Gebrauchsanweisung Deutschland, Teil III - „Es gibt Schlimmeres als Atomwaffen!“ 

Wer den hiesigen Behördendschungel verstehen will, der lese entweder Franz Kafka oder er lerne den Amtsschimmel mit den Augen von Fremden zu sehen. Unserem Kolumnisten war Letzteres vergönnt. Ob Jobcenter, Familienkasse, GEZ oder BaföG-Amt – oft bekommen ukrainische Flüchtlinge erst nach monatelangem Schriftverkehr, was ihnen zusteht. Oft nicht einmal dann.

Das Jobcenter fühlt sich nicht zuständig, hat aber schöne Visitenkarten / M. Brodkorb
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Autoreninfo

Mathias Brodkorb ist Cicero-Autor und war Kultus- und Finanzminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Er gehört der SPD an.

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Bei diesem Artikel handelt es sich um den dritten Teil einer Reihe über den Behördendschungel Deutschland. Lesen Sie hier den ersten Teil und hier den zweiten Teil von Mathias Brodkorbs Erfahrungsbericht.

Dass die 22-jährige Kateryna aus Bila Zerkwa Kindergeld beantragen sollte, machte einerseits Sinn. Sie studierte ja noch online in der Ukraine Violine, und für Studenten bis zum Alter von 27 Jahren besteht in Deutschland Anspruch auf Kindergeld. Andererseits machte es natürlich keinen Sinn. Es ging bloß darum, dass das Jobcenter monatlich an Kateryna 219 Euro weniger überweisen muss und stattdessen die Familienkasse für genau denselben Betrag aufkommt. Prinzip linke Tasche, rechte Tasche also. 

Und die Aufforderung des Jobcenters schien aus einem anderen Grund keinen Sinn zu machen. Antragsberechtigt sind beim Kindergeld ja gar nicht die Kinder, sondern die Eltern. Katerynas Eltern wohnen aber noch immer in der Ukraine und können folglich keinen Antrag auf Kindergeld für ihre Tochter stellen. Sie sind schlicht nicht antragsberechtigt. Bei der Hotline der Familienkasse bestätigte man mir das auch alles.  

Was ich mit der Aufforderung des Jobcenters denn nun tun solle, fragte ich den Herrn am Telefon. „Es gibt nur eine Möglichkeit für die junge Frau, selbst einen Antrag auf Kindergeld zu stellen“, meinte er. „Und zwar?“, fragte ich. „Sie muss bei der Familienkasse Karlsruhe einen Antrag auf Kindergeld für Flüchtlinge stellen, deren Eltern tot oder verschollen sind.“ Diese Fälle würden deutschlandweit in Karlsruhe gebündelt. 

Allerdings war ja beides nicht der Fall. Ich erklärte nochmal, dass Katerynas Eltern zum Glück quicklebendig und auch nicht verschollen seien. „Ich habe Sie schon verstanden“, meinte der freundliche Herr nun etwas nachdrücklicher zu mir, aber es ginge eben nicht anders. Was das denn alles solle, fragte ich genervt zurück. „Das ist doch klar: Der Antrag wird abgelehnt, die junge Frau kann den Bescheid beim Jobcenter einreichen, und alle können alles abheften.“ Dass die Eltern leben – und zwar in der Ukraine –, war dem Jobcenter freilich längst bekannt.

Sechs Wochen später die Aufforderung, weitere Unterlagen nachzureichen

Also taten wir, wie uns geheißen wurde. In einem Begleitschreiben erklärten wir ausdrücklich, dass die Eltern weder tot noch verschollen waren. Man will sich ja auch keine Leistungserschleichung vorwerfen lassen. Das wäre außerdem sinnlos gewesen, weil bloß das Jobcenter davon profitiert hätte. Unsere Hoffnung war, durch schonungslose Ehrlichkeit die Ablehnung des Antrages möglichst noch zu beschleunigen. 

