
- „So viel Angst hatte ich noch nie“
In Russland wird das Leben härter. Das merken einfache Bürger, wenn sie ihr letztes Geld für Hamsterkäufe aufwenden müssen. Und viele Menschen überlegen es sich zweimal, welche Posts sie auf Social Media verfassen und mit wem sie chatten. Eine Studentin aus Moskau spricht im Cicero-Interview über die aktuelle Situation. Um sie vor staatlicher Verfolgung zu schützen, haben wir das Interview anonymisiert.
Wie ist zurzeit die wirtschaftliche Situation in Russland? Und wie kommen russische Bürger angesichts der Sanktionen über die Runden?
Wir alle wissen, wie abhängig Russland vom Weltmarkt ist. Es gibt keine unabhängige russische Industrieproduktion. Software, Hightech, Einzelteile, Maschinen – all dies wird für Dollars oder Euros eingekauft. In allen Sektoren steigen die Kosten und damit auch die Preise: von Nagelstudios bis hin zur Club-Mate-Limonade, die ja nicht in Russland hergestellt wird. Die Menschen decken sich mit Lebensmitteln ein, solange man sie noch kaufen kann: Mehl, Zucker und Butter sind für Hamsterkäufe besonders beliebt. Deshalb werden sie aktuell nur rationiert verkauft. Viele Kleinunternehmer und Lebensmittelhändler haben lange versucht, ihre Preise zu halten. In einigen Fällen blieben die Preise sogar für eine Woche stabil. Aber jetzt steigen die Preise langsam. Das lässt sich nicht mehr aufhalten. Auch Dienstleistungen werden teurer. Deshalb sind die Preisschilder vieler Läden mittlerweile nicht mehr in Rubel angegeben, sondern in Dollar. Und wenn jemand etwas privat verkauft, verlangt er auch nur noch ausländische Währung. Durch die Inflation fällt der Rubelkurs ja ständig.