26.10.2019, Berlin: Eine Mitarbeiterin sammelt bei der Auszählung der Stimmzettel des Mitgliederentscheides der SPD zur Wahl eines neuen Bundesvorstandes die ausgezählten Zettel im Willy-Brandt-Haus, der SPD-Parteizentrale, ein.
Organisierte Verantwortungslosigkeit: Die SPD lässt ihre Mitglieder abstimmen über eine neue Spitze/ picture alliance

Demokratien in der Krise - Die Grenzen der Langsamkeit

Egal, ob es um den Brexit, die SPD-Urwahl oder die Koalitionsfindung in den Ländern geht: Manche Entscheidungen bläht die Politik ohne Not auf. Dabei ist es ein Luxus, dass sich die Demokratie Zeit lassen kann – und eine Gefahr, wenn sie die Geduld der Bürger überstrapaziert

Autoreninfo

Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Geduld ist zur Zeit eine gefragte Eigenschaft bei Menschen, die sich fürs politische Geschehen interessieren. 142 Tage haben sich die deutschen Sozialdemokraten gegönnt für ihre erste Etappe auf der Suche nach einem neuen Vorsitzendenpaar, noch ohne endgültiges Ergebnis. Seit dreieinhalb Jahren versucht Großbritannien vergeblich, geregelt aus der Europäischen Union auszutreten, die nächste angeblich finale Deadline wackelt auch schon wieder. Deutschland hatte sich nach der vergangenen Bundestagswahl auch ein gutes halbes Jahr geleistet, bis es wieder eine Regierung hatte. Und auch in Sachsen, Wahltag war am 1. September, ist noch lange nicht sicher, ob bis Weihnachten eine neue Landesregierung steht.

Demokratie ist langsam, und das ist im Prinzip auch gut so. Das System der Checks and Balances, die Berücksichtigung der Rechte Einzelner (etwa beim Bau von Stromtrassen), die edle Suche nach dem Kompromiss, all das macht diese Staatsform zur Besten unter den Schlechten, wie Winston Churchill einmal pointiert bemerkt hat. Es ist ja vielleicht auch gar nicht erstrebenswert, einen Großflughafen in nur fünf Jahren zu bauen, wie zuletzt in Peking, weil die Vermutung naheliegt, dass hier Anwohnerrechte buchstäblich plattplaniert werden. Die Frage aber ist: Muss es sein wie in Berlin, dass der ursprüngliche Eröffnungstermin schon acht Jahre überschritten ist und immer noch keine Ende des Buddelns und Bauens in Sicht?  

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helmut armbruster | Mo., 28. Oktober 2019 - 08:37

Herr Schwennicke, werfen Sie doch bitte mal einen Blick auf die Schweiz und überlegen Sie sich dann noch einmal, ob Sie Ihren Satz wirklich so stehen lassen wollen.

Stefan Jurisch | Mo., 28. Oktober 2019 - 09:03

Das ist in Thüringen exemplarisch an den Ergebnissen zu sehen. Besonders deutlich bei der SPD. Und da muss auch niemand argumentieren, dass Landespolitik was anderes als die im Bund sei. Das mag sein, aber das äußere Bild der Partei schlägt von oben nach unten durch.
Was die Dauer von Flughafenbauten angeht: Ja, es ist sicher besser, länger mit dem Beginn zu warten, bis alle Interessen abgewogen sind, was in China bezweifelt werden darf. Doch bei uns geht es um den reinen Bau, wo schon alle Vorstufen erledigt waren. Und da sind und bleiben die 8 Jahre Überhang einfach nur noch peinlich.
Das Brexit-Tänzchen der Briten ist auch nur noch peinlich, und ich bin mir sicher, dass sich diese Nummer so lange zieht, bis eine neue Regierung gewählt und von dieser dann ein neues Referendum erzwungen werden wird.
Alles in allem versinken wir - speziell in Europa - momentan in einer allumfassenden Starre, die uns vielleicht irgendwann schlicht zum Verhängnis wird.