Aber das war vergebens. Ungefähr sechs Wochen später kam nicht die Ablehnung, sondern die Aufforderung, weitere Unterlagen nachzureichen: Meldebescheinigung, Aufenthaltstitel, Studienbescheinigung. Obwohl eigentlich auch ohne diese Unterlagen bereits feststand, dass der Antrag abgelehnt werden wird, müssen offenbar erst noch die Akten vervollständigt werden. Warum man nachweisen soll, dass die hinreichenden Bedingungen erfüllt werden, obwohl das nicht einmal bei den notwendigen der Fall ist, bleibt für den gesunden Menschenverstand freilich ein Mysterium. Wiederum ein nicht durchdachter, verschwenderischer und sinnloser Verwaltungsvorgang. Diesmal exekutiert in Karlsruhe. Vorausgesetzt, die Hotline-Auskunft sollte sich als korrekt herausstellen. Wir hatten ja auch schon ganz andere Erfahrungen gemacht. 

Aber so leicht ist es gar nicht, die hinreichenden Bedingungen zu erfüllen, zum Beispiel die Studienbescheinigung zu besorgen. Zwischenzeitlich hatte sich Kateryna außerdem dazu entschlossen, sich von ihrem Studium beurlauben zu lassen – und zwar bis zum Ende des Krieges. Sie besaß weder eine schriftliche Studien- noch eine Urlaubsbescheinigung. Derartige Dinge klären die Ukrainer häufig per Messengerdienst. Das gilt selbst dann, wenn es um das eigene Bankkonto geht. Den zuständigen Bankmitarbeiter abends um 21.30 Uhr über WhatsApp zu erreichen, ist für Kateryna zum Beispiel gar kein Problem. 

Also schickten wir vorerst Aufenthaltstitel und Meldebescheinigung nach Karlsruhe und avisierten die Studien- und Beurlaubungsbescheinigung für Ende Oktober 2022. Aber ob uns das gelingen wird, steht in den Sternen. Und welche Konsequenzen für Kateryna es haben wird, falls es nicht gelingt, die geforderten Unterlagen beizubringen: who knows! 

Zwei Dinge bringen Kateryna in Wut: Putin und die deutsche Bürokratie

Überhaupt ist das mit Tetiana und Kateryna ein merkwürdig umgekehrt proportionales Verhältnis. Tetiana ist unkompliziert, kontaktfreudig und lebensfroh. Vielleicht es zu viel behauptet, die Freude über ihre Anwesenheit in Deutschland sei größer als ihre Trauer über das, was in der Ukraine geschieht. Aber es hält sich wohl doch irgendwie die Waage. 

Bei Kateryna ist das ganz anders. Sie ist nicht nur viel in sich gekehrter und empfindsamer als Tetiana, sondern will eigentlich gar nicht hier sein, also auch nicht bei uns. Sie ist nur in Deutschland, weil sie keine Vorstellung hatte, wie es sonst weitergehen sollte – nicht, weil sie wirklich hierher wollte. Als ich sie frage, wie sich das eigentlich anfühlt, bei uns zu sein, aber doch zugleich gar nicht bei uns sein zu wollen, sagt sie: „Wie auf einer Schaukel.“ 

Kateryna verfolgt täglich viele Stunden die Kriegsnachrichten, ist oft aufgewühlt und kann nicht schlafen. Wenn wir abends ernste Gespräche führen, zerknotet sie erst ihre langen Haare. Wenn ich sie auf diese Zwangshandlung aufmerksam mache, hört sie auf, zerrupft aber wenige Minuten später nervös ein Taschentuch und formt kleine Kügelchen. Als das Taschentuch zerlegt ist, sind dann irgendwann ihre Finger dran, die sie unter dem Tisch so lange malträtiert, bis die Übergänge zwischen Fingerkuppe und Nagelbett bluten. 

Kateryna steht in einem Ausmaß unter seelischen Spannungen, das für uns nur schwer nachzuempfinden ist. Am meisten wird diese kleine zierliche Person von Wut gegen zwei Instanzen getrieben: die deutsche Bürokratie und Putin. In einem Fall kann ich helfen, in dem anderen leider nicht. Zur Ehrenrettung des öffentlichen Dienstes muss man dabei sagen, dass Putin bei Kateryna noch eine gehörige Portion schlechter wegkommt als die deutsche Bürokratie. 

