Hartmut Rosa
Hartmut Rosa / © Jürgen Scheere

Hartmut Rosa im Gespräch mit Ulrike Moser - Cicero Podcast Literaturen: „Schneller, weiter, höher, ohne uns irgendwo hinzubewegen“

Braucht Demokratie die Religion? Ja, sagt der Soziologe Hartmut Rosa, der am 15. März mit dem Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft ausgezeichnet wird, in seinem jüngsten Buch. Gerade in einer krisenhaften Gesellschaft, die auf ständiges Wachstum ausgelegt sei und darauf mit Aggression und Entfremdung reagiere. Religion eröffne ein anderes Weltverhältnis, die Erfahrung von „Resonanz“.

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Ulrike Moser ist Historikerin und leitet das Ressort Salon bei Cicero.

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Auf den ersten Blick mag es überraschen, dass der Soziologe Hartmut Rosa ein Buch geschrieben hat, das den Titel „Demokratie braucht Religion“ trägt. Denn der Wissenschaftler, der an der Universität Jena lehrt, hat sich bislang vor allem mit einer krisenhaften Moderne auseinandergesetzt, die geprägt ist von einer den Menschen überfordernden Beschleunigung in allen Lebensbereichen. Und von einem Zwang, immerfort zu wachsen, innovativ zu sein. Nur gilt das Versprechen der Moderne nicht mehr, dass Wachstum, Fortschritt, Frieden und das Ende von Zeitnot verhieß. „Wir müssen jedes Jahr schneller werden, nicht um irgendwo hinzukommen, sondern um stehen zu bleiben“, sagt Rosa im Gespräch mit Ulrike Moser, Ressortleiterin „Salon“ bei Cicero.

Wenn der Konkurrenzkampf aber immer härter, der Wettlauf um schwindende Ressourcen immer schneller wird, dann befindet sich die Gesellschaft im Zustand eines „rasenden Stillstands“, wie Rosa sagt. „Der Zwang zur Veränderung und zur Beschleunigung führt zur Entfremdung.“ Zur Aggression, zu einem Grundmisstrauen gegenüber der Welt.

Was aber ist das Gegenteil von Entfremdung? Die Erfahrung von „Resonanz“, sagt Rosa. Sich berühren zu lassen von etwas, einem Ort, von Menschen, und darauf zu antworten und sich verändern zu lassen. Und hier öffnet sich auch der Raum zur Religion, weil diese Berührbarkeit eine Grundform von Religion sei. „Es geht darum, dass Menschen sich nicht als die einzige Wertequelle erfahren, sondern ihr Leben so leben, dass es da draußen noch etwas gibt, was per se wichtig ist.“

Resonanz kann aber ebenso in Beziehungen zu Menschen erfahren werden. Oder in der Musik. „Ich habe eigentlich mein ganzes Leben hindurch Musik als meinen wichtigsten Resonanzdraht erfahren“, sagt Rosa. Er war lange Zeit Mitglied in einer Heavy-Metal-Band. Heute spielt er mit großer Leidenschaft die Kirchenorgel. Auch darauf mitunter Heavy Metal. „Das klingt!“, sagt Rosa.

Das Gespräch wurde am 28. Februar 2023 aufgezeichnet.

 

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Ronald Lehmann | Fr., 3. März 2023 - 20:27

Meine persönliche Meinung
Bei Religion sollte es NICHT um das Gefäß gehen, also um das, wo sich Religions-Obrigkeit streitet.

Sondern um die Inhalt wie z.B. die christliche, die Verkündung der frohen Botschaft.
Hinzu die Gesetze Gottes, die die allermeisten Religionen vom Grundsatz her anerkennen.

Und ich finde die kleinen Richtlinien der Religionen als Erfüllung, weil z.B. Fasten oder beichten den Zweck erfüllt, sich selbst im Spiegel anzuschauen & nicht nur als Wähler & Konsument zu fugieren.

Hinzu meine persönliche Auffassung zu Religion, wäre dem Schöpfer wirklich was wichtig, was der Menschen wissen, glauben oder tun sollte, er hätte garantiert die Macht, dies so zu verkünden, dass kein einziges Menschenkind auf Erden daran zweifelt

Die meisten religiösen Aussagen & Schriften mit hunderten von Abschriften & Übersetzungen kamen immer aus Menschenhand

Aber die Evangelien ziehen sich wie ein roter Faden durch alle Glauben-Bekenntnisse.

Also leben wir in gottgefälliger Eintracht

Ronald Lehmann | Sa., 4. März 2023 - 13:02

Und voll meine Gedankengänge wieder spiegelt.
Danke liebe Frau Moser & allen ein innerlich friedvolles angenehmes Wochenende