Aktuelle Stunde zur Klimastiftung MV - „Wir lassen das Frau Schwesig nicht durchgehen“

Der Kamin-Gate-Skandal um Manuela Schwesigs „Klimastiftung“ hat die bundespolitische Ebene erreicht. Heute Nachmittag diskutierte der Bundestag in einer Aktuellen Stunde über die Steueraffäre um verbrannte Dokumente. Schwesig blieb in Schwerin.

CDU-Politiker Philipp Amthor wurde wegen seiner Lobbyismus-Affäre hart attackiert und teilte selbst hart aus / dpa
Anzeige

Autoreninfo

Ulrich Thiele ist Politik-Redakteur bei Business Insider Deutschland. Auf Twitter ist er als @ul_thi zu finden. Threema-ID: 82PEBDW9

So erreichen Sie Ulrich Thiele:

Anzeige

Der Fall schlägt immer noch hohe Wellen – und hat nun sogar den Bundestag erreicht: Nachdem Cicero vergangene Woche enthüllt hatte, dass eine Finanzbeamtin in Mecklenburg-Vorpommern Steuererklärungen der Stiftung Klima- und Umweltschutz MV im Kamin einer Bekannten verbrannt haben soll, wurde der Skandal heute Nachmittag in einer Aktuellen Stunde im Bundestag diskutiert. Die entscheidenden Fragen, so war in der Ankündigung zu lesen, seien: Wer wusste wann was? Warum kam es immer wieder zu „Pannen“ bei der Finanzverwaltung, wenn es um diese Stiftung geht? Welche politische Einflussnahme hat es gegeben? Warum wurde der Parlamentarische Untersuchungsausschuss in Schwerin nicht zeitnah informiert?

Die Sitzung war kurzfristig von der CDU/CSU-Fraktion beantragt worden – eine Glaubwürdigkeitseinschränkung, die allen voran von der SPD ausgebreitet wurde. Denn die Union gehörte auf Bundesebene unter der Regierung Merkel zu den Unterstützern der Ostseepipeline Nord Stream 2 und stimmte auf Landesebene der Stiftungsgründung als damaliger Koalitionspartner der Schwesig-SPD zu. Erwartungsgemäß nahm der Vorwurf der Doppelmoral allen voran in der Verteidigungsstrategie der SPD eine umfangreiche Rolle ein. Dazu gehörten ferner Attacken auf CDU-Politiker Philipp Amthor wegen seines Lobbyismus-Skandals. Und der SPD-Abgeordnete Erik Malottki, wie Amthor ebenfalls aus Mecklenburg-Vorpommern kommend, ließ sich sogar zu der These hinreißen, die CDU betreibe eine Männer-Kampagne gegen die arme Steuerbeamtin und die Ministerpräsidentin.

Kein „Einzelfall“

Die Rede von der armen Steuerbeamtin ist ein durchschaubares Ablenkungsmanöver, mit dem sich am gestrigen Dienstag schon Schwesigs Finanzminister Heiko Geue (SPD) bei einer Pressekonferenz ins moralisch rechte Licht rücken wollte. Die Implikation: Die anderen betreiben eine Kampagne gegen eine Einzelperson, wir sind die um sie Besorgten. Doch darum geht es nicht, wie Bernhard Herrmann von den Grünen während der Aktuellen Stunde klarmachte. Seine Kritik richte sich nie gegen einzelne Beamte, so Herrmann, sondern „immer nach ganz oben“. Und tatsächlich tragen die Personen ganz oben, Schwesig und Geue, die politische Verantwortung dafür, dass eben nicht nur eine einzelne Beamtin einen Fehler gemacht habe, sondern dass unter Schwesigs und Geues Ägide chaotische Strukturen in den Behörden zutage treten. Von einem „Einzelfall“ (über 10 Millionen Euro wohlgemerkt) und einer sonst „ordentlich und gut funktionierenden Steuerverwaltung“ (Geue) kann angesichts der Sammlung von Grotesken nicht die Rede sein:

  • Bereits im September berichtete Cicero, dass das Finanzamt versucht hat, 23 Millionen Euro vom Konto der Klimastiftung per Einzugsverfahren abzubuchen. Auf Nachfrage der Stiftung hieß es auch hier mal wieder, es habe sich um ein Versehen eines einzelnen Sachbearbeiters gehandelt.
  • Der Steuerfall der Stiftung wurde geprüft, obwohl nicht einmal eine separate Schenkungsteuernummer angelegt war.
  • Der zuständige Sachbearbeiter teilte der Stiftung mit, die Steuerprüfung sei „eine politische Entscheidung“. Finanzminister Geue teilte gestern mit, der Sachbearbeiter habe lediglich die übliche Absprache zwischen dem Finanzamt und der Steuerabteilung des Finanzministeriums gemeint. Inwiefern ist ein üblicher Prüfungsprozess eine „politische Entscheidung“?
  • Das Finanzamt befand noch im Frühjahr 2022, die Stiftung könne vom Steuergeheimnis befreit werden. Fünf Monate später entschied es sich mit klaren Worten für das Gegenteil und erklärte damit die ursprüngliche Auffassung für steuerrechtlich dünn.
  • Warum teilt ein Sachbearbeiter überhaupt in einem laufenden Verfahren dem Steuerpflichtigen seine vorläufige Einschätzung des Falls mit und dokumentiert die Gespräche nicht einmal?
  • Die Steuererklärungen im Finanzamt wurden offenbar beide „verfächert“ und seien daraufhin bei einer nicht zuständigen Finanzbeamtin gelandet. Die Frage ist auch, was für eine Fehlerkultur in den Behörden herrscht, dass eine Beamtin illegal Akten mit nach Hause nimmt und verbrennt.

Das Problem sind nicht einzelne Beamte, das Problem sind chaotische und dubiose Strukturen. Aber der Kopf – Geue, aber vor allem Schwesig – kam nicht zur Aktuellen Stunde.

„Fortsetzung von tricksen, tarnen, täuschen“

Den Anfang machte CDU-Generalsekretär Mario Czaja, der den Finger in eine konkrete Wunde legte. Mecklenburg-Vorpommerns Justizministerin Jacqueline Bernhardt (Linke) und Finanzminister Geue wissen seit Frühjahr 2022 von den vernichteten Steuererklärungen. Ministerpräsidentin Schwesig sei laut Geue aufgrund des Steuergeheimnisses nicht darüber informiert worden. „Die Ministerpräsidentin, die alle an der kurzen Leine hält, um sie unter Kontrolle zu haben, soll nicht informiert geworden sein?“, so Czaja. „Wer das glauben will, soll es glauben – ich glaube es nicht.“ Kamin-Gate sei die Fortsetzung von „tricksen, tarnen, täuschen“.
 

Weitere Artikel von Ulrich Thiele zur Klimastiftung:

Am heutigen Mittwoch teilte die Klimastiftung als Reaktion auf Geues Pressekonferenz mit, sie habe bereits im Mai 2022 dem Finanzministerium ausdrücklich die Befreiung vom Steuergeheimnis erteilt und das Finanzministerium sei damit zufrieden zufrieden gewesen. Weitere Nachfragen des Finanzministeriums zur Befreiung habe es monatelang nicht gegeben. Geue hatte in der Pressekonferenz das Gegenteil behauptet: Man habe die Stiftung wiederholt um eine Befreiung gebeten und nur deswegen nichts von den verbrannten Erklärungen gesagt, weil es die vollumfängliche Befreiung nicht gegeben habe. Darauf ging Leif-Erik Holm von der AfD ein. Geue habe mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. „Was sind das für Zustände in unserer Republik? Das ist doch Bananenrepublik, das können wir uns nicht leisten!“ Schwesig müsse endlich öffentlich beantworten, ob sie davon gewusst habe. „Aber Schwesig mein Name ist Hase duckt sich weg“, so wie sie sich immer wegducke, wenn es unangenehm wird. „Im roten Filz der SPD herrscht Unruhe, weil das Ausmaß der Trickserei erst langsam ersichtlich wird“, so Holm.