Eines Abends waren wir in einem Gespräch einigermaßen aneinandergeraten. „Ich kann auch sofort meine Sachen nehmen und gehen, wenn du willst!“, war einer der negativen Höhepunkte unseres Disputs. Irgendwann gelang es uns beiden, wieder eine gemeinsame Ebene zu finden. Zu den Problemen hatte dabei auch beigetragen, dass die Apps ihr Ukrainisch einfach nicht vernünftig übersetzten. 

Es war genau diese wundervolle Stimmung, die Kateryna traurig machte

Später, als wir alle in unseren Zimmern waren, schrieb sie mir eine sehr lange Nachricht, um sich zu erklären. Seitdem verstehe ich sie viel besser, glaube ich: „Ich bin sehr wütend auf alle Beteiligten, die diesen Krieg begonnen, mir mein altes Leben genommen, Freunde auf der ganzen Welt verstreut haben, die nicht nach Hause zurückkehren werden, weil ihre Heimat weg ist, und andere Freunde an die Front geschickt haben, um ihr Leben zu riskieren und uns zu beschützen. Ich bin sehr wütend auf diejenigen, die 19 von 20 Raketen auf zivile Objekte, Einkaufszentren, öffentliche Haltestellen, Krankenhäuser, Bahnhöfe abfeuern. Ich bin sehr wütend darüber, weil es mich zwingt, in Deutschland zu sein und mich mit euren Regeln abzufinden. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass all dies in einem einzigen Moment und ohne eigenes Verschulden verloren gehen könnte. Der Eindruck, dass dies nicht mein Leben ist, nicht ich, dass ich in dieser Nacht vom 23. auf den 24. Februar nie aufgewacht bin.“ 

 

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Plötzlich wurde mir auch klar, warum Kateryna am Tage ihres Einzugs in Tränen ausgebrochen war. Wir hatten sie sowie Tetiana und Sofi gemeinsam mit einem Freund zu einem Begrüßungsessen direkt am Ufer des Schweriner Sees eingeladen. Die Sonne schien, das Schweriner Schloss funkelte im Licht, und die „Jazzkombüse“ gab musikalisch ihr Bestes. Es war genau diese wundervolle Stimmung, die Kateryna sehr traurig machte, weil sie sie an ihr verlorengegangenes Leben erinnerte. In den letzten Wochen übte Kateryna nur noch wenig auf ihrer Violine. Ihr Herz ist schwer. 

Ein bisschen vom alten Leben findet Kateryna jetzt vielleicht an der Hochschule für Musik und Theater in Rostock. Dort ist sie seit Anfang Oktober neben ein paar anderen jungen ukrainischen Musikern als Gasthörerin eingeschrieben. Dort soll sie zumindest einmal pro Woche Unterricht erhalten. Der Dozent macht das alles für lau, zusätzlich zu seiner Lehrverpflichtung. 

Kateryna hatte auch schon mit dem Gedanken gespielt, ganz regulär in Deutschland zu studieren. Aber dann verlöre sie die Grundsicherung und müsste ins BaföG-System wechseln. Sie erhielte dann monatlich zwar eine ähnliche Summe Geldes, die Hälfte davon aber bloß als Kredit – wie jeder deutsche Student eben. In ein paar Jahren müsste sie den Kredit zurückzahlen, und zwar mindestens 130 Euro im Monat. Der Durchschnittsverdienst in der Ukraine betrug vor dem Krieg aber nur etwa 250 Euro im Monat – und dorthin will sie ja lieber heute als morgen wieder zurück. Eine etwas unrealistische Perspektive also. Das ist noch so eine der Folgen eines überhastet herbeigeführten Rechtskreiswechsels vom Asylbewerberleistungsgesetz zur Grundsicherung! Wäre es dazu nicht gekommen, hätte Kateryna – vorerst – ganz problemlos ihr Studium in Deutschland fortsetzen können. 

