Gebrauchsanweisung Deutschland, Teil II - Deutsche Bürokratie im Schnellkurs

Wer den hiesigen Behördendschungel verstehen will, der lese entweder Franz Kafka oder er lerne den Amtsschimmel mit den Augen von Fremden zu sehen. Unserem Kolumnisten war Letzteres vergönnt. Was Deutsche in Jahrzehnten lernen, verdichtet sich für ukrainische Flüchtlinge auf wenige Wochen und Monate: Steueridentifikationsnummer, Meldebescheinigung, Rundfunkbeitrag, Fiktionsbescheinigung und und und – und das alles in einem Deutsch, das selbst Muttersprachler kaum verstehen.

Die Algorithmen der Übersetzungsapp verstehen Katerynas ukrainisch gefärbtes Russisch nicht so gut / Mathias Brodkorb
Anzeige

Autoreninfo

Mathias Brodkorb ist Cicero-Autor und war Kultus- und Finanzminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Er gehört der SPD an.

So erreichen Sie Mathias Brodkorb:

Anzeige

Bei diesem Artikel handelt es sich um den zweiten Teil einer Reihe über den Behördendschungel Deutschland. Lesen Sie hier den ersten Teil von Mathias Brodkorbs Erfahrungsbericht.

Bevor Tetiana und Sofi im Sommer nach Odessa reisten, hatten wir ein paar Schwierigkeiten miteinander. Die russische Armee begann damit, auch Odessa unter Beschuss zu nehmen. Ob sie unter diesen Umständen wirklich nach Odessa reisen – und vor allem – auch Sofi mitnehmen wolle, fragte ich sie. Wenn sie ihre Tochter in Deutschland ließe und etwas Schlimmes passierte, könnte sie sich jedenfalls auf eines verlassen: dass ihre Tochter ein neues Zuhause hätte.

Natürlich flossen Tränen an diesem Abend und es waren sehr schwere Momente. Aber Sofi wollte trotz allem unbedingt in die Heimat mitkommen und bettelte ihre Mutter an. Sie wollte Babuschka und Vater Vladislav endlich, endlich wiedersehen. Und ihre geliebte Katze Elsa. Als sie unbeschadet wieder zurück waren, berichtete Tetiana von vielen schlaflosen Nächten. Es gab sehr häufig Fliegeralarm. Sie verbrachten Stunde um Stunde in Luftschutzkellern.

Wenn es nach dem Jobcenter gegangen wäre, hätten sie übrigens überhaupt nicht nach Odessa reisen dürfen. Wegen der Reise konnte Tetiana nämlich ein paar Tage nicht am Integrationskurs teilnehmen, weshalb sie offiziell untersagt wurde: „Ihrem Antrag auf Ortsabwesenheit steht die tatsächlich rechtliche Teilnahme an einem Integrationskurs entgegen. Deshalb kann ich Ihnen keine Zustimmung für eine Ortsabwesenheit geben.“

Auf Wohnungssuche

Nur ein Schreiben des Trägers des Integrationskurses konnte das Jobcenter umstimmen: Tetiana sei bisher immer zuverlässig zu den Veranstaltungen gekommen und lerne fleißig, stand in einem Schreiben. Es sei nicht damit zu rechnen, dass wenige Tage Abwesenheit den Erfolg der Maßnahme in Frage stellen können. Und wegen der besonderen Umstände, es ging vor allem um die Versorgung der kranken Mutter Tetianas, sei man mit der Reise einverstanden.

Eines Tages, als ich nach ihrer Rückkehr mit den beiden bei ihrer Krankenversicherung war, um bürokratische Angelegenheiten zu regeln, lud mich Tetiana anschließend scheinbar spontan zum Kaffee ein. Sie überreichte mir ihr Handy mit einem sehr langen vorbereiteten Text. Sie entschuldigte sich vielmals, sei auch dankbar für alles, was wir und unsere Nachbarn für sie getan hätten: Aber sie müssten einfach in eine neue Wohnung ziehen. Die andere sei auf Dauer nicht geeignet, womit sie übrigens völlig Recht hatte. Sie war auch nie als Dauerlösung gedacht gewesen. Ob ich bei der Suche nach einer neuen Wohnung helfen könne?