Hagen Reinhold von der FDP verwies auf den Aspekt der fehlenden Steuernummer und wiederholte eine Forderung, mit der die CDU bereits an die Öffentlichkeit trat: Mecklenburg-Vorpommern brauche einen unabhängigen Sonderermittler. Das Vertrauen in die Demokratie sei verloren gegangen und jeder müsse mit persönlichen Konsequenzen dazu beitragen, es wiederherzustellen – ein Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung Schwesig.

„Muss erst das Finanzamt in Flammen stehen?“

Philipp Amthor ging auf die Attacken gegen seine Fehltritte nicht ein. Stattdessen setzte er auf Angriff: Dass die CDU Nord Stream 2 unterstützt habe, sei kein Blanko-Scheck dafür, dass der Kreml 20 Millionen Euro in ein Land schiebt, um angeblich den Klimaschutz zu fördern, und auch nicht dafür, „dass Finanzminister Heiko Geue das Parlament belügt“. Geues Ministerium hatte dem Finanzausschuss in Schwerin im Mai 2022 mitgeteilt, es lägen keine Informationen über verloren gegangene Steuererklärungen in der Vergangenheit vor. „Das führt zur zentralen Frage: Warum lügen Schwesigs Minister? Was haben Sie zu verbergen, Frau Schwesig?“ Auch Amthor bezweifelte, dass Schwesig über die verbrannten Dokumente nicht in Kenntnis gesetzt wurde und verwies auf den Flick-Prozess: Wenn das Vertrauen in Steuerbehörden gefährdet ist, sei das Steuergeheimnis außer Kraft gesetzt. „Wann ist denn aus Sicht von Schwesig das Vertrauen gefährdet, wenn nicht bei einer Verbrennung von Erklärungen? Muss erst das ganze Finanzamt in Flammen stehen?“

Michael Kruse, energiepolitischer Sprecher der FDP, warf Schwesigs Regierung vor, Transparenz stets blockiert zu haben, die Opposition habe immer um Aufklärung kämpfen müssen. Die Lügen-Pipelines Putins reichten bis in die Staatskanzlei, so Kruse, der Schwesig aufforderte, endlich wirklich die politische Verantwortung zu übernehmen und nicht immer nur zu behaupten, dies zu tun.

Parteipolitische Posen

Ansonsten herrschten Partei-Posen: Es ging allgemein um die deutsche Russlandpolitik, CDU und SPD räumten ein, sich mit ihrem „Wandel durch Handel“-Diktum geirrt zu haben. Die SPD warf der CDU vor, sich mit der Aktuellen Stunde auf dem Rücken eines Bundeslandes profilieren zu wollen. Die Grünen lobten sich, weil sie immer vor Nord Stream 2 gewarnt hatten. Die AfD lobte sich, weil sie der Stiftungsgründung nicht zugestimmt hatte. Dietmar Bartsch von den Linken warf Amthor noch einmal vor, sein politisches Mandat für Lobbyismus missbraucht zu haben und forderte Stiftungsvorstand Erwin Sellering dazu auf, die Stiftungsauflösung nicht mehr zu blockieren. Bei ihm ist noch nicht angekommen, dass politische Wünsche nicht über dem Recht stehen und dass die Stiftung nicht rechtskonform aufgelöst werden kann.

Was nun? Wird die Aufregung abebben und Schwesig den Skandal aussitzen? Laut Philipp Amthor nicht. Er kündigte an: „Wir lassen das Frau Schwesig nicht durchgehen!“

Anzeige