CDU-Politiker Thorsten Frei - „Die Ampelregierung öffnet der illegalen Einwanderung Tür und Tor“

Die Asylmigration nach Deutschland ist zuletzt wieder stark gestiegen: Im Interview erklärt der CDU-Bundestagsabgeordnete Thorsten Frei die steigenden Asylzahlen, beklagt migrationspolitische Versäumnisse der Ampel-Koalition und spricht über die gemeinsamen Werte, die wir mit ukrainischen Flüchtlingen teilen. Frei wirft der Bundesregierung vor, aus den Fehlern der großen Flüchtlingskrise ab 2015 nichts gelernt zu haben.

Wohncontainer der Landesunterkunft für Flüchtlinge in Bad Segeberg / picture alliance
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Autoreninfo

Clemens Traub ist Buchautor und Cicero-Volontär. Zuletzt erschien sein Buch „Future for Fridays?“ im Quadriga-Verlag.

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Thorsten Frei ist seit 2013 Abgeordneter des Deutschen Bundestags und übt dort das Amt des Ersten Parlamentarischen Geschäftsführers der CDU/CSU-Bundestagsfraktion aus. 2021 konnte Frei sein Direktmandat im Bundestagswahlkreis Schwarzwald-Baar erneut verteidigen.

Herr Frei, zurzeit dominieren der Ukraine-Krieg und die Energieknappheit die Schlagzeilen. Dabei gerät das Thema Migration fast in Vergessenheit. Wie hat sich die Migration in den letzten Monaten in Deutschland entwickelt?

Die Asylmigration nach Deutschland ist wieder deutlich angestiegen: Wir werden in diesem Jahr wahrscheinlich erneut die Marke von 200.000 Anträgen erreichen. Ein großes Problem aus meiner Sicht ist nach wie vor die Sekundärmigration: Das umfasst insbesondere diejenigen Asylbewerber, die bereits in einem anderen EU-Mitgliedstaat anerkannt wurden und trotzdem einen Asylantrag in Deutschland stellen.

In erster Linie kommen derzeit Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine: Aber wie sieht es mit Migranten aus anderen Nationen aus?

Die größte Gruppe der Antragsteller sind – abgesehen von Ukrainern – nach wie vor Syrer, gefolgt von Afghanen, Türken und Irakern. Unter den zehn wichtigsten Herkunftsstaaten befinden sich aber auch Länder aus der direkten Nachbarschaft der EU wie Moldawien oder Georgien mit äußerst niedrigen Schutzquoten von 0,2 bzw. 0,4 Prozent, die wir längst als sichere Herkunftsstaaten hätten einstufen müssen. Die Grünen haben das leider im Bundesrat verhindert.

Wird rechtlich und politisch ein Unterschied gemacht zwischen Flüchtlingen aus der Ukraine und beispielsweise Flüchtlingen aus dem Nahen Osten oder aus Afrika?

Ukrainische Staatsbürger konnten schon vor dem Krieg ohne Visum nach Deutschland einreisen und sich hier bis zu 90 Tage aufhalten. Daran ändert die Tatsache, dass die Ukraine von Russland überfallen wurde, zunächst einmal nichts. Außerdem wurde im März dieses Jahres in der gesamten Europäischen Union die sogenannte „Massenzustrom-Richtlinie“ aktiviert. Das bedeutet, dass ukrainische Kriegsflüchtlinge aufgrund der Situation in ihrer Heimat in Deutschland kein Asylverfahren durchlaufen müssen, sondern automatisch eine zunächst auf ein Jahr befristete Aufenthaltserlaubnis erhalten.

Bundestagsabgeordneter Thorsten Frei /
Foto: Tobias Koch

Wie ist die rechtliche Situation von ukrainischen Flüchtlingen bezüglich Arbeit und Wohnung und wie unterscheidet sie sich von Migranten anderer Länder?

Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass ukrainische Kriegsflüchtlinge seit dem 1. Juni dieses Jahres finanzielle Unterstützung nicht mehr über das Asylbewerberleistungsgesetz, sondern über das Sozialgesetzbuch II, sprich die Grundsicherung für Arbeitslose in Deutschland, erhalten.

Warum werden Ukrainer in der Öffentlichkeit als Flüchtlinge erster Klasse betrachtet? Wie ist das moralisch zu rechtfertigen?

Durch die furchtbaren Bilder, die uns aus der Ukraine – quasi vor unserer Haustür – erreichen, gibt es hierzulande ein hohes Maß an Empathie und eine hohe Bereitschaft, ukrainischen Kriegsflüchtlingen zu helfen. Die Schutzbedürftigkeit der Menschen aus der Ukraine ist angesichts des Krieges dort unbestritten.

Denken Sie, dass tatsächlich wieder viele Ukrainer zurückkehren werden, wenn sich die Kriegssituation verbessert hat?

Die Flüchtlingssituation bezüglich der Ukraine ist von einer hohen Dynamik geprägt. Viele Ukrainer sind bereits wieder in ihr Heimatland zurückgekehrt. Die zukünftige Entwicklung hängt sicherlich von vielen Faktoren ab, die sich noch nicht voraussehen lassen – etwa, wie lange der Krieg noch andauern wird.