Hubert Sieweke | Mo., 28. Oktober 2019 - 09:40

Fazit der Wahl!
Ersten hat die Dämonisierung von AfD und insbesondere Höcke nicht geklappt. Ohne die miesen Beleidigungen der Politik und auch Teilen der Medien wäre die AfD bei 30+ gelandet.
Zweitens hat die Wahl AKK und Ziemiak statt Merz der Partei den Rest gegeben. Solange die Lemminge der Partei und der Fraktion in Berlin weiter an AM Festhalten, geht es, wie seit 10 Jahren, bergab.
Drittens will die SPD weiter nicht über Migration sprechen. Braucht sie nicht mehr, denn sie ist nicht mehr gefragt.

Christa Wallau | Mo., 28. Oktober 2019 - 11:33

Grundsätzlich ist gegen ein langsames Prozedere bei wichtigen Entscheidungen gar nichts einzuwenden, sondern es ist sogar empfehlenswert.
Im Falle der radikalen Wende in der Atompolitik oder bei der Ad-hoc-Zulassung der Massenimmigration hätte ich mir zum Beispiel eine ausgewogene, längere Diskusssion s e h r gewünscht.
Aber im Falle der Findung eines Parteivorsitzenden ist es lächerlich - da haben Sie recht, lieber Herr
Schwennicke. Schließlich sind von dieser Entscheidung nicht viele Menschen betroffen.

In der recht verstandenen Demokratie muß vor allem unterschieden werden, ob es sich bei
einem Thema bzw. einer angestrebten Problemlösung um ein a l l e Bürger betreffendes und richtungsweisendes Projekt handelt, dessen langfristige Folgen unbedingt reflektiert werden müssen, o d e r um ein jederzeit
zurückzunehmendes, minder wichtiges Vorhaben.

Eigentlich ist das eine der viele Binsenweisheiten - aber leider sind selbst diese in D nicht mehr allgemein anerkannt.

Hans Jürgen Wienroth | Mo., 28. Oktober 2019 - 12:55

Demokratie ist ein sehr hohes Gut, dass nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden darf. Politik, die sich nur nach „Umfragen“ ausrichtet, gefährdet die Demokratie. Bei Umfragen ist oft undurchsichtig, wie repräsentativ diese sind, welchen Einfluss die Gewichtung auf das Ergebnis hat etc. und ob die Befragung vor der öffentlichen Diskussion von Themen durchgeführt wurde.
Wahlprogramme werden zur Farce, weil die Politik wöchentlich nach Umfrageergebnissen geändert wird. Wie soll so eine langfristige Strategie entstehen und umgesetzt werden, wie sie z. B. China erfolgreich macht? Medien und NGO’s haben zwischen den Wahlen mehr Einfluss auf die Politik als der Wähler. Die Wahl in Thüringen ist gerade vorbei, da werden die ersten „Versprechungen“ abgeräumt. Die nächste Wahl steht erst in 5 Jahren an, bis dahin hat der Wähler in der „repräsentativen Demokratie“ keine Stimme mehr. Ist das noch Demokratie? Wem soll der Wähler vertrauen? Er wählt konservativ und bekommt linke Politik?

Juliana Keppelen | Mo., 28. Oktober 2019 - 15:31

aber ich denke das sind Nebenkriegsschauplätze. Denn denn meisten Bürgern geht es am A.... vorbei wer gerade Parteivorsitzende/er einer Partei ist. Viel wichtiger ist das gesamte Erscheinungsbild einer Partei und/oder einer Regierung vor allem des Kanzler/in das gibt den Ausschlag. Erst Aussitzen, nach Umfragen schielen, dann über Nacht Bauchentscheidungen treffen (und das nicht nur in der Flüchtlingsfrage), keine eigenen Vorstellungen entwickeln wo man mit dem Land hin will, nur moderieren, von Gipfel zu Gipfel eilen ohne greifbare und nachhaltige Ergebnisse (Pseudowichtigkeit) usw., usw. das hinterläßt beim Wähler Frust und nicht die Wahl einer/eines Parteivorsitzenden.

ist die größte politische Blähung, die wir seit Jahren haben. Nix als Luft. Pfurz. -- Raute ist seit Langem Flaute. Man kann es nicht mehr hören, sehen. -- Aber die macht es - evtl. geschickt - Lass die anderen mal zerfleischen und/oder machen. Ick sitz hier oben im Kanzleramt. -- Die Dame sollte den letztlich verbliebenen??? Anstand haben und zurücktreten. Das wäre eine Erlösung für Deutschland.