der wir uns ungeeignetes politisches Personal, ausgewählt nach unbrauchbaren, äußerlichen Kriterien, weniger denn je leisten können.

Scholz hat danebengegriffen

Zehn Wochen hatte der 63-Jährige Zeit nach der Bundestagswahl bis zur Vereidigung, um sich ein einigermaßen überzeugendes Kabinett zusammenzustellen, wobei die Ansprüche von Bevölkerung und Unternehmern ja schon lange nicht mehr übertrieben hoch sind. Kompetent, verantwortungsbewusst, engagiert und mit einem Minimum an Anstand, Charakter, Lernfähigkeit und Umsicht ausgestattet – die Erfüllung von, sagen wir, wenigstens vier von sieben Punkten sollte selbst im Jahr 2022 für die politischen Spitzenpositionen der Bundesrepublik noch keine unzumutbare Forderung sein. Irrtum.

Tatsächlich hat so oft wie Olaf Scholz noch kein Bundeskanzler vor ihm danebengegriffen. Dachte er tatsächlich, es sei völlig wurscht, wer den Job macht, solange nur eine wie auch immer definierte Quote erfüllt wird? Was ist das für ein Amtsverständnis? „Dieses Kabinett ist so weiblich wie kein anderes zuvor – Hurra!“ „Studien belegen ja: Gemischte Teams sind die besseren und Frauen haben andere Lösungsansätze“: Der Jubel der „Tagesschau“ vom 7. Dezember über sein Personaltableau klingt, obwohl keine vier Monate alt, nur noch unfreiwillig komisch.

Scholz muss Kompetenzen an sich ziehen, für die er weder die Zeit hat noch die Ressourcen, wenn gleichzeitig Weltgeschichte passiert. Die Schlagzeilen sagen es: „Grüne fordern Krisenstab im Kanzleramt zur Bewältigung der Flüchtlingskrise“ – „Scholz macht Ertüchtigung der Bundeswehr an Lambrecht vorbei zur Chefsache“ – „Scholz lässt Bundestag den Vorrang in Sachen Impfpflicht, weil er selbst ratlos ist und ohne Mehrheit dasteht“.  Und so weiter und so fort.

Irrlicht-Minister Lauterbach

Weder seine Innenministerin noch seine Verteidigungsministerin, beide aus Hessen, sind ihrer Aufgabe gewachsen. Beide wurden ohne jeden zwingenden Grund in ihre Ämter geholt. Jetzt bleibt dem Kanzler gar nichts anderes übrig, als seine Richtlinienkompetenz auszuüben, will er nicht in weiteren 100 Tagen vollends Insolvenz anmelden und sich damit weltweit blamieren.

Wobei er eine weitere Schwachstelle, den Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach – Kernkompetenz: „Irrlichtern mit Erzeugung von Durcheinander en gros und en détail“ – genauso ohne Sinn und Verstand ins Amt befördert hat. Weil Scholz glaubte, auf irgendwelche und längst überholte Beliebtheitsumfragen vom Herbst hören zu können. Für einen kurzzeitigen Wow-Effekt band sich der Regierungschef einen besonders schweren Klotz ans Bein. Seine Reaktion: Thema „Pandemie“ ignorieren, Karl Lauterbach sich selbst überlassen.

Das Ergebnis ist bekannt: Die Länderchefs, auch jene der SPD, die nun mit halbgaren und widersprüchlichen Vorgaben zurechtkommen sollen, fassen es auch Tage später nicht, wie man so mit ihnen und sechsstelligen Infektionszahlen umgehen kann. Das Verhältnis zwischen Bund und Ländern ist auf diesem Feld zerrüttet. Doch Scholz nahm das Desaster scheinbar ungerührt zur Kenntnis. Einziger Kommentar nach einem parteiübergreifenden Video-Shitstorm: „Da müssen wir wohl nacharbeiten.“ Diese Baustelle tut er sich nicht auch noch an, obwohl er auch sie durch eine irrationale Personalentscheidung höchstpersönlich aufgerissen hat.

Anne Spiegels Image-Sorgen

Anne Spiegel (Bündnis 90/Die Grünen) ist zumindest mitverantwortlich für den Tod von 135 Menschen im Ahrtal, für zum Teil lebensbedrohliche Verletzungen von weiteren 800 Frauen, Männern und Kindern, für historisch einmalige Sachschäden und den Verlust unzähliger Existenzen. Warum ist die 41-Jährige nach wie vor im Amt? Und warum wurde sie sogar aufgrund der bizarren Quotenlogik der Grünen (Mann/Frau, sehr links/nicht ganz so links, jung/alt, biodeutsch/zugewandert) kein halbes Jahr nach ihrem Totalversagen in den Tagen und Stunden vor, während und nach der Flutnacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 von der Landesumweltministerin zur Bundesfamilienministerin befördert?