Gibt es zwischen ukrainischen Flüchtlingen und Flüchtlingen anderer Regionen einen Unterschied in den Wertefundamenten?

Die Ukraine ist Teil des europäischen Kulturraumes und steht fest auf einem europäischen Wertefundament. Das unterscheidet sie grundlegend von den Ländern, aus denen wir in den letzten Jahren das Gros der Zuwanderung nach Deutschland erfahren haben. Der Vergleich der Jahre 2015 und 2022 schärft den Blick dafür, welch großen Unterschied Herkunft und Zusammensetzung eines Migrationsstroms machen. Pointiert formuliert: Im Vergleich zum Jahr 2015 hat sich im Jahr 2022 die Aufnahme von einer Millionen Menschen in nur sechs Monaten fast unbemerkt von der politischen Öffentlichkeit vollzogen.

Werden ukrainische Flüchtlinge einfacher in unsere Gesellschaft und in unseren Arbeitsmarkt zu integrieren sein?

Auch die Integration der ukrainischen Flüchtlinge braucht Kraft und Anstrengung. Die Kommunen haben in den letzten Monaten bei der Aufnahme eine herausragende Leistung erbracht. Doch es gibt natürlich objektive Faktoren, die Integration entweder hemmen oder begünstigen. Auffällig ist etwa der deutlich höhere Anteil an Frauen – häufig auch mit Kindern – bei Flüchtlingen aus der Ukraine im Vergleich zu anderen Herkunftsstaaten. Diese Frauen werden rein statistisch viel weniger Gewaltstraftaten begehen als junge alleinstehende Männer – ganz unabhängig von der Nationalität. Im Vergleich zur Migration von 2015/2016 sprechen wir auch über einen anderen Bildungsstandard.

 

Weitere Beiträge zu Flüchtlingen aus der Ukraine:

 

Verschläft die Ampel-Koalition die derzeitige Entwicklung und muss es im Bundestag wieder eine offene Debatte über Migration und Integration geben?

Die Ampel-Regierung verschläft die derzeitige Entwicklung nicht nur, sondern betreibt eine Migrationspolitik, die der illegalen Einwanderung nach Deutschland Tür und Tor öffnet. Während so gut wie alle EU-Mitgliedstaaten der illegalen Migration den Kampf ansagen und entsprechende Gesetze und Maßnahmen erlassen, setzt die Ampel-Regierung weitere Anreize dafür, dass immer mehr Migranten nach Deutschland kommen. Im europäischen Maßstab muss man von einer migrationspolitischen Geisterfahrt der Ampel sprechen.

Welchen dringenden Handlungsbedarf gibt es für die Politik?

Für uns als CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag galt und gilt, dass Deutschland seinen humanitären Verpflichtungen nachkommen und Schutzbedürftigen helfen muss. Aber auch unsere Kapazitäten sind begrenzt. Eine Gesellschaft, die rund 800.000 Geburten pro Jahr verzeichnet, kann nicht dauerhaft 200.000 Menschen pro Jahr allein auf dem Wege der Asylmigration aufnehmen. Das übersteigt unsere Integrationskraft. Maßnahmen, die die illegale Migration nach Deutschland reduzieren, sind dringend notwendig. Das gilt auch, um die öffentliche Akzeptanz für unser Asylsystem zu bewahren.

Was muss umgesetzt werden?

Spätestens die signifikant steigenden Asylzahlen und die besondere Flüchtlingssituation durch den Ukraine-Krieg haben die Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag obsolet gemacht. Die geplante Ausweitung des Bleiberechts für Ausreisepflichtige, die Möglichkeit der Identitätsklärung im Rahmen einer eidesstaatlichen Versicherung, das Gewähren von Integrationsleistungen unabhängig der Bleibeperspektive oder die Pläne für höhere Sozialleistungen würden als Pull-Faktoren wirken und illegale Einwanderung nach Deutschland noch attraktiver machen. Davon muss sich die Ampel verabschieden. Stattdessen muss sie endlich ihre groß angekündigte Rückführungsoffensive starten und die Liste der sicheren Herkunftsstaaten ausweiten – auch SPD und FDP haben das in der letzten Wahlperiode noch gefordert.  Auf EU-Ebene muss sich die Bundesregierung für Entlastungen Deutschlands, das immer noch eine überproportionale Last der Asylmigration in der EU trägt, einsetzen.

Hohe Strompreise sind eine große Belastung für viele Bürger. Ein heißer Herbst wird auf den Straßen erwartet. Könnte das Thema der dynamischen Migrationsentwicklung ebenfalls in die Proteste einfließen?

Dass das Thema die Menschen beschäftigt und polarisiert wird deutlich, wenn man sich an die Jahre 2015 und 2016 erinnert, als die damalige Migrationskrise ihren Höhepunkt erreicht hatte. Für uns war immer klar, dass sich die Situation von damals unter keinen Umständen wiederholen darf. Umso unbegreiflicher sind mir die derzeitigen migrationspolitischen Pläne der Ampel. Wenn Menschen dagegen friedlich protestieren, wäre das ihr gutes Recht.

Werden Rechtspopulisten dies für ihre Zwecke ausnutzen?

Die Gefahr besteht. Aus Sicht dieser Gruppen wäre das sicherlich naheliegend.

Die Fragen stellte Clemens Traub. 

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