Bundestag debattiert neues Zuwanderungsrecht   - Die Ampel ideologisiert die Auseinandersetzung

In der Zuwanderungspolitik wird die Union die Ampel-Regierung nicht erneut derart vorführen können, wie ihr das beim Bürgergeld gelungen ist. Es fehlt ihr die innere Einigkeit bei den Zuwanderungsfragen und es fehlt ihr das Schwert des Bundesrates. Die Folge: ideologisierte Debatten ohne Ertrag. 

Wollen Migration erleichtern: Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesinnenministerin Nancy Faeser, beide SPD / dpa
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Volker Resing leitet das Ressort Berliner Republik bei Cicero. Er ist Spezialist für Kirchenfragen und für die Unionsparteien. Von ihm erschien im Herder-Verlag „Die Kanzlermaschine – Wie die CDU funktioniert“.

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In der Debatte um das neue Einbürgerungs- und Migrationsrecht ist eigentlich verblüffend, wie sehr sich einige Ampel-Vertreter vordergründig um die Zustimmung der Union bemühen. Der grüne Fraktionsvorsitzende Omid Nouripour verteidigte am Donnerstag im Bundestag die Pläne der Regierung: Doppelpass als Normalfall, verkürzte Wartezeit auf die Staatsbürgerschaft und neuer Umgang mit abgelehnten Asylbewerbern. Und dann wurde es emotional: Er „bitte flehentlich“ darum, dass die CDU/CSU den Weg mit der Ampel ginge. „Wir dürfen die Gesellschaft nicht weiter spalten.“ Doch der hohe Ton hörte sich nicht wahrhaftig an. Es ist eine moralisierende Wendung, die die Debatte zu verhindern sucht, nicht sie zu fördern. 

Das Werben um die Union war eigentlich irritierend. Dahinter verbirgt sich eine Doppelstrategie. Am Ende soll die Ampel stark da stehen und der einladende Gestus trifft innerhalb der Unionsfraktion auf eine fragile Lage. Keineswegs unterstützten alle bei CDU und CSU vorbehaltlos den Kurs von Friedrich Merz, hier in der Einbürgerungsfrage erneut auf Konfrontationskurs zu gehen. Es kursiert bereits eine „Abweichlerliste“ mit Personen, die die Fraktionsführung einzeln bearbeiten will. Am Dienstag wurde in der Fraktion nicht ohne Streitpotential diskutiert. In einem Rundschreiben wird eindringlich um Zustimmung für die Merz-Linie geworben. Hier sticht Nouripour rein.

Einigkeit bei Fachkräftezuwanderung 

Zuwanderungspolitik ist seit jeher eine der schwierigsten und vermintesten Felder im Berliner Betrieb. Längst sind die Zeiten vorbei, als die CDU/CSU die Bezeichnung „Einwanderungsland“ umgehen wollte, sogar oft scheute, wie der Teufel das Weihwasser. Tatsächlich herrscht heute in der eigentlichen Sachfrage große Einigkeit: Deutschland braucht Zuwanderung in den Arbeitsmarkt, insbesondere Fachkräfte. Gerade an dieser Zuwanderung mangelt es aber. Doch die von der Ampel vorgelegten Maßnahmen scheinen dieses Problem gar nicht oder nur unzureichend zu adressieren. Indem die Ampel den alten ideologischen Kampf wieder aufflammen lässt, diskreditiert sie zudem die Sachargumente. Es fällt der Union schwer, sich aus dieser Klammer zu befreien.
 

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Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Thorsten Frei, klagte dann auch, die Ampel würde „unter ihrem Niveau“ argumentieren. Doch es wurde schnell klar, wie schwer die von der Ampel geframte Debatte zu gewinnen sein würde. Doppelpass und schnelle Einbürgerung löse nicht das Fachkräfteproblem, so Frei. Das sogenannte „Chancen-Aufenthaltsrecht“ sei falsch, weil es illegale Migration belohne. Gefährlich sei der „Paradigmenwechsel“ im Einbürgerungsrecht. Doch am Ende zündet der Widerstand der Union diesmal noch nicht so wie zuletzt beim Bürgergeld.

Länder scheuen Konfrontation

Die Schwäche der Union in dieser Debatte liegt auch daran, dass die jetzigen Gesetzesvorhaben nicht der Zustimmung des Bundesrates bedürfen. Diesmal kann die Opposition nicht wirkliche Schlagkraft gegen die Ampel entfalten, weil ihnen der Schub der Länderkammer fehlt. Außerdem ist bei den Unions-Länderfürsten auch der Wille, die Migrationsdebatte im Sinne der Berliner Fraktionsführung zu führen, deutlich weniger stark ausgeprägt.

Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) fuhr in einem Interview gleich mal seinen Berliner Parteifreunden in die Parade. Die Debatte und auch der Ton der Debatte müsse mit Rücksicht auf solche Menschen geschehen, die sich in Deutschland integriert und dieses Land bereichert hätten, so Rhein. „Ich rate zu mehr Behutsamkeit und Sensibilität in der Formulierung.“ Ähnlich wie beim Bürgergeld aber hat auch die FDP innerhalb der Ampel noch Probleme mit dem Vorhaben der SPD-Seite, diesmal mit denen von Innenministerin Nancy Faeser (SPD).

Es geht dabei um die Reduzierung der illegalen Migration und die vereinbarte und angekündigte „Abschiebeoffensive“. Konstantin Kuhle verteidigte im Bundestag dann aber das Vorhaben der Regierung und mahnte die Koalition lediglich, auch die anderen Aspekte zu beachten. Nur so könne ein „gesamt-gesellschaftliche“ Akzeptanz sichergestellt werden, sagte der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Frakton. Doch auch hier verhinderte die moralische Aufladung das Ringen im Detail. Die Ampel beseitige den „Mehltau in der Einwanderungspolitik“ der Merkel-Zeit. So lange mit solchen ideologisierten Schwarz-Weiß-Bildern gearbeitet wird, wird die Ampel von pragmatischer Sachpolitik weit entfernt bleiben. Und es könnte ihr auf die Füße fallen. 
 

Polizeigewerkschafter Heiko Teggatz im Podcast über Migration:

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