
- Anis Amri und die zwei Pupse
Der Untersuchungsbericht zum Fall Amri ist eine Chronik des Versagens, vor allem der Berliner Polizei. Die ist in der Vergangenheit immer wieder durch Peinlichkeiten aufgefallen. Ein krasses Beispiel ist eine Posse um zwei Fürze
Es gab in den vergangenen Jahren wohl kaum erfreuliche Monate für die Berliner Polizei. Da war das G20-Wochenende, als die Hamburger Polizei drei Hundertschaften ihrer Kollegen aus der Hauptstadt vor dem Ereignis wieder nach Hause schickte, weil diese in ihrer Unterbringung ziemlich wild gefeiert hatten, um es milde auszurücken. Im September drangen dann Einbrecher unbemerkt in das Berliner Polizeipräsidium ein und entwendeten historische Gegenstände, darunter das Bundesverdienstkreuz eines ehemaligen Polizeipräsidenten. „Das Ding haben wir voll verschlafen“, gab die Polizei bei Facebook zu.
Die Fürze in der Rigaer Straße
Der Februar 2016, so ist im Nachhinein klar, war aber ein besonders schlechter Monat für die gebeutelten Polizisten. In der Hochburg der Berliner Linken rund um ein besetztes Haus in der Rigaer Straße kontrollierte die Polizei eine Personengruppe. Darunter Christopher S. Und der soll zweimal in der Nähe einer Beamtin, tja, wie soll man sagen, kräftig gefurzt haben. So will es zumindest der Einsatzleiter beobachtet, oder besser, gehört haben. Übrigens ist er der Leiter einer Einheit, deren Mitglieder im Sommer darauf in Hamburg unter anderem gegen einen Zaun uriniert haben sollen. Aber die Pupse fand er dermaßen beleidigend gegenüber der Beamtin, dass er gegen Christopher S. Anzeige erstattete. Der glaubte zunächst an einen Scherz, bis ihm zwölf Monate später ein Strafbefehl über 900 Euro ins Haus flatterte. S. legte Widerspruch ein, weshalb die Sache vor dem Amtsgericht landete. Die Richterin stellte das Verfahren nach wenigen Minuten ein.
Nun hat Sebastian Schlüsselburg, Abgeordneter der Linken im Berliner Abgeordnetenhaus, vom Senat wissen wollen, wie lange die Polizisten im Furz-Verfahren ermittelten. Die Antwort erstaunt. Laut Martina Gerlach, Staatssekretärin für Justiz und Verbraucherschutz, waren 23 Dienstkräfte mit der Bearbeitung des Falles beschäftigt bei einem Zeitaufwand von 17 Stunden und 13 Minuten. Die Zeit setze sich „zusammen aus den polizeilichen Maßnahmen vor Ort, der späteren Sachbearbeitung und dem zeitlichen Aufwand für die richterliche Vorladung“.
Die Fehler im Fall Amri
Man kann darüber den Kopf schütteln und schmunzeln, bis einem klar wird, was im Februar 2016 noch passierte. Und dann bleibt einem das Lachen im Halse stecken. Am 18. des Monats informierte das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen die Kollegen in Berlin darüber, dass Anis Amri, der spätere Attentäter vom Breitscheidplatz, auf dem Weg in die Hauptstadt sei, und bat darum, ihn zu observieren. Was dann folgte, war, wie der Bericht des vom Berliner Senat beauftragten Sonderermittlers Bruno Jost zeigt, eine Reihe unglaublicher, womöglich tödlicher Fehlleistungen der Polizei, nicht nur, aber vor allem der Berliner Beamten. Sie nahmen Amri zwar in Gewahrsam, bei einer späteren Observierung verloren sie ihn dann aber im Feierabendverkehr. Amris Fingerabdrücke wurden nur auf Papier, nicht aber elektronisch erfasst, was dazu führte, dass er sich im übrigen Deutschland ungestört bewegen konnte. Überwacht wurde er in Berlin nur während der Dienstzeiten, nicht aber nachts, am Wochenende und an Feiertagen.
Natürlich ist man hinterher immer schlauer und sicherlich würde jeder der beteiligten Beamten im Nachhinein alles dafür tun, dass der Anschlag hätte verhindert werden können. Aber dass die Polizisten in Berlin ihre Kapazitäten nicht auf Fürze konzentrieren, das kann man schon verlangen. „Wir haben wirklich andere Probleme in Berlin und könnten das Geld für den Ausbau von Prävention und juristischer Verfolgung von Islamismus verwenden“, sagte der Abgeordnete Sebastian Schüsselburg der tageszeitung. Wie Recht er hat.