Die Antwort liegt in einer der deutschen Politik eigenen Logik, die der Normalbevölkerung nur mit Mühe beschreibbar und vor allem nicht schlüssig erklärbar ist. Es ist die Kenntnis der gegenseitigen Schwachstellen der Parteien, die diese Personen in die Regierung geschickt haben, Schwachstellen, die gerade deshalb so wirkungsvoll sind, weil sie nicht etwa geheim als Leichen in irgendeinem Keller liegen, sondern als Gegenstand der täglichen Berichterstattung allgemein bekannt sind.

In dieser Lage hat dem Regierungschef eine für ihren Posten als Familienministerin offensichtlich fachlich und charakterlich ungeeignete Anne Spiegel gerade noch gefehlt. 400 Meter von seinem Kanzleramt entfernt – Scholz braucht nur aus dem Fenster im sechsten Stock zu schauen – trifft alle paar Stunden ein neuer Zug mit Flüchtlingen aus der Ukraine ein, voller Frauen, Kinder, Senioren, originäre Zuständigkeit ihres Ressorts. Aber Frau Spiegel fühlt sich seit dem 24. Februar je nach Tagesform zu schwach oder zu unzuständig, um sich um diese Menschen zu kümmern.


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Munter wurde Spiegel seit ihrer Krankmeldung – pünktlich zum Tag des russischen Angriffs auf die Ukraine – lediglich zweimal. Nämlich dann, sobald sie ihre Karriere in Gefahr sah: Am 11. März für ihren Auftritt vor dem Mainzer Untersuchungsausschuss. Grünen-Chef Omid Nouripour hatte ihr zuvor über die Medien klargemacht, dass es vorbei ist, wenn sie dort nicht antanzt. Und am 16. März für die Kabinettssitzung, um dem Bundeskanzler am Rande auf den Zahn zu fühlen, wie es um ihr Rest-Ansehen bei ihm bestellt ist.

Für alle anderen Tage galten die Worte ihres Sprechers Hanno Schäfer, wonach „für die Unterbringung und Versorgung von nach Deutschland geflüchteten Menschen – unabhängig von Alter und Geschlecht – die Länder und Kommunen“ zuständig seien. Was darüber hinaus zu tun sei, falle innerhalb der Bundesregierung, so Schäfer in einer Mail an Cicero, in den Verantwortungsbereich des Bundesinnenministeriums.

Schuld haben immer die anderen

Es ist die bruchlose Fortsetzung ihres Amtsverständnisses aus ihrer Mainzer Zeit: Bloß nicht einmischen, wenn doch vermeintlich alles super klappt; zuständig sind immer andere, vor allem, wenn es eher suboptimal funktioniert. Dass Anne Spiegel mit dieser Haltung für die kritischen Fragen des Parlaments in der Aktuellen Stunde des Bundestages erst recht keine Zeit hatte, versteht sich von selbst. In Berlin und in Mainz revanchiert sich die Opposition seitdem mit Rücktrittsforderungen. 

So dickfellig kann selbst ein Olaf Scholz nicht sein, dass er mit dieser Ministerin noch glücklich wäre. Doch was soll er machen? Solange Ricarda Lang, Omid Nouripour, Robert Habeck und Annalena Baerbock nicht von selbst auf die Idee kommen, dass ihre einstige Vorzeigelinke und Chef-Genderin Spiegel nicht länger tragbar ist, weil sie die ganze grüne Bewegung dauerhaft in Misskredit bringt, sind ihm nach eigener Wahrnehmung die Hände gebunden. Denn die Grünen würden ihm, käme er mit diesem Ansinnen, umgehend seine eigenen Fehlbesetzungen um die Ohren hauen.

Kippen Grüne, kippen SPD-Frauen mit

Der Bundeskanzler müsste dann nach Lage der Dinge seinen Laden komplett umbauen, neben Anne Spiegel auch seine Verteidigungsministerin Christine Lambrecht feuern, Innenministerin Nancy Faeser als Fachfrau für absurde Prioritätensetzung sowieso und sinnvoller Weise Gesundheitsminister Karl Lauterbach gleich dazu. Das Herumgekasper einer Bundestagspräsidentin per TikTok-Video, zweite Frau im Staate, aber in Quarantäne und offensichtlich gelangweilt, ignoriert er unter diesen Umständen nicht einmal.