Sobald es einem gelingt, sein Leben in die eigenen Hände zu nehmen, beginnen die Probleme

Der Rechtskreiswechsel war wahrscheinlich ein ziemlicher Fehler. Erstens hat er Leistungsempfänger mit einem bürokratischen System konfrontiert, auf das diese nicht vorbereitet waren – und die Mitarbeiter in den Jobcentern und bei der Bundesagentur ebensowenig. Und es hat eine doppelte Ungerechtigkeit erzeugt: gegenüber Flüchtlingen aus anderen Nationen, die noch immer dem Asylbewerberleistungsgesetz unterliegen und insofern Flüchtlinge zweiter Klasse sind – und gegenüber deutschen Leistungsempfängern, die nun dieselben Leistungen erhalten wie Menschen, die zum deutschen Sozialstaat noch nie etwas beitragen haben, weil sie es nicht konnten. Logischer wäre es gewesen, den Arbeitsmarkt behutsam für alle anerkannten Asylbewerber und Flüchtlinge zu öffnen. 

Bei Tetiana hofften wir übrigens, langsam die ganzen bürokratischen Anfangsschwierigkeiten überwunden zu haben. Irgendwann müsste sich das System doch irgendwie einschaukeln, dachten wir. Allein die GEZ mussten wir drei- oder viermal anschreiben, bis sie akzeptierte, dass sie und ihre Tochter Sofi als Flüchtlinge keine Beiträge zu zahlen haben. Mehrfach forderte die GEZ Beiträge ab 1. Februar 2022 ein, obwohl der Krieg am 24. Februar begonnen hatte und die beiden erst seit April eine eigene Wohnung haben. 

Aber die Probleme werden und werden nicht kleiner und auch nicht weniger. Tetianas Probleme sind dabei im Vergleich zu denen Katerynas deshalb besonders groß, weil sie einen Job hat und einen Teil ihres Lebensunterhaltes selbst bestreiten kann. Sie hat zwar mehr Geld als andere Leistungsbezieher, aber plötzlich Schulden in der Höhe zweier Monatsmieten. Und das kam so. 

Tetiana verdient netto inzwischen monatlich etwa 1000 Euro als Lehrerin, hat aber als alleinerziehende Mutter Anspruch auf rund 1378 Euro. Von ihrem Lohn darf sie 280 Euro behalten, die anderen 720 Euro werden ihr vom Jobcenter wieder abgezogen. Und genau da beginnt das Problem: Die Grundsicherung wird immer zum Ende eines Monats für den Folgemonat gezahlt. Es ist dann also gar kein Problem, zu Beginn eines Monats die Miete pünktlich zu bezahlen. Das stimmt aber nur, wenn man als Leistungsempfänger nicht arbeitet. Sobald es einem gelingt, sein Leben in die eigenen Hände zu nehmen, beginnen die Probleme. 

Entweder dauerhaft hungern oder die Miete mit wochenlanger Verspätung bezahlen

Ihren Lohn erhält Tetiana nämlich wie jeder Grundsicherungsbezieher erst am Ende eines Monats – rückwirkend nach getaner Arbeit. Es entsteht dadurch eine Finanzlücke von mehr als 700 Euro, sodass Tetiana oder Sofi sich entscheiden mussten: entweder dauerhaft hungern oder dauerhaft die Miete mit wochenlanger Verspätung bezahlen. Man ahnt, worauf es hinausgelaufen ist. 

Also kam prompt Post vom Vermieter, der ganz mit Recht die ausstehende Miete angemahnt hat. Ich ließ mir zum gefühlt fünfzigsten Mal sämtliche Schreiben und Kontoauszüge von Tetiana geben, um das Problem zu verstehen. Die Lösung schien ganz einfach: Wir müssten das Jobcenter nur bitten, seinerseits die Abzugsbeträge vom Lohn mit Verzögerung geltend zu machen. 

Also rief ich die durchaus engagierte Mitarbeiterin an, schilderte den Fall und unterbreitete meinen Vorschlag, der prompt abgelehnt wurde. Das sei rechtlich nicht möglich, weil dann eine dauernde „Überzahlung“ eintreten würde. Das Problem müsse schon der Arbeitgeber von Tetiana lösen. 