Also durchforsteten wir wochenlang den Wohnungsmarkt. Am liebsten wollten sie bei uns in der Nähe bleiben, in der Schweriner Innenstadt. Wir fanden sogar Vermieter, die das Risiko auf sich genommen hätten. Bei einer Telefonberatung mit dem Jobcenter wurde mir gesagt, es sei auch gar kein Problem, wenn die Wohnung teurer wäre, als die höchsten Erstattungssätze des Jobcenters dies vorsähen. Dann müsste Tetiana einfach schriftlich erklären, dass sie die Mehrkosten durch sehr sparsames Leben selbst trage – und alles sei gut. Das schien mir logisch und pragmatisch.

Behördenschreiben, die selbst Muttersprachler kaum verstehen

Als wir dann eine Wohnung gefunden und das Mietangebot an das Jobcenter geschickt hatten, kam prompt eine Ablehnung. Die Wohnung sei zu teuer. Auf eigenes Risiko könne Tetiana die Wohnung natürlich trotzdem mieten. Völlig überflüssig zu betonen, dass auch dieses Schreiben wie alle anderen in einer Sprache abgefasst war, dass man selbst als Muttersprachler Mühe hat, alles zu verstehen. Die Sache hatte nur einen Pferdefuß: Weder Umzugskosten (die ohnehin nie geltend gemacht wurden) noch Kaution oder steigende Nebenkosten würden durch das Amt abgedeckt. Bei einer Wohnung, deren Kosten die Höchstsätze nicht übersteigen, ist das ganz anders. Da zahlt das Amt selbstverständlich: und zwar alles.
 

Das könnte Sie auch interessieren:

Angesichts explodierender Gaspreise riet ich Tetiana von dem Risiko nachdrücklich ab. Das könne ihr Ruin werden. Letztlich half Larissa dabei, eine Wohnung zu finden, die das Amt auch akzeptiert hat. Sie ist viel kleiner, als sie sein dürfte und erreicht trotzdem jene Kosten, die das Amt maximal zu bezahlen bereit ist. Auch im Schweriner Plattenbau sind die Mietpreise explodiert. Die Wohnung hatte nicht einmal eine Küche.

Seit dem 1. September wohnen Tetiana und Sofi nun in einer neuen, sehr bescheidenen Plattenbauwohnung. Eines hatte ich nun aber gelernt: Hätte der andere Vermieter auf dem Papier einfach die Nebenkosten künstlich herunter geschraubt, damit das Amt das Mietangebot absegnet und Monate später die Rechnung viel höherer Nebenkosten präsentiert, wäre das gar kein Problem gewesen. Das Amt hätte gezahlt.

Irgendwann im Sommer erhielt ich dann einen Anruf der zweiten stellvertretenden Vorsitzenden des deutsch-ukrainischen SIC e.V. Auch sie ist Ukrainerin und lebt seit vielen, vielen Jahren in Schwerin. Sie ist, wenn man so will, die Kultur-Fee des Vereins.

Eine junge Musikerin in Not

Sie hätte da eine Frage, sagte Natalia mir am Telefon. Ob wir uns vorstellen könnten, einer jungen ukrainischen Musikerin ein vorübergehendes Zuhause zu geben. Allerdings: Sie spiele Violine – und zwar vier Stunden am Tag. Das müssten wir schon erdulden können. Ich versprach, das mit meiner Frau zu bereden und mich zeitnah zurückzumelden.

In den Wochen zuvor hatten wir uns ohnehin schon an Pontius und Pilatus gewendet, um unsere Hilfe anzubieten. Wir wären bereit, einer Mutter mit Kind, eine Frau oder einen unbegleiteten minderjährigen Flüchtling aufzunehmen. Erste Anlaufstelle war ein deutschlandweites Hilfsportal, bei dem wir uns registrierten. Prompt bot man uns an, eine Heimstatt für einen jungen Ukrainer zu werden. Aber dafür bin ich einfach zu konservativ. Die Frage war ja: Was macht dieser junge Mann eigentlich in Deutschland, während seine Heimat ums Überleben kämpft? Dann wäre fast eine junge Mutter mit Kleinkind bei uns eingezogen, aber die Gesamtumstände blieben etwas dubios und eine einzige Nachfrage mit der Bitte um Aufklärung führte dazu, die Mutter zum Rückzug zu veranlassen.