Sicher: Bärbel Bas ist eine Erfindung von Fraktionschef Rolf Mützenich. Aber auch bei ihr weiß kein Mensch, warum und wieso ausgerechnet sie aus dem Hut gezogen wurde, um Wolfgang Schäuble zu ersetzen. Es ist jene Frau Bas, die unter dem Vorwand, jede Infektionsgefahr unterbinden zu müssen, die Presse sowie mindestens hundert Delegierte widerrechtlich aus der größten parlamentarischen Versammlung seit 1949 ausschloss und nun selbst corona-positiv zuhause hockt – womit sie Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt die Gelegenheit gab, sich und den gesamten Bundestag in historischer Stunde zu blamieren. Nämlich nach der Rede des ukrainischen Präsidenten.    

Lemke will eine „feministische Umweltpolitik“

Auch der Blick auf das weitere Kabinett bietet keinen Trost. Svenja Schulze (SPD) und Steffi Lemke (Grüne) stehen mit ihren Ministerien für Entwicklung und für Umwelt nach wie vor herum wie bestellt und nicht abgeholt. Schulzes Etat soll, wie sie – von Christian Lindner vor vollendete Tatsachen gestellt – verblüfft feststellte, um 1,6 Milliarden Euro gekürzt werden. Es ist ein Affront, den kein Finanzminister gegen Vorgänger Gerd Müller (CSU) gewagt hätte, schon gar nicht in dieser Weltkrise.

Gleichzeitig wütet die grüne Umweltministerin Lemke gegen jede Überlegung und damit sogar präventiv gegen Robert Habeck und Annalena Baerbock, bei denen sie zunehmende Unzuverlässigkeit zu erkennen glaubt, die verbliebenen drei deutschen Atomkraftwerke wenigstens für ein Vierteljahr weiterlaufen zu lassen, um über den Winter zu kommen. Zur Begründung verweist sie auf das russische Vorgehen in Tschernobyl, das die Gefahren dieser „Hochrisikotechnologie“ nur zu deutlich beweise – „Beschuss, Brände, überlastete Mannschaften“.

Lemke besteht vielmehr auf einer „feministischen Umweltpolitik“, in der Atomkraft nicht vorkommt. Dass dieser Feminismus unter den gegebenen Umständen direkt in einen tagelangen Blackout führen kann, wofür nur vier oder fünf ungünstige Umstände innerhalb einer Minute zusammentreffen müssen, und Frühchen die ersten sind, die bei einem flächendeckenden Stromausfall im Krankenhaus sterben, scheint sie nicht zu wissen oder nicht zu kümmern. Fast zur selben Stunde meldet Innenministerin Nancy Faeser stolz, dass man 1660 neue Stellen für mehr Sicherheit, Integration und Zusammenhalt schaffe, und macht dort mit Verteilungsforderungen weiter, wo Angela Merkel in Europa seit dem Sommer 2015 schon zigmal krachend gescheitert war.

Hohe Düngerpreise verteuern Lebensmittel

Nicht einmal Cem Özdemir (Grüne) hat inzwischen eine rechte Vorstellung, was er mit seinem Landwirtschaftsressort anfangen soll, und das, obwohl eine Ernährungskrise dank Putins Wüten täglich wahrscheinlicher wird. Denn die Winterweizen-Ernte könnte die schlechteste in der Geschichte werden mit der Folge weltweiter Hungersnöte. Es gäbe für Özdemir also weiß Gott mehr zu tun, als um Bio-Kraftstoffe zu fürchten und das Verbot von Düngern und Pestiziden.

Tatsächlich treibt ihn – ins Amt gehoben, um im Kabinett wenigstens einen Minister mit Migrationshintergrund vorweisen zu können – vor allem die Sorge um, finstere Mächte könnten den Krieg um die Ukraine ausnutzen, mühsam erkämpfte Errungenschaften wie die Zwangsbeimischung von Bio-Ethanol und Pestizid-Verbote rückabzuwickeln. Wie ein Grüner aber der Weltöffentlichkeit erklären will, dass Deutschland mehr Getreide, Zuckerrüben und Mais denn je verheizt, während bis zu 40 Millionen Menschen zusätzlich im nächsten Winter Hunger leiden könnten, bleibt offen.

