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Augstein, Steinbrück, van der Vaarts - „2013, ich bin gierig auf Dich“

Til Knipper kommt gerade langsam an im neuen Jahr und wundert sich über Aufregerthemen wie einen Kandidaten, der in einem Job, den er nie bekleiden wird, mehr Geld verdienen will oder einen Franzosen, der Russe wird. Die Freitagskolumne – am Samstag

Autoreninfo

Til Knipper leitet das Cicero-Ressort Kapital. Vorher arbeitete er als Finanzredakteur beim Handelsblatt.

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Dass für mich noch circa drei Monate 2012 ist, eh klar. Ab Ende März schreibe auch ich dann bei den eher seltenen Gelegenheiten, bei denen von mir verlangt wird, das Datum zu notieren, schon im ersten Versuch 2013. Anderes Problem ist, dass heute Mittwoch ist, zumindest bei mir, weil ich diese Woche erst drei Tage gearbeitet habe. Folglich verstehe ich unseren Online-Chef auch erst im zweiten oder dritten Versuch, als er von mir heute eine Kolumne verlangt, die er doch sonst immer erst freitags haben will.

Nach der kurzen Freude darüber, dass morgen frei ist, stellte sich mir die unerfreuliche Frage: Worüber schreiben? Wenn wir ehrlich sind, fängt 2013 doch für die meisten erst am Montag an. Ich habe zumindest in den vergangenen Tagen kaum jemanden an seinem Arbeitsplatz erreicht und auf Emails erhielt ich fast nur automatisch generierte Abwesenheitsmeldungen. 

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Und richtig viel passiert ist in den ersten Tagen des neuen Jahres auch noch nicht. Als Medienprofi erkennen Sie das schon an den „Themen“ – die Anführungsstriche sind bewusst gesetzt – die uns diese Woche beschäftigt haben. Ich versuche noch mal kurz zusammenzufassen:

1. Steinbrück möchte in einem Job, den er niemals bekleiden wird, mehr Geld verdienen. Von mir aus.

2. Gerard Depardieu wird Russe. Es tut mir leid, muss zugeben, dass ich mich bei dieser Geschichte nicht in die Details eingelesen habe, aber bei Steuern von 75 Prozent würde ich eventuell auch über den Wechsel meiner Staatsangehörigkeit nachdenken. Wenn mich daran überhaupt irgendetwas interessiert, ist es die Frage, was aus Depardieus Weingut wird? Dass er eins hat, wussten Sie als gewöhnlich gut informierte Leser mit Sicherheit schon. Was Sie wahrscheinlich nicht wussten, dass der dort gewonnene Sekt recht gut schmeckt. Und was Sie garantiert nicht wussten, dass auf den Flaschen ein recht hübsches Hologramm des prominenten Winzers mit der großen Nase prangte und den Deckel dieser namenlosen Drahtgeflechte, die den Korken einer Sektflasche festhalten, noch ein Foto des Schauspielers zierte. Warum mich das interessiert und woher ich das alles weiß? Weil mein französischer Sekthändler schon vor einigen Wochen die Depardieu-Schaumweine aus seinem Angebot genommen hat, da ihn dessen beabsichtigter Umzug nach Belgien sehr erbost hat. Ich frage ihn morgen mal, ob das mit dem russischen Pass jetzt irgendwas ändert?

3. Wolfgang Thierse, der einzige Mensch, der vor der Wende am Kollwitzplatz im Prenzlauer Berg in Berlin wohnte, und es jetzt immer noch tut, regte sich in irgendeinem Interview darüber auf, dass ein Teil seiner in den vergangenen zwei Jahrzehnten aus dem Südwesten der BRD zugezogenen Nachbarn beim Bäcker statt „Schrippen“ noch immer „Wecken“ bestellten. Wer bei der anschließend sich entwickelnden Debatte nicht sofort einschlief, konnte noch lernen, dass die Schwaben nicht Wecken, sondern Weggle sagen, oder so?

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4. Der Bild-Zeitung gelang es, das Fußballer-Moderatoren-Ehepaar van der Vaart zu überreden, in der auch für den Boulevard nachrichtenarmen Zeit eine Ehekrise plus Trennung anzuzetteln und die Gattin anschließend beim „therapeutischem Shoppen“ in der Hamburger Innenstadt zu begleiten. Beide van der Vaarts verdienen übrigens mehr als die Bundeskanzlerin und als Peer Steinbrück, aber das sei nur am Rande bemerkt.

5. Die Amerikaner sind noch nicht die Fiskalklippe heruntergefallen, sondern hängen noch dran und haben den Absturz zunächst vertagt. Der in der Silvesternacht erzielte Kompromiss sieht vor, dass nur Haushalte mit einem Einkommen von mehr als 450 000 Dollar höhere Abgaben entrichten müssen. In zwei Monaten könnten aber weitere Steuererhöhungen folgen. Gewöhnlich gut unterrichtete Kreise aus dem Kreml berichten daher, dass auch Anträge aus Malibu, Beverly Hills und den besseren Teilen Manhattans auf Erlangung der russischen Staatsbürgerschaft wohlwollend geprüft und zügig abgearbeitet werden.

Und 6. tritt Jakob Augstein bei der nächsten Wahl gegen Mahmud Ahmadinedschad an und Henryk M. Broder wird sein Wahlkampfberater und Steinbrück sein Pressesprecher oder so ähnlich.

Was das jetzt alles für 2013 heißt? Weiß ich auch nicht. Überlege schon die ganze Woche, ob ich „Oh, Mann!“ mir dieses Jahr, wie es der Spiegel empfiehlt, eine „neue Rolle“ suchen soll als Vertreter des starken Geschlechts und warum bei den Frauen offenbar alles gleich bleibt. Seit gestern habe ich dank der ZEIT die „Droge Wagner“ als Alternative, der war „ständig pleite, immer auf der Flucht“, war aber „in allem schnell und effektiv: im Fliehen, im Schreiben, im Betteln, im Intrigieren – und im Liebeswerben“. Klingt irgendwie attraktiver. Vielleicht halte ich es auch lieber mit dem STERN „Leben statt planen – Ein Plädoyer für mehr Lust, Lässigkeit, Abenteuer und Gefühl“.

Der kleine Bruder (5) meines Patensohns, der passend zur Jahreszeit den schönen Namen Sylvester, also der kleine Bruder, nicht der Patensohn, trägt, vertraute mir an Heilig Abend in der Kirche an, er sei „gierig auf Weihnachten“. Das ist auch ein gutes Motto fürs Neue Jahr, finde ich, in diesem Sinne: „2013, ich bin gierig auf Dich, aber jetzt leg echt mal los.“

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