Irgendwann meldeten wir uns dann in Stettin, Warschau und Prag. Es war die Zeit, als aus Osteuropa eine Überlastung mit ukrainischen Flüchtlingen gemeldet wurde. Wir hingegen waren nicht überlastet. Eine Antwort von den dortigen Stellen haben wir allerdings nie erhalten.

Und in diese Zeit platzte die Anfrage von Natalia. Das Gespräch mit meiner Frau dauerte keine zwei Minuten. Wir sagten zu. Was soll man als ehemaliger Kultusminister auch gegen das Violine-Spiel einer jungen Musikerin in Not sagen? Natalia hatte das am Ende auch psychologisch irgendwie geschickt eingefädelt.

Wenn die Übersetzungsapp versagt

Seit dem 3. August wohnt nun Kateryna bei uns. Sie kommt aus Bila Zerkwa in der Nähe von Kiew und ist 22 Jahre alt und seitdem ist unsere Wohnung regelmäßig von Geigenklängen erfüllt. Manchmal übt sie aber auch in einem Kellerraum in unserem Haus, in dem noch gebrauchte Möbel für Tetianas und Sofis neue Wohnung standen.

Natalia hatte uns schon von Anfang an gesagt, dass Kateryna einsam und sehr verschüchtert sei. Und sie spreche auch kein Deutsch, aber doch Englisch. Das machte Hoffnung, denn wir sprechen umgekehrt weder ein Wort Russisch noch Ukrainisch.

Dass Katerynas Englischkenntnisse allerdings nicht für ein Gespräch ausreichen, zeigte sich sehr schnell. Also waren wir von nun an ausschließlich auf die Segnungen der Technik angewiesen. Das war und ist aber sehr viel komplizierter als bei Tetiana und Sofi. Die beiden sprechen lupenreines Russisch – und damit können die meisten Apps ziemlich gut umgehen. Kateryna aber hatte nie Russisch in der Schule und spricht es, wie sie selbst sagt, nur mit stark ukrainischem Akzent.

Und plötzlich hatten wir das Problem: Die Algorithmen verstehen weder ihr ukrainisch gefärbtes Russisch gut – noch übersetzen sie Ukrainisch auf alltagstaugliche Weise. Bisweilen funktioniert die Verständigung also nur mit Hängen und Würgen – und mit viel Lachen. Erst gestern sagte sie angeblich zu mir: „Vielleicht hätte ein europäisches Huhn immer noch einen hohen Wert für mich.“ Oder: „Ich bin ein Umschlag nichts kaufen Zain Scheiße Zite Methan Dauren.“ Und? Welchen Reim würden Sie sich darauf machen?

Post vom Jobcenter

Als Studenten kam für meine Frau und mich eines auf keinen Fall in Frage: eine Wohngemeinschaft. Das wäre selbst mir zu kommunistisch gewesen. Aber nun haben wir sie, weil die Dinge nun einmal sind, wie sie sind.

Anfangs schlich Kateryna wie ein Kätzchen auf Samtpfoten durch die Wohnung. Sie versuchte herauszufinden, wie unser Familienleben funktioniert. Sie wollte uns auf keine Fall zur Last fallen und sich unauffällig durch unser Leben bewegen.

Aber genau das wollten wir nicht. Wenn man schon einen völlig fremden Menschen in seiner Wohnung hat, soll das ja kein Schatten, kein Außerirdischer sein. Die Privatheit einer Familie wurde durch die Angelegenheit ohnehin schon genug auf die Probe gestellt. Also sagten wir ihr recht schnell, was wir von uns allen erwarten würden: dass sich alles irgendwann und irgendwie wie eine Familie anfühlte. Als wäre sie eine entfernte Verwandte, von der wir bisher bloß nichts wussten.

Im Grunde kenne sie niemanden in Schwerin, sagte uns Natalia, weil ihre Freundin nun nach Stuttgart zum Studium gegangen sei. Bei ihr hatte sie seit Mai 2022 für einige Zeit leben können. Zwischenzeitlich war sie dann woanders untergekommen und wir haben bis heute nicht recht verstanden, wo das eigentlich war. Aber es war nur auf Zeit.