In den Industriestaaten tragen – nur ein Beispiel – exorbitant hohe Düngerpreise zur Teuerung bei Lebensmitteln bei. Für Özdemir ist das aber kein Anlass, sich zu fragen, ob er hier eigentlich noch auf dem richtigen Dampfer ist oder es nicht vielmehr höchste Zeit wäre, Prioritäten jenseits des grünen Parteiprogramms wenigstens für die kommenden zwei Jahre auch und besonders im Interesse ärmerer Länder neu zu setzen, auch wenn ihm das Ärger mit der Basis einhandeln wird, die ein „Jetzt erst recht!“ propagiert, weil ihr die ganze Richtung nicht passt. Ein weiterer Beweis, wie grüne Ideologien scheitern, sobald die Wirklichkeit nur heftig genug dazwischenfunkt. Nichts ist zu Ende gedacht.

Bei Möllemann genügte falsches Papier

Erlauben wir uns vor diesem Hintergrund einen kurzen historischen Exkurs. Wie war das eigentlich vor zehn, 20 oder 30 Jahren unter früheren Kanzlern? Wann und warum mussten unter Kohl, Schröder, Merkel Ministerinnen und Minister abdanken? Um ein Gefühl zu bekommen für herkömmliche Maßstäbe, die noch gar nicht so alt sind, lohnt ein Blick in die jüngere Zeitgeschichte.

Bundespostminister Christian Schwarz-Schilling (CDU) verkrachte sich 1992 am Kabinettstisch mit Helmut Kohl, weil ihn die Gleichgültigkeit der Bundesregierung gegenüber dem Bosnien-Krieg anwiderte, und dankte freiwillig ab. Jürgen Möllemann (FDP) verlor 1993 sein Amt als Bundeswirtschaftsminister, weil er für ein privates Anliegen amtliches Briefpapier benutzt hatte. Im selben Jahr übernahm Rudolf Seiters (CDU) die Verantwortung für den missratenen GSG-9-Einsatz in Bad Kleinen und stellte sein Amt ohne jede persönliche Schuld als Innenminister zur Verfügung.

Reinhard Klimmt (SPD) resignierte 2000 als Bundesverkehrsminister, nachdem Verträge zugunsten eines heimatlichen Fußballvereins aufgeflogen waren. Andrea Fischer (B90/Grüne) und Karl-Heinz Funke (SPD) waren als Minister für Gesundheit und für Landwirtschaft 2001 am Ende, weil sie sich in der BSE-Krise als überfordert erwiesen hatten, woraufhin Joschka Fischer und Gerhard Schröder die beiden innerhalb weniger Stunden loswerden wollten. Und Rudolf Scharping (SPD) planschte 2001 zur falschen Zeit am falschen Ort mit der falschen Frau im falschen Pool und verlor, nachdem er sich zusätzlich mit einem zwielichtigen Berater eingelassen hatte, einige Monate später sein Amt als Verteidigungsminister.

Durchgehend ausgesprochen widerwillig reagierte dagegen die Bundeskanzlerin, als sie erkennen musste, dass Karl-Theodor zu Guttenberg (Verteidigung, Entlassung 2011), Annette Schavan (Bildung, Entlassung 2013) und Franziska Giffey (Familie, Entlassung 2021) bei der Abfassung ihrer Dissertationen betrogen hatten und nicht länger zu halten waren.

Was demgegenüber Franz Josef Jung (CDU, Verteidigung, Rücktritt 2009 nach 33 Tagen Amtszeit) und Hans-Peter Friedrich (CSU, Landwirtschaft, Rücktritt 2014) eigentlich so falsch gemacht hatten, dass sie von der Kanzlerin zum Rücktritt gezwungen wurden, war Beobachtern schon damals nicht so recht klar. Ihre fristlosen Kündigungen wirken bis heute ähnlich willkürlich wie die von Umweltminister Norbert Röttgen (CDU), der von Angela Merkel 2012 gefeuert wurde, weil er die Landtagswahl in NRW verloren hatte. Ein Anlass, der definitiv nichts mit seiner Amtsführung zu tun hatte.         

Spiegel für Dreyer noch nützlich

Im Frühjahr 2022 wird man dagegen schon froh sein müssen, wenn diese Koalition wenigstens die dringendsten Korrekturen an ihrem Personaltableau vornimmt. Warum aber nicht einmal das – Stand heute – als wenigstens wahrscheinlich gelten kann, zeigt ein Blick nach Rheinland-Pfalz. Ministerpräsidentin Malu Dreyer, die heimliche Ehrenvorsitzende der SPD, weiß ganz genau, warum sie jedenfalls öffentlich bis heute zu Anne Spiegel hält, obwohl sie deren Fehler und Versäumnisse natürlich besser kennt als irgendwer sonst.