Die Auszahlung ihres Lohnes nimmt das Landesamt für Finanzen vor. Also rufe ich auch dort an und lande schließlich bei der Chefin persönlich. Das hat auch damit zu tun, dass ich sie noch von früher kenne, sie war mal eine Kollegin. Das Problem könne man schon lösen, sagt sie, indem ein Vorschuss auf den Lohn beantragt wird. Das müsse aber bei der zuständigen personalführenden Stelle geschehen, also dem Schulamt.  

Da auch dort ein ehemaliger Kollege für die Angelegenheit zuständig ist, stelle ich frohgemut einen entsprechenden Antrag. Nach ein paar Tagen kommt die Antwort: Das Schulamt sei zu so etwas nicht ermächtigt, das müsse schon das Landesamt für Finanzen selbst regeln. Uns fehlt offenbar Passierschein A 38.  

Als die amtierende Bildungsministerin von dem Problemfall erfährt, kündigt sie eine pragmatische und generelle Regelung für solche Fälle an, um unsinnige persönliche Härten zu vermeiden. Allerdings setzt dies wiederum das Einverständnis des Finanzministeriums voraus. Bisher ist das Problem noch ungelöst. 

Zwei Tage vor Ferienbeginn gab es wieder Post vom Amt

Vor ein paar Tagen übrigens freuten sich Tetiana und Sofi auf eine kleine Auszeit, Mecklenburg-Vorpommerns Schulen traten in die Herbstferien ein. Ein bisschen Erholung, ein bisschen auf andere Gedanken kommen … Aber zwei Tage vor Ferienbeginn gab es wieder Post vom Amt. Diesmal trafen an nur einem Tag ganze fünf Schreiben des Jobcenters bei ihr ein. Tetiana wollte die Angelegenheit möglichst schnell hinter sich gebracht wissen, um ihre freien Tage nicht mit Bürokratie zu belasten. Sie kam schon am nächsten Tag zu mir, drückte mir die Schreiben in die Hand und sagte bloß: „Психиатрия“. 

Irgendwann mutete ich Kateryna und mir ein sehr persönliches Gespräch zu. Es war zu der Zeit, als auch ihre Heimatstadt Bila Zerkwa von Drohnen angegriffen wurde. Sie spricht wie Tetiana nicht gerne über den Krieg, frisst die Probleme lieber in sich hinein. Gut ist das nicht. 

Warum sie denn nicht in der Ukraine sei, um für die Befreiung ihrer Heimat zu kämpfen, wenn sie gar nicht in Deutschland sein wolle? Sie habe, antwortete sie, tatsächlich schon mehrfach vorgehabt, zurückzukehren und sich bei der Territorialverteidigung zu melden. Aber dann sei ihr klargeworden, dass das keinen Sinn hätte. Sie könne ja nicht einmal Blut sehen. Ihre Dankbarkeit jenen gegenüber, die nun in der Heimat für die Freiheit kämpfen, ist auch deshalb nahezu grenzenlos. 

Ob sie denn keine Angst vor dem Einsatz von Atomwaffen hätte, wenn der Krieg immer weiter eskalierte? Ihre Antwort verblüffte mich auch deshalb, weil ihre sonst stets präsente Verunsicherung aus ihrem Gesicht verschwand und ihr Blick plötzlich ganz klar wurde. Sie sagte trocken: „Es gibt Schlimmeres als Atomwaffen!“ Was das denn sein könnte, wollte ich von ihr wissen. „Die russische Okkupation meiner Heimat.“ Kateryna hielt kurz inne und fuhr dann fort: „Oder dass die Welt irgendwann aufhören könnte, uns zu helfen.“

Irgendwann, wenn alles vorbei und alles hoffentlich wieder gut ist, werden wir uns bestimmt wiedersehen. In Odessa und Bila Zerkwa. Und dann werden wir feiern, als ob es kein Morgen gäbe: die Freundschaft, den Frieden und die Freiheit. 

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