Jedenfalls lagen verschiedenen Behörden und Stellen nun unterschiedliche Anschriften von Kateryna vor. Und das war ein Teil der Probleme. Kaum war sie bei uns eingezogen, bekam sie Post vom Jobcenter. Das kündigte an, ab September sämtliche Leistungen einzustellen.

Als sie das, an unserem Küchentisch sitzend, las, verfiel sie in homerisches Gelächter. Es machte ganz den Eindruck, als sei das ihre Art, mit einer unabwendbaren und unverständlichen Bedrohung umzugehen. Ich bat sie, mir das Schreiben zu lesen zu geben – und dann auch alle anderen Behördenschreiben.

Wo das Jobcenter recht hat

Die Lage war ungefähr die Folgende: Das Jobcenter stellte deshalb die Leistungen ein, weil sie weder postalisch noch telefonisch erreichbar gewesen war und mehrere Auflagen nicht erfüllt hatte: Sie sei erstens nicht zu einem Termin erschienen und zweitens hätte sie keinen Antrag auf Kindergeld gestellt – oder das jedenfalls nicht nachgewiesen.

Es war ein bisschen mühsam, Kateryna zu der Einsicht zu bewegen, dass die Vorwürfe des Jobcenters nicht ganz unbegründet waren. Natürlich müsse sich das Jobcenter sicher sein, dass sie sich überhaupt noch in Deutschland befinde, wenn es ihr Geld geben solle. Und zu der Verwirrung habe eben die Vielzahl ihrer Adressen beigetragen. Und auch, dass sie telefonisch offenbar nicht erreichbar gewesen sei.

Das lag daran, dass sie aus Kostengründen irgendwann ihre deutsche Telefonnummer nicht mehr genutzt und offenbar versäumt hat, das Jobcenter darüber in Kenntnis zu setzen. Allerdings hätte es auch gar nichts genutzt, wenn es anders gewesen wäre. Die zuständige Sachbearbeiterin, die ich bald kennenlernen sollte, hätte sie am Telefon ohnehin nicht verstanden.

Ich versuchte Kateryna einzuhämmern, dass man den Anweisungen deutscher Behörden Folge zu leisten habe. Ohne Entschuldigung zu einem Termin nicht zu erscheinen, ginge gar nicht und hätte in Deutschland eben Konsequenzen. Und auch den Antrag auf Kindergeld hätte sie, wie gefordert, einfach stellen müssen. „Warum hast Du das denn nicht einfach getan?“, fragte ich Kateryna. Sie zuckte nur verständnislos mit den Achseln und sagte: „Aber ich habe doch gar keine Kinder!“ Sie hielt das alles bloß für einen Behördenirrtum.

Deutsche Bürokratie im Schnellkurs

Plötzlich wurde mir zweierlei klar: Flüchtlinge müssen sich nicht nur in ein völlig unbekanntes Staats- und Gesellschaftssystem hineindenken, sondern außerdem die vorgesehenen bürokratische Hürden in Rekordgeschwindigkeit nehmen. Wofür Deutsche Jahre und Jahrzehnte Zeit haben, verdichtet sich für sie auf wenige Wochen und Monate: Steueridentifikationsnummer, Meldebescheinigung, Rundfunkbeitrag, Fiktionsbescheinigung, Aufenthaltstitel, Krankenversicherung, Jobcenter, Bundesagentur für Arbeit, Ausländerbehörde, Familienkasse und und und… Und das alles ohne die Sprache zu sprechen und das System überhaupt zu verstehen.

Also kam es, wie es kommen musste. Ich bat auch Kateryna um eine Vollmacht, um das Damoklesschwert der Leistungseinstellung durch das Jobcenter abzuwenden. Heute weiß es wieder, wo sie wohnt, was sie tut und wie man sie telefonisch erreicht. Den Termin bei der Bundesagentur für Arbeit für ihre Vermittlung auf den Arbeitsmarkt haben wir inzwischen absolviert.

Mit Tetiana hatte ich das ja auch schon durch. Sie saß vor ein paar Wochen mit mir vor einer wirklich freundlichen und bemühten Mitarbeiterin. Als diese in feinster Behördenpoetik auf Tetiana einhämmerte, unterbrach ich kurz den Redeschwall und erlaubte mir den Hinweis, dass vor ihr ein ukrainischer Flüchtling sitzt, der fast kein Deutsch versteht: „Also bitte langsam sprechen, keine Fremdwörter und bitte nur einfache Hauptsätze!“ Die Sachbearbeiterin nickte verständig und fuhr ganz sicher ohne böse Absicht fort, als wäre nichts gewesen.