Dreyer würde Scholz vermutlich die Augen auskratzen, sollte er Spiegel auf eigene Initiative entlassen, würde doch deren Scheitern den Blick endgültig freigeben auf ihr eigenes Missmanagement in Mainz. Anne Spiegel und ihr unverändert im Amt befindlicher Staatssekretär Erwin Manz müssen „der lieben Malu“ noch so lange wie möglich als Kugelfang dienen.

Dreyer hat, ausgehend von ihrer Staatskanzlei mit einem Frauenanteil von mittlerweile über 80 Prozent in den leitenden Positionen, jene Strukturen geschaffen und Fehlentwicklungen geduldet, die das staatliche Versagen vor, während und nach der Flutkatastrophe überhaupt erst ermöglichten. Das ist dank der akribischen Arbeit des Mainzer Untersuchungsausschusses inzwischen aktenkundig und vor allem bei genauerem Hinsehen von den Akteuren sogar unbestritten, liest man die wörtlichen Zitate von Spiegel und Manz aus der Sitzung des Ausschusses vom 11. März und vergleicht sie mit den schriftlichen Dokumenten und anderen Zeugen.       

Letzte Woche stellte die rheinland-pfälzische CDU-Opposition den Beweisantrag, alle Verbindungsdaten der damaligen Umweltministerin Spiegel mit ihren Mitarbeitern während des Unglücks in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 zu veröffentlichen. Über das Wochenende erfolgte die Aufarbeitung der Protokolle und die Formulierung der politischen Schlussfolgerungen durch Partei- und Fraktionschef Christian Baldauf und Obmann Dirk Herber.

Bitte bei der Wahrheit bleiben

Der Befund ist für Ex-Umweltministerin Spiegel und Staatssekretär Manz gleichermaßen niederschmetternd: Zwischen dem Nachmittag des 14. Juli 2021, einem Mittwoch, um 15:56 Uhr mit der SMS „Bitte gendern: CampingplatzbetreiberInnen“, auf das um 16:26 Uhr noch eine SMS mit „Dann jetzt“ folgte, womit der Versand der Pressemitteilung mit der (grob falschen) Entwarnung gemeint war, und dem Donnerstagmorgen um 7:30 Uhr liegt dem Ausschuss keine aktive Kommunikation von Ministerin Anne Spiegel vor. Es handelt sich um die schlimmsten 15 Stunden in der Geschichte von Rheinland-Pfalz.

Die Darstellung aus der jüngsten CDU-Pressekonferenz kann man ohne Anführungszeichen bringen, weil sie der Beweislage entspricht und weder von Spiegel noch von Manz substantiiert bestritten wird. Vielmehr wird Manz sich angesichts der wiederholten Ermahnung des Ausschussvorsitzenden Martin Haller (SPD), bei der Wahrheit zu bleiben, ein weiteres Mal prüfen müssen, ob er seine offensichtlich kontrafaktische Behauptung aufrecht erhalten will, es habe sehr wohl gegen 22:30 Uhr noch einen Rückruf seiner Chefin gegeben. Denn dieser ist weder in seinen noch in ihren Verbindungsprotokollen zu finden.

Folgerichtig „glaubt“ sich Spiegel stets nur „zu erinnern“ und „geht davon aus“, dass es so gewesen ist – auswendig gelernte Formulierungen aus dem Strafrecht also, um im Falle einer Widerlegung nicht wegen Falschaussage belangt zu werden. Mehr denn je spricht inzwischen dafür, dass Anne Spiegel ab dem frühen Abend wegen eines Restaurantbesuchs in der Mainzer Innenstadt mit ihrem Vertrauten, dem Fraktionsvorsitzenden der Grünen Bernhard Braun, und in der ganzen Nacht der größten Katastrophe des Landes bis morgens um halb acht nicht erreichbar war und auch keinen Anlass sah, selbst in irgendeiner Form initiativ zu werden. Weder ihr Staatssekretär noch ihr Büroleiter Giuseppe Lipani wussten nach eigener Darstellung wirklich zu sagen, wo sie seit dem Ende der Landtagssitzung steckte.

Irreführende Pegelstände und Prognosen

Wobei Manz sich hüten wird, seine ehemalige Chefin anzugreifen, sah er sich doch zu irgendeinem Krisenmanagement oder wenigstens einer Nachfrage, wie es an den Katastrophenorten aussieht, in jenen Stunden ebenfalls nicht veranlasst. Und das, obwohl Manz spätestens um 21:42 Uhr ins Bild gesetzt worden war, was im Ahrtal abgeht. Und obwohl er, ehemaliger Abteilungsleiter Wasserwirtschaft, für die mindestens irreführenden Pegelstände, Prognosen und Warnhinweise aus den drei Tagen vor der Katastrophennacht unmittelbar verantwortlich ist.