Tetiana lächelte die Mitarbeiterin einfach fortlaufend an, nickte im Takt der ihr unbekannten Sprache mit dem Kopf und sagte ständig einsichtsvoll nur: „Да, да, да, конечно.“ Die Sachbearbeiterin war sehr zufrieden mit ihr. Als ich Tetiana dann später fragte, ob sie überhaupt irgendetwas verstanden hätte, sagte sie nur zu mir: „Конечно, нет.“ Die meisten Ukrainer haben bei Behördenterminen einen Dolmetscher dabei. Wir machten es einfach so, dass ich ihr anschließend alles genau erklärte.

Integrationskurse ausgebucht

Unterschreiben musste sie am Ende eine „Eingliederungsvereinbarung“. Darin versicherte ihr die Behörde, sie jederzeit dabei zu unterstützen, in einem Integrationskurs Deutsch zu lernen. Im Grunde besteht die Vereinbarung auch aus gar nichts anderem. Das Problem war nur, dass Tetiana bereits seit April 2022 auch ohne amtliche Hilfe einen Integrationskurs besuchte. Es war daher nicht ganz klar, warum sie sich Monate später zu etwas verpflichten sollte, was sie ohnehin längst tat. Aber so sind eben die Rechtsvorschriften. Seit dem 3. August 2022 hat sie nun die offizielle Bestätigung, dass sie einen Integrationskurs besuchen darf, an dem sie bereits seit April desselben Jahres teilnimmt. Alle können das Dokument nun folgenlos abheften.

Kateryna konnte ich so jedenfalls gut auf ihren Termin bei der Arbeitsagentur vorbereiten. Ich wusste ja schon, worum es gehen würde. Auch sie müsste eine Eingliederungsvereinbarung unterschreiben, mit der sie sich zum Deutschlernen verpflichtet. Aber wenn das denn überhaupt wenigstens möglich wäre! Kateryna wünscht sich wenig sehnlicher als das.

Im Unterschied zu Tetiana und Sofi kam Kateryna aber nicht im März, sondern erst im Mai nach Deutschland. Dann noch einen Platz in einem Integrationskurs zu finden, war völlig aussichtslos. Der Träger, bei dem sie jetzt immerhin einen Vorbereitungskurs für einen Integrationskurs absolvieren kann, vertröstete sie auf Januar oder Februar 2023. Erst dann kann es losgehen.

Gemäß Integrationsvereinbarung ist sie dennoch verpflichtet, bis Ende Oktober 2022 nachzuweisen, dass sie einen Integrationskurs besuchen wird. Das hängt aber gar nicht von ihr ab. Das müsste ihr der entsprechende Träger der Maßnahme versichern – aber der kann es einfach nicht, sagt er jedenfalls. Die Mitarbeiterin, die die Unterschrift von ihr verlangt, weiß das natürlich alles schon vorher.

Eine frustrierte Frau im Hamsterrad

Als die ebenfalls verständnisvolle Sachbearbeiterin die Eingliederungsvereinbarung für Kateryna ausdruckt, stöhnt sie tief in sich hinein. Was dann sei, frage ich sie. Sie antwortet ungefähr das Folgende, während sie Kateryna die Vereinbarung übergibt: „Naja, eigentlich ist das ja alles völlig sinnlos. Ob Frau K. die Vereinbarung unterschreibt oder nicht, macht keinen Unterschied. Es gibt ja durch die Entscheidung der Politik im Rahmen des Bürgergeldes ohnehin keine Konsequenzen für die Leistungsempfänger mehr.“ Ich blicke auf eine tief frustrierte Frau in einem Hamsterrad.

Für Kateryna war das aber eine gute Nachricht. Das erste Mal konnte sie in Deutschland ein Dokument in der absoluten Gewissheit unterschreiben, dass es keine negativen Folgen für sie haben wird. Aber ein Problem gab es immer noch. Sie sollte ja unbedingt Kindergeld beantragen, obwohl sie doch gar keine Kinder hat.

Fortsetzung folgt.

Anzeige