Seine und Spiegels Behauptung, die „Meldeketten“ hätten einwandfrei funktioniert, sind dank der Arbeit des Ausschusses als nachweislich falsch entlarvt. Vielmehr ist das vorläufige Resümee der Opposition offensichtlich zutreffend, nach dem Abläufe nicht funktionierten, Informationspflichten nicht erfüllt wurden, Meldeketten rissen und im Landesamt für Umwelt „am Tag der Flut Planlosigkeit und Kommunikationschaos herrschten“. Den eigenen Prognosen, so die Erkenntnis, schenkte man kein Vertrauen, das EFAS-System ERIC zur Sturzflutwarnung an kleineren Flüssen wurde ignoriert, ebenso die Regenmengen-Projektionen des Deutschen Wetterdienstes von bisher nie vorhergesagten 200 Millimetern, was akute Sturzflutgefahr bedeutete und auf mehreren öffentlich abrufbaren Wetterkarten bereits Stunden zuvor mit grossflächigen lilafarbenen Warnhinweisen dargestellt wurde. Aber es konnte nicht sein, was nicht sein durfte.
 

Mehr zu Spiegels Rolle während der Flut im Ahrtal:

Auch die Darstellung von Anne Spiegel, ihre beruhigende, aber grob falsche und nie korrigierte Pressemitteilung vom späten Nachmittag, nach der ein Extremhochwasser nun doch nicht zu erwarten sei, habe keinerlei Folgen gehabt, ist objektiv falsch. Vielmehr ist diese Entwarnung nach Darstellung von SWR-Nachrichtenchef Dr. Joachim Görgen sehr wohl „in die Bewertung der Lage eingeflossen“. Laut diesem Zeugen hätte der SWR bei zutreffenden Warnmeldungen selbstverständlich und unverzüglich entsprechend berichtet und gewarnt. Es hätten jedoch keine vorgelegen; auch habe sich kein Mitglied der Landesregierung im Sender gemeldet, um Alarm zu schlagen.

Spiegels Darstellung, es handele sich bei der Veröffentlichung weniger Kurznachrichten – in denen sie als erstes am Morgen ein „Blame Game“ befürchtete und mit ihrem Pressesprecher ausführlich per SMS eine Abwehrstrategie diskutierte – um eine Kampagne, denn in Wirklichkeit habe sie in jenen Stunden „tausende“ von Nachrichten ausgetauscht, ist nicht haltbar, sondern muss als widerlegt gelten. Es gibt diese „tausende“ von Nachrichten einfach nicht.

Ausführliche PR-Gegenmaßnhamen

Was es gibt, sind jede Menge Nachrichten an Spiegel auf den verschiedensten Wegen, entweder direkt oder in Kopie, aber diese blieben bis zum Morgen um 7:30 Uhr ohne jede Reaktion von ihr. Es gibt nicht einmal annähernd zeitnahe Lesebestätigungen. Wo Anne Spiegel in der Zeit von 18 Uhr bis 8 Uhr tatsächlich gewesen ist und was sie dort wann getan hat, ist eine unverändert offene Frage. Im Folgenden einzelne Nachrichten, die Spiegel am Morgen erreicht haben. (Wortlaut und Interpunktion wie im Original, laut Akten Untersuchungsausschuss, redaktionelle Ergänzungen in eckigen Klammern – Anm. d. Red.)

Regierungschefin Dreyer schrieb morgens um 5:58 Uhr an ihre für den Hochwasserschutz zuständige Ministerin:
„Liebe Anne, die Lage ist heute nacht eskaliert. Du hast sicherlich von deinen Leuten einen Bericht. Ich werde zu Beginn des Plan uns einen Lagebericht abgeben. [Innenminister] Roger [Lewentz] ist vor Ort. Wir besprechen uns im Plenum. LG Malu.“

Umwelt-Staatssekretärin Katrin Eder um 6:57 Uhr an Anne Spiegel und andere:
„Hallo zusammen, ich fühle mich zwar so, dass ich wieder telefonieren kann usw aber mir ist schon noch schlecht im Magen und habe riesen Kopfweh. Ich will niemanden anstecken. Deswegen würde ich hier bleiben, Post und Mails machen und telefonieren geht auch. Es tut mir leid.“

Umwelt-Staatssekretär Erwin Manz um 7:10 Uhr an Anne Spiegel und andere:
„Moselhochwasser wird höher als das im Februar.“

Um 7:20 Uhr liest Spiegel nach fast anderthalb Stunden die Nachricht von Ministerpräsidentin Dreyer und antwortet ihr um 7:30 Uhr:
„Liebe Malu, ja ich bin informiert und es ist absolut dramatisch. Habe bis heute Nacht um zwei noch telefoniert aber wollte dich nicht mehr mit einer Nachricht stören/wecken. So eine Lage sprengt alles was unsere Hochwasserleute bisher gekannt haben. Meine Leute sind auch am überlegen ob ich nichts raus sollte, die Grünen sind am überlegen, ob man nicht das Plenum verkürzt. Wir können auch kurz telefonieren, wenn du magst. LG Anne.“

Um 7:52 Uhr schreibt Pressesprecherin Josephine Keller an Anne Spiegel:
„Liebe Anne, 3 LK [Landkreise] haben den Katastrophenfall ausgerufen, die Lage ist sehr ernst, da Menschen vermisst werden und teilweise festsitzen. Wir müssen heute nachlegen. Ich telefoniere sobald es möglich ist mit Erwin. Viele Grüße Josephine (Link: SWR Hochwasser-Live-Blog in RLP)“

Um 8:07 Uhr schreibt Anne Spiegel an ihren Pressesprecher Dietmar Brück:
„Lieber Dietmar, das deckt sich mit meinen Überlegungen, plus: das Blame Game könnte sofort losgehen, wir brauchen ein Wording dass wir rechtzeitig gewarnt haben, wir alle Daten immer transparent gemacht haben, ich im Kabinett gewarnt habe, was ohne unsere Präventionsmaßnahmen und Vorsorgemaßnahmen alles noch schlimmer geworden wäre etc. Ich traue es [Innenminister] Roger [Lewentz] zu dass er sagt die Katastrophe hätte verhindert werden können oder wäre nicht so schlimm geworden wenn wir als Umweltministerium früher gewarnt hätten und dass es an uns liegt weil wir die Situation unterschätzt hätten etc. [...]“ 

Ministerin Spiegel hat also ihre Kardinalfehler und die ihres Hauses bereits morgens um 8 Uhr erkannt, als potentiell für sie gefährlich identifiziert und unverzüglich ausführliche PR-Gegenmaßnahmen in Auftrag gegeben, während ihr Staatssekretär Manz, der Mann ihres absoluten Vertrauens, zu diesem Zeitpunkt gedanklich noch auf Mosel und Rhein unterwegs war – im Vergleich zum Geschehen an der Ahr unwichtige Nebenschauplätze.

Wasserversorgung, Müllbeseitigung, Abwasserentsorgung

Im Widerspruch zur Beweislage erwidert das Mainzer Umweltministerium, die Wiedergabe „einzelner isolierter Bestandteile einer komplexen Kommunikation“ ergebe ein „verzerrtes Bild“. Außerdem habe Anne Spiegel „bei zahlreichen Terminen vor Ort gezeigt, dass ihr das Schicksal der Menschen im Ahrtal sehr nahe geht“ und auch „in Gesprächen am Rande des Plenums mit Vertretern der Landesregierung im Gespräch ihre Betroffenheit gezeigt“. Sie sei bereit gewesen, „noch am gleichen Tag ins Katastrophengebiet zu fahren“, nachdem sie „direkt morgens“ einen Krisenstab mit den nachgeordneten Behörden einberufen habe, um sich, so Pressesprecher Joachim Knapp, mit Wasserversorgung, Müllbeseitigung und Abwasserentsorgung im Katastrophengebiet zu befassen.

Anders als von der Opposition behauptet, seien außerdem „die Vorhersagen für die Ahr kontinuierlich in Beobachtung“ gewesen, schreibt das Mainzer Ministerium. In der Nacht auf den 14. Juli habe die Hochwassergefahr für die Ahr laut Wettervorhersagen aber abgenommen „mit einer großen Wahrscheinlichkeit für ein sehr unkritisches Hochwasser“. Erst in den Morgenstunden des 14. Juli seien die Hinweise auf ein größeres Hochwasser „wieder gestiegen“, wobei die Höchststände „erst für den Vormittag des 15. Juli vorhergesagt wurden und damit noch außerhalb des Warnzeitraums von 24 Stunden lagen“.

Soweit bekannt, wurden weder Frau Spiegel noch Herr Manz bisher von der Koblenzer Staatsanwaltschaft als Zeugen vernommen. Und da es nach Meinung der Behörde selbst mit dieser vom Ausschuss akribisch erarbeiteten Beweislage unverändert keinerlei „Anfangsverdacht“ gebe, müssen sie erst recht nicht Ermittlungen gegen sie fürchten.

Feldzug für Frauenrechte in aller Welt

Zuletzt noch ein Blick auf die (weibliche) Personalsituation im Berliner Senat. Berlin-Hauptbahnhof, 8. März 2022. Gesetzlicher Feiertag in der DDR, Vietnam, Weißrussland und seit 2019 auch wieder in Berlin. Internationaler Frauentag also. Diesen nutzten die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD), Bürgermeisterin Bettina Jarasch (Grüne) und weitere Senatorinnen, um sich und ihren Feldzug für Frauenrechte in aller Welt zu feiern. Das hatte Vorrang. Für die Frauen, Kinder und Alten, die an diesem Tag nach 60 Stunden Flucht in Berlin halbtot und verängstigt aus überfüllten Zügen fielen, links das Kleinkind im Arm, rechts die Katze, war keine Zeit.

Umso sorgfältiger hatte Franziska Giffey ihre Pressetermine an diesem Feiertag vorbereiten lassen: Begleitung einer U-Bahn-Fahrerin, Streifendienst mit der Polizei, alles mit orchestrierter Medienbegleitung: „Wort-Bild-Termin U-Bhf. Warschauer Straße, Gleis 3, ab ca. 13.00 Uhr (Vorpositionierung 12.40 Uhr). Die Regierende Bürgermeisterin wird gemeinsam mit der BVG-Vorstandsvorsitzenden Eva Kreienkamp und BVG-Bereichsleiterin U-Bahn, Nicole Grummini, am Bahnhof Warschauer Straße eintreffen und am Bahnsteig U-Bahnfahrerin Claudia O’Sullivan treffen. Hier bestehen Möglichkeiten für Aufnahmen sowie Interviews mit den Anwesenden.“ So steht es im Akkreditierungsaufruf der Staatskanzlei.

Besonders hervorgehoben in der wohlwollenden Presse anschließend die farbliche Identität der Hosen von Regierungschefin und U-Bahn-Fahrerin. Mehr Schulterschluss mit der werktätigen Bevölkerung geht nicht. Tags drauf kam Giffey der Gedanke, dass so etwas wie eine Notfall-Infrastruktur an Ort und Stelle doch eventuell hilfreich sein könnte; erste Zelte wurden am Hauptbahnhof aufgebaut. Gleichzeitig musste sich Innenministerin Faeser von ihren Bundespolizisten nunmehr auch öffentlich sagen lassen, dass es gerade für die Flüchtlinge hochgefährlich ist, auf durchgehende Grenzkontrollen und Registrierungen zu verzichten. Und Anne Spiegel lernte Sätze für ihren Auftritt vor dem Untersuchungsausschuss auswendig, um sich nach diesem für eine weitere Woche krank zu melden.

Sie erkennen keinen Korrekturbedarf

Ist es sexistisch, das alles festzustellen? Im Gegenteil. Es ist sogar unabdingbar, wenn man auf der Seite der Schwachen steht, die Hilfe brauchen, die auch und besonders in Berlin, in der Bundesregierung wie im Senat, auf Eigensucht, Ignoranz, Ideologie und Unfähigkeit treffen. Nichts schadet dem Ansehen von Frauen in der Politik mehr als Ich-Ich-Ich-Darstellerinnen, die nach allen möglichen Kriterien in ihre Positionen gekommen sind, nur nicht nach Können, Engagement, Umsicht, Organisationstalent, Pragmatismus und Nächstenliebe, und die offensichtlich bis heute bei sich selbst nicht den geringsten Korrekturbedarf erkennen, weil ihnen ihr überholtes Weltbild über alles geht.

Fassungslos schreibt in seiner neuen Ausgabe Der Spiegel: „Warum ist Deutschland so schlecht auf schutzbedürftige Frauen und Kinder vorbereitet? Am Bahnhof lauern zweifelhafte Gestalten, in Notunterkünften fehlen Schutzräume und Damenbinden.“ Die Antwort liegt auf der Hand, aber ausgerechnet das einst renommierteste Nachrichtenmagazin Deutschlands ist weit davon entfernt, das Offensichtliche auch auszusprechen: Es liegt an den handelnden Personen.

Es gibt eine unüberschaubare Zahl kluger und fähiger Frauen, auch bei SPD und Grünen und in deren Umfeld, manche, ohne Parteimitglied zu sein. Nur sind sie offensichtlich nicht bereit, sich einem dysfunktionalen Politikbetrieb mit seinen absurden Bekenntniszwängen, Quoten, Auswahl- und Beförderungskriterien auszuliefern. Wir befinden uns aber in einer historischen Lage, in der wir uns ungeeignetes politisches Personal weniger denn je leisten können.

 

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